Seemann Stani
Hoffenheims Trainer wird "immer ein Hamburger bleiben"
Hoffenheims Trainer wird "immer ein Hamburger bleiben"
Ob Holger Stanislawski (42) gestern Abend feuchte Augen bekommen hat, als sie in der Imtech-Arena die Stadthymne spielten: "Hamburg, meine Perle", war aus der Entfernung nicht festzustellen. Ein Schauer wird ihm aber über den Rücken gelaufen sein. Denn Stani ist ein emotionaler Mensch.
Als er nach mehr als vier Jahrzehnten, von denen er fast die Hälfte in Treue zum FC St. Pauli hielt, seinen Abschied aus der Heimat verkündete, schämte er sich nicht seiner Tränen. "Ich werde immer Hamburger bleiben", schwor er, "schon über die Elbbrücken zu fahren, vom Hafen begrüßt zu werden, die Lichter zu sehen, ist wunderschön." Dabei ist Stanislawski kein Großstadtmensch. Den Begriff "Kulturschock", der ihm nach seinem Wechsel zu 1899 Hoffenheim angedichtet wurde, mag er nicht mehr hören. Auf Partys kann der Fußballlehrer ebenso verzichten wie auf den Besuch von Oper und Theater. Ein Western von John Wayne tut’s zur Entspannung auch. Die "Hell’s Bells" von AC/DC sind nicht sein Ding, lieber lauscht er daheim Andrea Berg, wenn sie von Tränen, die nicht lügen, singt.
Mit Frau Michelle lange Spaziergänge unternehmen oder mit dem Hund Gassi gehen, kann man im Kraichgau mindestens genauso gut wie in derStadt. Ganz bewusst ist Stanislawski nicht nach Heidelberg gezogen, wo mehrere seiner Spieler leben, sondern hat sich für eine Zwei- Zimmer-Wohnung in der Nähe des Trainingszentrums entschieden. "Ja, ich bin jetzt wohnhaft in Zuzenhausen", verkündete er am Freitag fast ein bisschen stolz. Und nicht ernsthaft: "Der örtliche Spielmannszug hat mich bereits begrüßt." Damit soll keiner auf dumme Gedanken kommen. Denn in der knappen Freizeit ist ihm das Privat- und Familienleben heilig. Nach dem Tod der geliebten Mutter im vergangenen Jahr sind "Vadder" Eugen, Schwester Doris und Bruder Torsten noch enger zusammengerückt. Klar, dass sie alle gestern Abend zum Daumendrücken im Stadion waren. 50 Karten hatte der Hoffenheimer Trainer für Verwandte und Freunde besorgen müssen.
Dass die Hoffenheim-Profis in den Gärten des Trainer-Trios gezeltet haben, war jedoch nur einer von Stanis Späßen. Logiert wurde gediegen im Intercontinental. Überhaupt führen viele Klischees in die Irre. RNZ-Autor Christoph Ruf schrieb in Spiegel Online: "Stanislawskis Image vom liebenswert-alternativen Paradiesvogel aus dem Hamburger Alternativmilieu könnte falscher nicht sein." Und weiter: "Gerade auf St. Pauli, wo die CDU regelmäßig an der Fünf-Prozent- Hürde scheitert, dürfte ein Bekenntnis für Verwunderung gesorgt haben. Er gab Helmut Kohl und Angela Merkel als Menschen an, die er bewundere." Das sei nicht als parteipolitisches Statement zu verstehen, ihm imponiere auch Helmut Schmidt, der ganz besonders. "Ich habe einen Riesenrespekt, was er in seinem Alter transportiert." Ein Zwinkern: "Außerdem ist er Raucher."
Unverkrampft ist das Verhältnis zu den "Pfeffersäcken" des Hamburger SV – trotz der 18 Jahre unter der Freibeuter- Flagge. Stanislawski schließt einen späteren Wechsel zu dem Klub, in dem er in der Jugend kickte, nicht aus. Auch wenn Amtsinhaber Thorsten Fink, dessen Zukunft Otmar Hitzfeld wiederum bei den Bayern sieht, den Kollegen wissen ließ: "Stani muss noch zehn Jahre in Hoffenheim bleiben."
Dort hätte man gewiss nichts dagegen, denn wenn er nach einem miesen Spiel nicht gerade sauer ist, kann man mit dem "verrückten Hamburger" jede Menge Spaß haben. Nur, den Lebensabend im lieblichen Kraichgau, das kann sich Stani nicht vorstellen. Denn, so bekannte er: "Einen Seemann zieht es immer wieder zurück."