Neues Album "Play"

Ed Sheeran lässt das Tränental hinter sich

Auf "Play" zeigt sich der Brite wieder äußerst spielfreudig. Das Album vereint indische und persische Sounds – nur bei den Balladen hapert’s.

12.09.2025 UPDATE: 12.09.2025 15:07 Uhr 3 Minuten, 10 Sekunden
Ed Sheeran. Foto: Petros Studio

Von Steffen Rüth

Heidelberg. Pink und Rosa sind die allesüberstrahlenden Farben von "Play", Ed Sheerans achtem Album. Das Cover könnte man fast mit einer Telekom-Werbung verwechseln. Auch die begleitende Merchandising-Kollektion setzt einen rosaroten Schwerpunkt. Und besonders knallig ist der pinke Hoodie geraten, den Sheeran gerade selbst gern trägt. 

Man muss also noch keine Note von "Play" gehört haben, um grob zu wissen, wo der Hase hinhoppelt. Nämlich mitten rein ins pralle, bunte, schöne Leben. Technicolor-Pop nennt das die Plattenfirma. Man könnte auch sagen, Sheeran, mittlerweile 34 Jahre alt und beinahe schon sein halbes Leben lang ein Superstar, habe seine Ein-Mann-Coldplay-Werdung mit diesen 13 neuen Songs erfolgreich abgeschlossen.

Nach den zwei melancholischen und musikalisch jeder Farbe beraubten (sowie kommerziell unter den Erwartungen gebliebenen) Vorgängeralben "-" und "Autumn Variations", auf denen der Engländer den plötzlichen Tod seines besten Freundes, die (überwundene) Krebserkrankung seiner Frau Cherry Seaborn und die mit den Erschütterungen einhergehenden Depressionen zu verarbeiten versuchte, reißt er mit "Play" wieder die Vorhänge auf. Ed öffnet die Fenster und reckt sich lebensgierig den Sonnenstrahlen entgegen.

Warum auch nicht? Die Familie – Ed, Cherry, die Töchter Lyra (5) und Jupiter (3) sowie diverse tierliche Mitgeschöpfe – lebt glücklich und wieder gesund auf einem Anwesen in Suffolk/England mit Privatwald, Saunafass, Pub und Bowlingbahn. Just beendete der Popstar mit drei ausverkauften Stadionshows in Düsseldorf eine triumphale Tournee. Auch hat er zwei Plagiatsprozesse gewonnen, die ihm stark zugesetzt hatten.

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Im ersten Stück "Opening" – erst akustisch-sanft, dann ein wüster Rap im Geiste seines Kumpels Eminem – macht Sheeran die entsprechende Lebensabschnittsinventur. "I have cried tears at my brother’s grave", rappt er. "I have been shaking hands with my wife’s surgeon" (Ich habe am Grab meines Bruders geweint, ich habe die Hand des Chirurgen meiner Frau geschüttelt) und stellt zugleich klar, wie verdammt ehrgeizig er auch nach 200 Millionen verkaufter Tonträger und Welthits wie "Perfect" "Bad Habits" oder "Shape Of You" immer noch ist. "If I look down I can see replacements, in this world there’s no relaxing." Heißt: Ausruhen ist nicht, die neuen Ed Sheerans lauern schon auf seinen Platz.

Aber er sollte sich nicht zu sehr sorgen. Ed Sheeran singt (seine Stimme ist auf der Platte durchweg exquisit) und spielt in einer eigenen Klasse. Da kommt kein anderer Pop-Dude so schnell ran, auch nicht Alex Warren oder Benson Boone. Vielleicht liegt es auch daran, dass der Brite aufwendig Inspiration gesammelt hat.

Für "Sapphire" war er in Goa und reiste für den Videodreh anschließend noch ordentlich durchs Land. Auch der indische Gesangs-Superstar Arijit Singh ist in dem lebensfreudigen Lied zu hören. Schon schlau, auf einen Schlag seine Weltoffenheit und seinen Unternehmergeist (Indien ist schließlich ein Riesenmarkt der Zukunft) unter Beweis zu stellen. Ähnlich verhält es sich mit "Azizam", einem fetzigen Song mit persischer Note.

Nun sind die weltmusikalischen Einflüsse wohldosiert – jeder Song auf "Play" ist immer noch ein Ed-Sheeran-Song. Aber die unerwarteten Sounds lockern die Platte auf und machen Tanzlaune. So auch im indisch-perkussiven Uptempo-Stück "Symmetry" oder im bassharten, geradezu Rave-tauglichen "Don’t Look Down", einer Zusammenarbeit mit dem englischen House-Produzenten Fred Again.

Allenfalls solide jedoch liefert Ed Sheeran dieses Mal im Balladenfach ab. Im gutbürgerlichen "Old Phone" findet er ein altes Handy, hört nochmal die Nachrichten verstorbener Kumpels und verflossener Ex-Freundinnen und packt das Gerät schlussendlich wieder weg. Die Sentimentalität suppt ein wenig – das kann er besser (man denke an "Photograph"). Noch dicker trägt Sheeran in "Slowly" auf, wo er hilflos vor sich hin greint, bloß weil die Liebste mal für ein paar Tage außer Haus ist.

Ja, er hat diesen Hang zum dicken Auftragen, der seinen Liedern nicht immer bekommt. "Slowly" ist das musikalische Äquivalent zu einem Nutella-Toast mit dick Butter drunter, Karamellkrokant obendrauf und einem finalen Spritzer Sprühsahne. "For Always" erinnert in allen Aspekten an Shania Twains Romantikhit "Always And Forever", "Camera" lässt gar Assoziationen an sülzige Nickelback-Balladen aufkommen.

Etwas überdeutlich tritt zutage, dass Sheeran den (tatsächlich oft unterschätzten) Effizienz-Liedermacher-Kollegen James Blunt verehrt und sich als Neunjähriger ausgemalt hat, Sänger in der irischen Boyband Westlife zu sein. Kitsch jedenfalls kann er. Im soft-souligen "The Vow" verspricht er seiner Cherry das Für-immer-wir-beide. Und auch "In Other Words" empfiehlt sich als weiterer Kandidat für den stetig wachsenden Hochzeitsliederkanon. Aber ist schon okay. Oder wie er selbst sagt: "Es gibt immer die coolen und die uncoolen Kids. Ich gehöre definitiv in die zweite Kategorie."

Nein, es ficht ihn nicht an, Ed Sheeran bleibt der männliche Koloss des zeitgenössischen Pop. Nach Abschluss der "Mathematics"-Reihe ist "Play" nur der Auftakt für den nächsten fünfteiligen Albumreigen. "Pause" ist wohl schon fertig und soll stärker Richtung Rap gehen, "Fast Forward" und "Rewind" sind noch frei bespielbare Flächen. Und "Stop" soll dann, so schätzungsweise 2033, das ultimative Opus magnum werden – bevor dann womöglich alles von vorne beginnt.

Ja, sogar für den Todesfall gibt es bereits einen Veröffentlichungsplan. "Eject" wird posthum erscheinen und eine Art Karriere-Anthologie werden, kein Witz. Am 16. Januar aber startet erstmal Sheerans "Loop"-Welttournee in Auckland, Neuseeland.

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