Heidelberger Stückemarkt

Sören Hornung schreibt vom Leben nach dem Ende des Kapitalismus

Gespräch mit dem Schriftsteller über seinen Beitrag

20.04.2020 UPDATE: 23.04.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 15 Sekunden
Sören Hornung.Foto: Arda Funda

Von Volker Oesterreich

Heidelberg. Der Autorenwettbewerb gilt als Herzstück des Heidelberger Stückemarkts. Normalerweise werden sechs deutschsprachige Autorinnen und Autoren sowie drei Schreibtalente aus dem jeweiligen Gastland zur Teilnahme eingeladen. Außerdem freut sich das Publikum auf Gastspiele aus großen Häusern und Bühnen mit besonderem Profil.

Doch diesmal ist alles anders – wegen der Corona-Krise. Trotzdem werden die sechs für Heidelberg ausgewählten deutschsprachigen Bühnenstücke vorgestellt: als szenische Lesungen im Online-Portal www.nachtkritik.de. Die Verfasser gehen nicht leer aus, alle erhalten ein Preisgeld in Höhe von 2000 Euro. Ermöglicht hat das der Mäzen Manfred Lautenschläger, der gemeinsam mit dem Heidelberger Theater dafür eintritt, freie Künstler während der Corona-Pandemie zu fördern. Die RNZ hat mit allen Autoren E-Mail-Interviews geführt. Heute gibt Sören Hornung einen Einblick in seine Schreibwerkstatt.

Hintergrund

> Sören Hornung wurde 1989 in Berlin geboren, er ist Regisseur, Autor und Performer. 2012 gründete er mit Paula Thielecke das Theater KOLLEKTIV EINS. 2016 beendete er sein Regiestudium an der Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg. Mit seinem Stück "Sieben

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> Sören Hornung wurde 1989 in Berlin geboren, er ist Regisseur, Autor und Performer. 2012 gründete er mit Paula Thielecke das Theater KOLLEKTIV EINS. 2016 beendete er sein Regiestudium an der Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg. Mit seinem Stück "Sieben Geister" war er bereits 2018 für den Autor*innenpreis des Heidelberger Stückemarkts nominiert. Bei einem Wettbewerb in Chemnitz erhielt er dafür den Preis für junge Dramatik. Seine Arbeiten wurden unter anderen im Schauspiel Stuttgart, in der Stuttgarter "Rampe", im Theater Augsburg und im Volkstheater Rostock gezeigt.

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Herr Hornung, wie entstehen Ihre Stücke?

Sie werden ganz langweilig am Schreibtisch geschrieben. Dabei sitze ich auf einem Stuhl. Wenn es sonnig ist, muss ich die Marquise ausfahren, damit ich nicht geblendet werde. Dabei hoffe ich dann, etwas möglichst Relevantes und Antikapitalistisches zu schreiben.

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Zum Stückemarkt wurden Sie mit "ARCHE NOA – das Ende vom Schluss" eingeladen. Wollen Sie etwas über den Plot des Stücks verraten?

Eigentlich gibt es nur eine Figur, welche direkt mit dem Publikum spricht. Theodore Müller Schulz berichtet dabei von ihren Erfahrungen und ihrem Leben im Kapitalismus. Nachdem der Kapitalismus sich selbst abgeschafft hat, fragt sie sich, wie das kommende System gestaltet sein müsste, um weltweit allen Lebewesen ein gutes Leben zu ermöglichen.

Wie gut kann man dramatisches Schreiben an Hochschulen lernen? Geht das überhaupt? Oder steht das Talent im Vordergrund?

Ich habe Regie studiert. Ich habe also keine Ahnung, wie es ist, Schreiben zu studieren. Ich vermute aber, dass es für einige mehr taugt und für anderen weniger.

Kämen für Sie Drehbücher für TV-Produktionen, Serien oder Streaming-Angebote als Alternative zu Theaterstücken in Frage?

Als Alternative sicher nicht. Film ist Film, und Theater ist Theater. Das ist ja ein ganz anderes Schreiben. Theaterstücke ereignen sich im Gespräch und sind dabei sehr vulnerabel. Filme haben immer die Sicherheitsleine des technischen Mediums und den Fluch der Ewigkeit. Viele Filme streben daher nach Perfektion, was meiner Meinung nach oft dem Charme der Erzählung im Weg steht. Beim Theater gibt es für mich immer den Reiz, dass es eine gemeinsame menschliche Gruppenleistung ist, die in einem verschwenderischen Ritual immer und immer wieder getan wird. Es geht nicht darum, etwas perfekt zu machen, sondern einfach darum, im Austausch zu sein und einen inspirierenden Diskurs zu schaffen.

Wie werkgetreu muss eine Uraufführung sein? Oder anders gefragt: Welche Freiheiten darf, soll oder muss sich ein Regieteam nehmen, wenn ein Text erstmals auf die Bühne gebracht wird?

Texte müssen Mitspieler*innen sein, keine Diktatoren, die alles vorgeben. Schauspiel, Regie, Text und Publikum müssen sich gegenseitig beeinflussen, beflügeln und befragen. Andernfalls wäre es Quatsch, den Abend aufzuführen. Es geht doch darum, dass die Gruppe, die an einem Thema arbeitet, die Fährte einschlägt, die den Beteiligten unter den Fingernägeln brennt. Gute Texte sind, meiner Meinung nach, in der Lage, konsequent ihr Anliegen einzubringen, sind aber uneitel genug, um sich auf eine gemeinsame Suche einzulassen. Wenn ein Text hingegen niemanden interessiert, zieht sich der Text automatisch zurück – und das bedeutet dann meist Tod, aber nicht im positiven Sinn. Da hilft es dann auch nicht, den toten Textkörper über die Bühne zu schleifen.

Info: Die Beiträge der sechs Stückemarkt-Autoren werden ab nächstem Wochenende auf der Online-Plattform www.nachtkritik.de vorgestellt.

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