Das grosse RNZ-Interview mit Holger Stanislawski

Die Rhein-Neckar-Zeitung hat sich ausführlich mit dem Hoffenheimer Trainer unterhalten      

19.11.2011 UPDATE: 19.11.2011 11:20 Uhr 4 Minuten, 3 Sekunden
Stanislawski: "Als ob dir jemand mit dem Teelöffel den Augapfel rausschält"

Die Rhein-Neckar-Zeitung hat sich ausführlich mit dem Hoffenheimer Trainer unterhalten

 

 

 

Holger Stanislawski, wie groß sind die Chancen, dass Deutschland im nächsten Jahr Europameister wird?

Stanislawski: Die Leistung war beeindruckend, der Sieg auch in der Höhe verdient, die Form ist seit Monaten stabil. Wenn man sich die jungen Burschen wie Özil, Götze oder Müller anschaut, dann denke ich schon, dass sich Deutschland über Jahre hin un- ter den ersten Vier der Welt etablieren kann. Bei der EM ist mit ein bisschen Losglück das Finale auf jeden Fall drin.

"Stani krönt seine Laufbahn mit dem Amt des Bundestrainers". Könnten Sie ich diese Schlagzeile vorstellen?

Stanislawski (lacht): Wenn Jogi mal keine Lust mehr hat, haben andere, zum Beispiel Jürgen Klopp, den Vortritt. Ich trainiere jetzt erst mal zehn Jahre Hoffenheim.

Man konnte aber zuletzt den Eindruck gewinnen, dass Ihre Begeisterung nachgelassen hat.

Stanislawski: Ganz und gar nicht. Ich war enttäuscht, und das habe ich gezeigt. Es soll jeder wis- sen, woran er ist. Mir wäre lieber gewesen, wir hätten gegen Kaiserslautern ver- loren, anstatt erleben zu müssen, dass es nach dem Ausgleichstor kein Aufbäu-men gab. Es kann nicht sein, dass ich an der Seitenlinie mehr Theater mache als die Jungs auf dem Platz.

Sie konnten bisher Ihre hohe Emotionalität noch übertragen.

Stanislawski Es braucht Zeit. Ich sehe positive Signale. Hinter uns liegt eine der besten Trainingswochen, seit ich hier bin. Die Jungs waren aggressiv und lernwillig. Ich habe das Gefühl, dass sie begreifen, dass man nicht alles nur spielerisch lösen kann. Natürlich ist das auch eine Frage der Persönlichkeit. Ein Ryan Babel beispielsweise ist ein liebenswerter und netter Zeitgenosse. Schön für die Schwiegermutter. Aber auf dem Platz muss man – Verzeihung – die Sau rauslassen. Diese Typen haben wir auch, ich denke an Tobias Weis, Daniel Williams oder Edson Braafheid. Auch Fabian Johnson und Sven Schipplock haben eine andere Mentalität als viele, die schon länger da sind.

...und sich behaglich eingerichtet haben im Fußball-Paradies?

Stanislwaski: Es gibt Fortschritte. Das 1:0 gegen Borussia Mönchengladbach schätze ich höher ein als den Sieg gegen Dortmund. Weil er ein Sieg der Willensstärke war. Dass nach dem 1:3 in Schalke die Spieler von sich aus zu den Fans gingen, fand ich auch positiv. Überhaupt brauchen wir mehr Nähe. Hier ist das ein bisschen wie in Fort Knox. Die Spieler sollen aus allem rausgehalten werden

Es gab nicht nur traurige Heimkehrer von den Länder-spielen, sondern auch einen glücklichen: Peniel Mlapa hat in der U 21- Auswahl erneut drei Tore erzielt. In Hoffenheim spielt er kaum. Warum?

Stanislawski: Bei allem Respekt, die Bundesliga ist eine andere Hausnummer als San Marino und Griechenland. Aber Penny kann am Sonntag in Hamburg ein Thema sein. Er hat sich nie hängen lassen, ist nie ungeduldig geworden. Er weiß, dass sein Spiel ruhiger und zielstrebiger werden muss.

Manche fordern, dass jetzt die Kämpfer und Renner ran müssen - statt der häufig zu verspielten Künstler.

Stanislawski: Meine Philosophie ist es, druckvoll Fußball zu spielen. Nur mit Kampf belegst du Rang 13 bis 18.

