Wie groß wird PHV? Und wie klein dadurch Kirchheim?
Die Stadt will die Bürger bei Grenzziehung mitreden lassen. Die Bezirksbeiräte sind jedoch wenig begeistert. Auch die Namensfrage steht noch im Raum.

Von Denis Schnur
Heidelberg. Heidelberg bekommt einen 16. Stadtteil. In der ehemaligen US-Siedlung Patrick-Henry-Village (PHV) sollen einmal rund 10.000 Menschen leben und 5000 arbeiten. Es gibt bereits einen Masterplan, ein wohnungspolitisches Konzept ebenso. Es steht schon fest, dass der Bund dort Wohnungen und das Land ein neues Ankunftszentrum baut. Doch zwei entscheidende Fragen sind noch offen – nämlich, wie der neue Stadtteil mal heißen und welches Gebiet er genau umfassen soll.
Beide Punkte will die Stadt ab Sommer 2023 im Rahmen einer aufwendigen Bürgerbeteiligung diskutieren, bevor der Gemeinderat dann darüber abstimmt. Das Konzept dazu stellte Urs Südhof von der Koordinierungsstelle Bürgerbeteiligung am Dienstagabend im Kirchheimer Bezirksbeirat vor. Sowohl für die Namensgebung als auch für die Abgrenzung sollen eigene Beratungsgremien ins Leben gerufen werden, die alle sinnvollen Vorschläge bewerten. Während die Bezirksbeiräte bei der Suche nach dem Namen recht emotionslos sind, wurde in der Sitzung schnell deutlich, dass die Frage der Stadtteilgrenzen großes Konfliktpotenzial birgt.
Hintergrund
Jeder kann Namen vorschlagen
Als die RNZ 2020 zum Namenswettbewerb für Heidelbergs 16. Stadtteil aufrief, meldeten sich über 200 Leser mit Vorschlägen. "Village" war oft dabei, "Hegenich" oder auch "Neustadt". "Beiderlinden" überzeugte am Ende
Jeder kann Namen vorschlagen
Als die RNZ 2020 zum Namenswettbewerb für Heidelbergs 16. Stadtteil aufrief, meldeten sich über 200 Leser mit Vorschlägen. "Village" war oft dabei, "Hegenich" oder auch "Neustadt". "Beiderlinden" überzeugte am Ende die Jury. Knapp drei Jahre nach dem inoffiziellen Wettbewerb startet nun die Stadt die Suche nach einem geeigneten Namen. Die Entscheidung trifft am Ende der Gemeinderat, bis dahin reden aber auch die Bürger sowie Experten mit. So sollen alle Menschen Vorschläge an die Stadt schicken können, es soll mehrere Beteiligungsveranstaltungen geben – auch gezielt für junge Heidelberger. Alle so gesammelten und in Frage kommenden Namen werden dann von einem Beratungsgremium diskutiert. Die Stadt schlägt vor, dass darin acht zufällige Bürger sitzen, außerdem zwei landwirtschaftliche Vertreter. Hinzu kommen Experten unter anderem von Stadtarchiv, Heidelberg Marketing, Industrie- und Handelskammer (IHK) und Stadtjugendring.
Im Kirchheimer Bezirksbeirat nahm man den Vorschlag gelassen zur Kenntnis. Die Räte störten sich nur daran, dass die IHK mitreden soll und fordern, diese durch den Kirchheimer Stadtteilverein sowie die "Pioniere" im neuen Stadtteil zu ersetzen. dns
Dabei hat die Verwaltung noch gar keine konkreten Vorschläge gemacht. Erst bis zum Beginn der Bürgerbeteiligung würden "drei bis vier Alternativen" erarbeitet und vorgestellt, so Südhof. Er kenne diese auch selbst noch nicht. Doch schon jetzt geht bei den Kirchheimer Bezirksbeiräten die Angst um, ihr Stadtteil werde deutlich schrumpfen. Und die ist auch nicht ganz unbegründet. Denn die eine logische Lösung für eine Abgrenzung des neuen Stadtteils drängt sich bislang nicht auf.
Gegen die "kleine Lösung" – also nur das Siedlungsgebiet von PHV – spricht etwa, dass sich die Bewohner der Aussiedlerhöfe im Westen und Süden künftig stärker am neuen als am bisherigen Mutterstadtteil orientieren dürften, sie vermutlich dort einkaufen und ihre Kinder zur Schule schicken werden.
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Die Autobahn A5 als Grenze erscheint zwar naheliegend. Jedoch würden dann der Grasweg und der Stückerweg – die künftig wohl fast ausschließlich der Andienung des neuen Stadtteils dienen – nicht zu diesem gehören. Dass die Stadt auch Varianten mitbetrachtet, bei denen Grundstücke östlich der Autobahn zum neuen Quartier gehören, sieht man daran, dass der Bezirksbeirat Pfaffengrund im weiteren Verfahren informiert werden soll – als potenziell neuer Nachbar. Eine mögliche "große Lösung" könnte deshalb sogar das Gebiet bis zur Speyerer Straße inklusive dem Airfield einschließen.
Je mehr Fläche man aber dem neuen Quartier zuschlägt, desto mehr Menschen sind davon ganz unmittelbar betroffen. Menschen, die seit Jahrzehnten Kirchheimer sind und es vielleicht auch bleiben wollen. Landwirte, deren Äcker künftig zu einem anderen Stadtteil gehören sollen – auf den man womöglich weniger Einfluss hat. Und je größer der neue Stadtteil wird, desto kleiner wird auch Kirchheim, der bislang flächenmäßig größte Stadtteil Heidelbergs.
Dass das vielen Kirchheimerinnen und Kirchheimern nicht schmeckt, wurde am Dienstag mehr als deutlich: "Wir haben mal dafür gestimmt, dass PHV zu Kirchheim gehört und das so bleiben soll – jetzt wird es genau anders gemacht", beschwerte sich etwa Andreas Rehm, Bezirksbeirat der "Heidelberger". Auch Janis Mampel, ebenfalls "Heidelberger" und als Bewohner des Kurpfalzhofes direkt betroffen, zeigte sich wenig begeistert: "Das lässt tief blicken, was Kirchheim alles weggenommen werden soll", sagte er mit Blick auf die Einbindung des Pfaffengrundes.
Zwar verschließen sich die Bezirksbeiräte dem angedachten Verfahren nicht komplett. In dem Beratungsgremium, das alle Varianten diskutiert, sollen neben den von der Stadt vorgeschlagenen Experten – etwa Vertreter des Stadtteilvereins, der Stadtwerke, des Sportkreises, der betroffenen Landwirte und des Geographischen Institutes der Uni – aber auch Bewohner der Aussiedlerhöfe sowie vier Kirchheimer Bezirksbeiräte sitzen. Die Einbindung des Nachbarstadtteils halten dagegen nicht alle für sinnvoll: "Das ist Kirchheimer Boden, das geht die Pfaffengrunder nichts an", betonte etwa Imke Veit-Schirmer (Die Linke).
Schon die Debatte darüber, wer diese Debatte künftig wie führen wird, war im Bezirksbeirat hitzig. Wenn konkrete Varianten vorliegen, dürfte sich das nicht ändern – das weiß auch Südhof. "Es wird kontrovers, da bin ich mir sicher", sagte er am Ende. "Aber ich hoffe, dass wir ein Ergebnis finden werden, das für Kirchheim akzeptabel ist."