"Italia"

Till Brönners' Liebeserklärungen an Italien

Till Brönner bekundet auf "Italia" Respekt für die Menschen und Musik des Landes, in dem er die ersten Jahre seines Lebens verbrachte

04.09.2025 UPDATE: 04.09.2025 04:00 Uhr 4 Minuten, 6 Sekunden
Foto: Gregor Hohenberg

Von Peter Wiest

Er zählt zu den bekanntesten und erfolgreichsten Jazzmusikern Europas. Seit er im Alter von 22 Jahren sein erstes Album veröffentlichte, hat der heute 54 Jahre alte Trompeter und Produzent Till Brönner in Deutschland über eine Million Tonträger verkauft. Konzerte spielt er weltweit, darunter in New York, Montreux oder Mannheim. Über sein neues Album "Italia", mit dem er eintaucht in den Sound Italiens, hat der Musiker mit Peter Wiest gesprochen.

Till, Du hast schon mal ein Album gemacht, das "On Vacation" hieß. Jetzt "Italia". Ist deine musikalische Arbeit für dich mit Urlaub verbunden?

Till Brönner: Nein, eigentlich nicht, weil ich meine Arbeit sehr ernst nehme. Ich möchte den Menschen mit meiner Musik etwas geben, das sie in einen bestimmten Zustand versetzt. Und bei Konzeptalben, von denen ich ein großer Fan bin, mute ich den Leuten dann zu, dass sie sich mit mir auf eine bestimmte Reise begeben. Da ist eine Menge Herzblut dabei. Also nein, Urlaub ist das nicht. Man arbeitet schließlich nicht neun Monate lang an einem Projekt, nur weil man denkt, man möchte sich entspannen.

Du hast einen Großteil deiner Jugend in Rom verbracht. Ist das neue Album auch ein Stück Aufarbeitung? Oder eher liebevoll-nostalgischer Rückblick?

Tatsächlich waren es die ersten fünf Jahre meines Lebens. Doch das sind bekanntlich die prägendsten. Ich verstehe das Album als eine veritable Liebeserklärung an eine Mentalität, der ich sehr viel verdanke und die mir sehr nahe ist. Und ich bekunde mit "Italia" auch meinen Respekt für ein Land, das ebenso wie Deutschland eines der Musikländer schlechthin ist. So etwas verbindet. Und dass ich noch dazu in Rom war, war ein großes Geschenk, von dem ich heute noch zehre.

Das Repertoire des Albums stammt überwiegend aus den 70er- und 80er-Jahren, die "eine goldene Ära des musikalischen Austauschs in Europa markieren", wie du mal gesagt hast. Nach deinen Worten hat Italien damals eine Art "Europa-Sound" geliefert. Hat er überlebt bis heute?

Er hat zumindest insoweit überlebt, dass immer dann, wenn er erklingt, Menschen das Gefühl haben, sich an etwas Schönes zu erinnern. Dieser Klang ist positiv besetzt! Von Schlager über Chanson bis Italo Disco – immer gibt’s ein Lächeln.

Auf dem "Italia"-Album sind mehr Gäste zu hören als je zuvor bei dir. Selbstverständlich sind es zahlreiche italienische Musiker. Wie bist du mit diesen zusammen gekommen?

Das war mir natürlich von vorneherein wichtig, auch im Zusammenhang mit Respekt und Authentizität. Ich wollte versuchen, mich da in entsprechender Form auf etwas einzulassen, das ich als sehr ergiebig empfand und von dem ich mir ausrechnen konnte, dass es eine Menge Potenzial hatte. Deshalb sind italienische Musiker auf dem Album zu hören. Aber wir hatten auch andere Europäer dabei.

Wenn man reinhört in das Album, sieht und hört man berühmte Namen. Nach welchen Kriterien wurden diese ausgesucht? Waren das Wunsch-Gäste?

