Heidelberg

Völkerkunde-Museum zeigt historische Bilder aus Indien

Als Fotografieren noch ein Abenteuer war: Das zeigt eine Sonderausstellung.

14.05.2022 UPDATE: 16.05.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 5 Sekunden
Gewollte Unschärfe: Samuel Bourne: Lahore, Dubbi Bazar (1864/65). Foto: Museum

Von Susann Behnke-Pfuhl

Heidelberg. In der Reihe "Seinerzeit" präsentiert das Heidelberger Völkerkundemuseum eine Sonderausstellung mit historischen Fotografien aus Indien, als der Subkontinent noch britische Kronkolonie war. Genauer gesagt, sind es rund 200 Aufnahmen aus der Zeit von 1862 bis 1920, die uns Landschaften, Architektur, moderne Ingenieurskunst und die Menschen in dem Kolonialreich näher bringen. Sie entstammen im wesentlichen zwei berühmten indischen Fotostudios, Bourne and Sheperd in Kolkata (bis 1996 Kalkutta) und Wiele und Klein in Chennai (bis 1996 Madras).

Mit der 1839 erfundenen Technik der Fotografie wird von namhaften britischen und indischen Fotografen der Blick auf Indien geprägt. Im Vordergrund stehen dabei das Besondere, Exotische und Herausgehobene. Die sehr sehenswerte Ausstellung wurde von den Kuratoren Dr. Margareta Pavaloi und Robert Bitsch aus den Beständen des Museums zusammengestellt und dabei auch wissenschaftlich aufgearbeitet.

Die Aufnahmen stammen aus zwei Sammlungen des Museums. 100 Albumin-Silber-Abzüge auf Pappen wurden vom Stiftungsgründer Victor Goldschmidt auf seiner Weltreise in den 1890ern erworben. Die Sammlung des Mannheimers Erwin Drinneberg (1890–1964) umfasst etwa 500 Fotoabzüge und 151 Glasplatten. Die Abzüge und Glasplatten wurden digitalisiert und liegen nun für die Ausstellung als Reproduktionen vor. Aus konservatorischen Gründen eine gute Entscheidung, aber auch aus ästhetischen: Für den Besucher ist die Betrachtung der Fotografien und illuminierten Close-Ups in Sepia-Tönen sehr ansprechend.

Als das Fotografieren noch ein Abenteuer war, brach oft eine Expedition von 30 bis 40 Personen mit Dunkelkammerzelt und einem Equipment bestehend aus Glasplatten und Chemikalien auf. Frederick Scott Archer hatte 1851 die Kollodium-Nassplatte erfunden, die mehrere Abzüge von einem Negativ erlaubte. Allerdings musste die Entwicklung der Glasplattennegative zeitnah geschehen. Der britische Fotograf Samuel Bourne, der 1863 nach Indien kam und das Studio "Bourne and Sheperd" begründete, bereiste so zunächst die Himalaya-Region, dann zahlreiche indische Städte und schließlich die Kashmir-Region.

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Das von Archer entwickelte Verfahren ermöglichte auch verkürzte Belichtungszeiten. Meisterhaft ist dies in dem Bild "Lahore, Dubbi Bazar" von 1864/65 zu sehen; heute Pakistan, gehörte diese Region damals zu Britisch-Indien. Der Protagonist im Vordergrund, ein kleiner Junge, zieht einen förmlich in das geschäftige Treiben von umherwimmelnden Menschen, die jedoch in der Mehrzahl nicht scharf, sondern verwischt abgebildet sind. Vor der großartigen Kulisse einer städtischen Architektur mit vielen übereinander geschachtelten Erkern nimmt sich dies fast surreal aus.

Koloniale repräsentative Zweckbauten im viktorianischen Stil, Moscheen und Mogulpaläste, das Taj Mahal in Agra, Shiva-Tempel in Kolkata und Tempelanlagen in Madurai im Süden – das einzigartige bauliche Kulturerbe wurde etwa von Bourne im Norden und von Fotografen des Studios Wiele und Klein im Süden des Landes abgelichtet. Von der Kolonialmacht wurden die Bauten mit der Einrichtung eines "Archaeological Surveys of India" erfasst.

Dieses Projekt kann als sehr positiv gewertet werden, auch wenn die Dokumentation des indischen Erbes der kritisch zu sehenden, auf Ausbeutung zielenden britischen Kolonialverwaltung diente. Immer wieder abgebildet werden auch Alltagsbauten, die Straßen von Mumbai (ehemals Bombay) und Kolkata. Prachtbauten und Empfänge in den Fürstenhöfen der Maharadschas, die vom British Empire eingesetzt waren, sind zu sehen. Diese auftragsbezogenen Arbeiten stehen inszenierter Studiofotografie gegenüber, die exotische Bilder von Bajadaren, Fakiren, Brahmanen oder barbusigen Frauen vor künstlichen Hintergründen produzierte. Diese hervorragend aufgearbeitete Bestandsausstellung lädt zum längeren Verweilen ein, eine Ausstellungszeitung kann auf den Sitzgelegenheiten studiert werden.

Info: "Zu den Ufern des Ganges. Historische Fotografie von 1862 - 1920" im Völkerkundemuseum, Hauptstraße 235, bis 16. Oktober. Geöffnet mittwochs bis samstags von 14 bis 18 Uhr, sonntags 11 bis 18 Uhr.

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