Stanislawski: Sie wollen in den nächsten drei Jahren mit Hoffenheim "oben reinpieksen." Lässt sich das mit dem Sparkurs vereinbaren? Die Gehälter sind bereits erheblich reduziert worden und sollen weiter - in Richtung 30 Millionen Euro - reduziert werden. Zu Recht. Der Verein muss sich irgendwann mal von alleine tragen. Die Zeit ist vorbei, dass Profis in Hoffenheim die ganz dicken Trauben ernten. Wenn man immer jemanden in der Hinterhand hat, kann es dazu verführen, leichtfertig mit dem Geld umzugehen. Da mal fünf Millionen auszugeben und dort mal sieben Millionen zu investieren. Das macht bequem und unkonzentriert.

Und verringert die Chancen für den eigenen Nachwuchs?

Stanislawski: Ich bin auch deshalb nach Hoffenheim gekommen, um junge Spieler zu integrieren, was mit Dominik Kaiser und Jannik Vestergaard bereits geglückt ist. Es gibt weitere hoffnungsvolle Talente wie Tobias Strobl und Kevin Conrad in der U 23 oder Niklas Süle und Patrick Schorr in der A-Jugend, um nur Beispiele zu nennen. Die sollen bereits in der Rückrunde mit den Profis trainieren. Es geht auch darum, Herrn Hopp Respekt zu zollen, indem wir seine Philosophie Ernst nehmen. Er soll nicht noch in fünf Jahren 20 Millionen Euro zuschießen müssen. Damit gewinnen wir auch außerhalb Anerkennung, und dann ist Dietmar Hopp auch bereit, mal was zu tun, wenn wir sagen: Wie wär’s denn mit Mario Götze (lacht).

Also, Europa adieu?

Stanislawski: Keineswegs. Man kann mit ein bisschen Glück, einem guten Plan und sehr viel Wille eine Mannschaft zusammenstellen, die auch ehrgeizigere Ziele verwirklichen kann. Zumal Hoffenheim mit dem Pokal ein zweites Eisen im Feuer hat.

Doch Pokalspiele sind nicht so Ihr Ding...

Stanislawski: Das ist für mich eine neue Situation. Ich habe bisher erst ein einziges Mal das Viertelfinale erreicht. Da muss ich umdenken. Der Pokal ist eine Riesenchance. Ein Heimsieg gegen Augsburg, der uns ins Viertelfinale bringt, wäre ein schönes Weihnachtsgeschenk.

Nachdem es mit dem Neujahrs-Präsent nichts wird, denn Kevin Volland kommt nun doch erst zur nächsten Saison, obwohl Sie ihn gleich haben wollten.

Stanislawski: Es ist doch klar, dass wir Trainer dahin tendierten, weil wir davon ausgehen, dass er sich bei uns noch etwas schneller entwickelt. Andererseits hat er bei dem Kollegen Reiner Maurer eine gute Schule. Und bei uns ist die Konkurrenzsituation ungleich größer als in München. Das Schlimmste wäre, wenn der Junge nicht spielt und unzufrieden wäre. Ich denke, dass die Entscheidung richtig ist.

Und wenn im Winter Vedad Ibisevic den Verein verlässt?

Stanislawski: Stand heute werden wir mit unverändertem Kader in die Rückrunde gehen.

Am Sonntag in Hamburg, dann gegen Freiburg, darauf die Spiele in Leverkusen und Nürnberg und zum Jahresabschluss gegen Berlin: Vom Papier her ist es kein schweres Restprogramm.

Stanislawski: Schwer und leicht gibt es nicht. In der Bundesliga sind – mit Ausnahme von Bayern München und Borussia Dortmund – alle auf Augenhöhe. Da entscheiden Kleinigkeiten. Selbst die Tabellenletzten Freiburg und Augburg haben gute Spiele gemacht, sind dicht dran.

Vom HSV ganz zu schweigen. Für Sie als Hamburger ein besonderes Spiel?

Stanislawski: Natürlich sind Familie und Freunde da. Ich war zwar 18 Jahre in St. Pauli, aber erst mal bin ich Hamburger.

Der HSV wollte Sie haben?

Stanislawski: Das stimmt. Aber mit einem direkten Wechsel von St. Pauli zum HSV hätte ich niemanden einen Gefallen getan. Zunächst mal geht es morgen um drei Punkte – und die wollen wir mitnehmen. Un- ser Vorteil ist: Hamburg steht mehr unter Druck als wir.

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