Was einmal gedruckt ist, gehört der ganzen Welt
Gedenkstunde zum Jahrestag der Bücherverbrennung im Garten des Germanistischen Seminars der Universität Heidelberg.

Von Volker Oesterreich
Heidelberg. "Der Vernünftigen werden nicht an die Macht kommen", heißt es in Erich Kästners 1931 veröffentlichtem Großstadtroman "Fabian", der jetzt wieder den ursprünglichen Titel "Der Gang vor die Hunde" trägt. Eine prophetische Aussage in einem prophetischen Werk, das kurz vor der Machtergreifung der alles andere als vernünftigen Nationalsozialisten erschienen ist. Zwei Jahre später verbrannten sie die Bücher kritischer Autorinnen und Autoren während eines gespenstisch inszenierten Spektakels: erst in Berlin, dann in Heidelberg und rund 90 weiteren deutschen Städten.
Die braune Studentenschaft hatte dazu aufgerufen, die Mehrheit der Professoren billigte die Barbarei – und die breite Masse strömte herbei wie zu einem Volksfest. In Heidelberg sollen am 17. Mai 1933 mehr als 20.000 Gaffer und Claqueure gekommen sein, um mitzuerleben, wie die Werke von Erich Kästner, Bertolt Brecht, Else Lasker-Schüler, Alfred Kerr, Kurt Tucholsky und vielen weiteren in Flammen aufgingen.
Auf Initiative der Bürgerstiftung Heidelberg wurde 2011 eine Gedenktafel aus rotem Granit zur Erinnerung an den Akt der Kulturvernichtung auf dem Universitätsplatz installiert, darauf ein Lessing-Zitat in Bronze: "Was einmal gedruckt ist, gehört der ganzen Welt auf ewige Zeiten. Niemand hat das Recht, es zu vertilgen." Geschaffen hatte das Mahnmal der Eppelheimer Künstler Günter Braun in ideeller Zusammenarbeit mit dem Germanistik-Professor Dietrich Harth.
Lastwagen, Weihnachtsmärkte und die Witterung haben dem Granit der Tafel im Laufe der Jahre jedoch so stark zugesetzt, dass sie durch eine gusseiserne Replik ersetzt werden musste. Für das Original fand sich ein anderer würdiger Ort: der Garten des Palais Boisserée, in dem das Germanistische Seminar residiert. Just am 89. Jahrestag der Heidelberger Bücherverbrennung wurde gestern der neue Gedenkort vorgestellt. Die Institutsdirektorin Barbara Beßlich lud aus diesem Anlass zu einer Feierstunde in den Garten des Germanistischen Seminars, wo ihr emeritierter Kollege Dietrich Harth die Neuauflage seiner Publikation "Die Heidelberger Bücherverbrennung des Jahres 1933 – Geschichte und Gedanken" vorstellte (Kurpfälzischer Verlag, 34 Seiten, 4 Euro) und der Heidelberger Hip-Hop-Pionier Toni L einmal mehr seine politisch aufgeweckte Rap-Poesie wirken ließ. Was er über die "zerbombte Zukunft" und "Zeit der Lüge" schon 2003 anlässlich des Irak-Kriegs gedichtet hatte, klingt jetzt in Zeiten der kriegerischen Gräueltaten Putins aktueller denn je. Die Kluft zwischen dem kritischen Geist der Freiheit und der diktatorischen Tyrannei, sie besteht nach wie vor. Das unterstrich auch die Auswahl von Prosa und Lyrik aus den Federn verfemter Autoren, die während der Gedenkstunde von einer Gruppe Studierender vorgetragen wurde.