Ja, das waren sie alle, auch schon deshalb, weil wir im Jazz-Bereich in Italien eine große Auswahl an Künstlern haben, die teilweise noch gar nicht so bekannt sind hier bei uns. Bei Mario Biondi ist das natürlich anders; den kennt fast jeder. Mandy Capristo ist mit einer fantastischen Stimme gesegnet und hat eine riesige Fangemeinde. Dazu ist sie eine enge Freundin meine Familie. Auch Giovanni Zarella ist Wunschkandidat von mir gewesen. Sein Song auf dem Album lässt die Wände wackeln.

Das Repertoire umfasst Titel wie "Via con me" von Paolo Conte und Pop-Schlager wie "Quando quando quando". Ist das bewusst so zusammengestellt worden?

Ja, natürlich. Dabei hat mich natürlich neben der Frage, welche Songs in Deutschland bekannt sind, auch die Frage umgetrieben, wie wir diese Songs präsentieren könnten. Wenn wir Songs wie "Quando quando quando" arrangieren, versuchen wir nicht, ein Abklatsch zu sein, sondern machen unsere eigene Version daraus. Und zumindest aus meiner Sicht ist uns das gut gelungen. Doch ab sofort zählt das Publikum.

Neben bekannten italienischen Melodien ist auch eine aktuelle Komposition von dir zu hören. Wie reiht sich diese ein in den Europa-Sound?

Ich habe tatsächlich eine eigene Komposition für das Album geschrieben. Mein oberstes Kriterium war, dass es sich sehr gut einfügt in das Genre und nicht abfällt vom Level der anderen Songs.

Du singst auch, und zwar zum ersten Mal auf Italienisch. Ist das deine zweite Muttersprache?

Das war sie mal ganz zu Anfang, weil ich damals ein Kinder-Italienisch gesprochen habe. Das habe ich noch als Andenken auf einer alten Kassette zuhause und lässt mich beim Anhören immer lächeln. Bei meinen späteren Besuchen in Italien habe ich allerdings gemerkt, dass mir anfangs dann doch so manches Vokabular fehlte. Nach zwei Wochen vor Ort etwa bin ich heute wieder recht brauchbar.

Du brillierst auf der Trompete und dem Flügelhorn. Würdest du diese Instrumente Nachwuchs-Musikern ans Herz legen? Oder sollten sie erst Gitarre und Schlagzeug spielen?

Da bin ich totaler Bauchmensch. Jeder sollte das Instrument lernen, von dem er sich angesprochen fühlt, und bei mir war das nun mal von Anfang an die Trompete. Dass man damals am Anfang mit Schlagzeug oder Gitarre gerade beim weiblichen Publikum viel besser ankam als mit der Trompete, ist mir erst aufgefallen, als es schon zu spät war (lacht).

Improvisation gilt als Element des Jazz. Auf "Italia" hat man kaum den Eindruck, dass viel improvisiert wird. Ist improvisieren eher für Auftritte?

Improvisieren ist und bleibt ein wesentlicher Bestandteil von Jazz. Auch bei Italia sind sämtliche Takes exakt so live gespielt worden wie sie auf dem Album erklingen. Da es jedoch ein Konzept-Album mit Arrangements ist, waren die improvisierten Passagen zeitlich deutlicher vorgegeben, als bei freien Spielformen. Der Energie hat es nicht geschadet.

Wann wird das neue Album live zu hören sein?

Für mich geht es jetzt erst mal darum, das Album bekannter zu machen. Ab März nächsten Jahres gehen wir mit "Italia" auf Tournee. Hier wird das Album die Basis der Auftritte sein. Doch Konzerte sind natürlich immer auch eine Art Show, und daran haben wir gerade angefangen zu arbeiten. Schau‘n wir mal, was am Ende heraus kommt ...

Du hast lange nicht mehr in der Region gespielt. Geht da wieder was?

In Mannheim sind wir vor noch gar nicht so langer Zeit immerhin ja mit unserem Weihnachtsprogramm aufgetreten. Und das war sehr emotional. Mannheim ist eine total musikalische Stadt, es zieht mich dort regelmäßig hin. Enjoy Jazz kenne ich auch gut, und wenn da mal wieder eine Kooperation zustande käme, würde mich das sehr freuen.


Info: "Italia" von Till Brönner erscheint am Freitag, 5. September, auf CD und Doppel-LP.