Neben viel politischer Fotografie gibt es auch diesen schönen Akt von Olga Korchagin in der Ludwigshafner Ausstellung. Foto: Milan Chlumsky
Von Milan Chlumsky
Vor 20 Jahren fand im Rahmen eines deutsch-russischen Kulturaustausches eine erste Begegnung mit russischen Künstlern in Deutschland statt: "Quattrologe" wurde das Projekt damals genannt, in Rahmen eines Unesco-Programmes mit dem Titel: "Weltdekade für kulturelle Entwicklung". Die Delegation aus der Metropolregion traf sich in der Olympia-Stadt Sotschi am Schwarzen Meer mit vielen interessierten Künstlern, die dann an etwa 80 Veranstaltungen im Rhein-Neckar-Raum mitwirkten.
Mit diesem Jubiläum blickt die Quattrologe 2016 auf einen erfolgreichen Austausch mit Künstlern aller Sparten in der sich rasant entwickelnden Stadt. Über 300 russische und deutsche Künstler haben an verschiedenen Aktionen in Heidelberg, Mannheim und Ludwigshafen seitdem teilgenommen, und es haben sich inzwischen feste, oft schon seit Jahrzehnten andauernde Freundschaften entwickelt.
Die diesjährige Ausstellung trägt den Titel "Grenzgänge": das Russische "Perechody" bedeutet genau genommen "Übertritte" oder "Übergänge". Überraschend sind dabei die zahlreichen Hinweise auf Lenin und Stalin bei den Künstlern, als ob der Persönlichkeitskult wieder salonfähig würde: so in den Arbeiten von Oleg Korchagin (die aber auch einen wundervollen Akt malte) oder bei der Fotografin Lilit Matevosyan, die eine Reportage in Georgien machte und selbstverständlich auch auf Abbildungen des in Georgien geborenen Dschugaschwili (Stalin) stieß. Doch eigentlich verrät die Fotoserie nur in zwei oder drei Abbildungen aus Tiflis, dass man sich in der georgischen Hauptstadt befindet.
Da ist die in Mannheim lebende Fotografin Barbara Straube viel präziser in ihren Aufnahmen aus Sotschi, wo sie nicht nur die Statue Lenins im Umfeld der zylindrischen Hochhäuser, die für die Olympischen Spiele gebaut wurden, postiert. Sie nimmt auch ein T-Shirt mit Putins Konterfei gegenüber einer Reproduktion einer Darstellung der Heiligen Familie im Stil der italienischen Renaissance auf - reiner Zufall?
Die Arbeiten der deutschen Künstler bilden ein Übergewicht in dieser Ausstellung, möglicherweise deswegen, weil einige Bilder der russischen Gäste einer tieferen Erklärung bedürften. So auch bei Jurij Chursin, der seit Anbeginn bei der Quattrologe dabei ist und neutrale Themen zeigt: Stillleben mit Iris (das anderswo aber "Stillleben mit der Fahne" heißt) oder eine sehr reduzierte und stereotype Bergkette.
Dagegen gewährt die fotografische Serie der in Moskau lebenden Zhenja Zhulanova Einblicke in die unendliche Einsamkeit der Bewohner Sibiriens, die sie vor allem mit Alkohol bekämpfen. Zu den schönsten Schnappschüssen gehört jener einer Katze, die einen großen tiefgefrorenen Fisch stibitzt oder die Aufnahme von vier Personen vor einem Hauseingang, von dem sich ein ganzer Schwarm von Tauben auf die Fotografin zu stürzen scheint.
Gekonnt verfremdet sind die collagenartigen Fotografien von Igor Maksimenko, einem Absolventen des Moskauer Fotografie-Kollegs, der ebenfalls seit 1996 bei der Quattrologe dabei ist. Diese digital bearbeitete Serie "In Erwartung des Zuges" kombiniert fotografische Elemente mit malerischen Hinweisen auf die geronnene Zeit.
Die Kuratorin Lida von Mengen hatte keine leichte Wahl. Eine kritische Aussage zur Situation in Russland könnte am Ende für die Künstler in einem Reise-, wenn nicht gar mit einem Arbeitsverbot enden und den seit über 20 Jahren andauernden Austausch abrupt unterbrechen.
Deutlich zu spüren ist, dass sich alle an der Ausstellung beteiligten Künstler einen weiteren Dialog wünschen.
Info: Rudolf-Scharpf-Galerie des Hack-Museums Ludwigshafen, bis 5. Februar.