OB-Wahl Heidelberg

Würzner übernimmt Ideen seiner Mitbewerber

Die OB-Kandidaten diskutierten bei der Aktionswoche gegen Armut.

18.10.2022 UPDATE: 18.10.2022 06:00 Uhr 3 Minuten
In der Chapel in der Südstadt diskutierten: (obere Reihe von links): Alina Papagiannaki-Sönmez (Heidelberg in Bewegung), Sofia Leser, Mathias Schmitz (beide parteilos). Untere Reihe: Bernd Zieger (Die Linke), Sören Michelsburg (SPD), Theresia Bauer (Grüne) und Amtsinhaber Eckart Würzner (parteilos). Foto: Rothe

Von Sebastian Riemer

Heidelberg. In der heißen Phase des Wahlkampfs orientiert sich Eckart Würzner (parteilos) an Ideen seiner Mitbewerber um das Amt des Oberbürgermeisters. Seit Wochen erklärt Sören Michelsburg (SPD), er werde im Falle seiner Wahl ein Referat für bezahlbares Wohnen schaffen – nun hat Würzner diesen Vorschlag übernommen: "Ich werde das Thema bezahlbarer Wohnraum stärken und in einem Referat bündeln", kündigte der Amtsinhaber in einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Aktionswoche gegen Armut und Ausgrenzung an. Michelsburg war in diesem Moment die Überraschung deutlich am Gesicht abzulesen. Auch die von Theresia Bauer (Grüne) häufig geäußerte Idee eines "queeren Zentrums" in Heidelberg griff Würzner auf: "Ich bin sehr offen dafür, in Heidelbergs Zentrum ein queeres Zentrum zu schaffen, ich halte das für einen guten Vorschlag."

Die Unterschiede zwischen den drei Hauptkonkurrenten werden mit Fortschreiten des Wahlkampfs also eher kleiner als größer. Dennoch bot die Diskussion vor rund 100 Zuhörern am Freitag in der Chapel in der Südstadt einige Erkenntnisse. Das lag auch an der gut vorbereiteten Moderatorin Annett Heiß-Ritter vom Heidelberger Bündnis gegen Armut und Ausgrenzung, die die sieben Kandidatinnen und Kandidaten kaum mit ausweichenden Antworten davon kommen ließ.

Dabei las sie viele eingereichte Fragen von Heidelbergern vor, die arm oder von Armut bedroht sind. Auch im Publikum saßen Betroffene.

Und so entstand sofort Unmut, als Oberbürgermeister Würzner erklärte, Heidelberg habe eine extrem geringe Armutsquote. "Ja, warum ist das wohl so?", sagte ein Zuschauer. Und eine ältere Frau: "Deshalb ist Heidelberg so reich – weil Arme aus der Stadt vertrieben werden. Die können sich nicht leisten, hier zu leben."

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Dem wohl größten Problem in Sachen Armut und Ausgrenzung – dem zu teuren Wohnraum – war dann auch der größte Teil der Diskussion gewidmet. Und bei der Analyse des Status quo waren sich tatsächlich alle auf dem Podium einig.

Heiß-Ritter hatte die Antwort der Stadt auf eine gemeinderätliche Anfrage von 2021 dabei: "Von einer ,Wohnungsnot in Heidelberg’ zu sprechen, halten wir (...) für nicht angemessen." Also fragte sie die Kandidaten, ob es in Heidelberg eine Wohnungsnot gebe – und alle, auch Würzner, zeigten die vorbereitete Karte für "Ja". Heiß-Ritters Kommentar: "Damit ist die Einschätzung der Stadtverwaltung von letztem Jahr hinfällig."

Doch wie wollen die OB-Bewerber diese Wohnungsnot bekämpfen? Amtsinhaber Würzner verwies auf Erfolge: Nach dem Bau der Bahnstadt ("Damals gab es keinerlei Bundesförderung") habe man "umgeschaltet": "In allen neuen Projekten seitdem – ob Mark-Twain- oder Patrick-Henry-Village – haben wir einen hohen Anteil geförderten Wohnraum." Beim Bund setze er sich zudem weiter massiv für mehr sozialen Wohnungsbau ein.

Theresia Bauer betonte indes: "Viel bauen hilft nicht viel. Wir brauchen den Zugriff auf den Boden." Man dürfe etwa bei PHV "nicht einfach alles weiterverkaufen", müsse die Priorität auf Bestandsbauten legen. Sören Michelsburg will der städtischen Wohnungsgesellschaft GGH mehr Ressourcen geben: "Wir müssen als Stadt auch mehr Wohnraum ankaufen."

Bernd Zieger (Die Linke) fordert bei neuen Wohnquartieren generell eine Sozialquote von 50 Prozent, "und auf PHV dürfen nicht 73 Prozent des Bestandes abgerissen werden". Alina Papagiannaki-Sönmez ("Heidelberg in Bewegung") will bei der Entwicklung von PHV stark auf Bürgerbeteiligung setzen. Und die parteilose Sofia Leser setzt sich für ein Leerstandskataster ein, um das Problem nicht genutzten Wohnraums zu minimieren.

Thema der Diskussion waren auch die vielen Hürden für Menschen mit Behinderung in Heidelberg. Sören Michelsburg forderte, dass die Stadt – analog zur Förderung zum barrierefreien Umbau von Wohnungen – ebenso Firmen beim Umbau unterstützt. Sofia Leser, die lange als Pflegeassistentin für Menschen mit Behinderung gearbeitet hat, konstatierte: "Kein Mensch, der im Rollstuhl sitzt, würde sagen, die Altstadt ist barrierefrei. Auch die Uni ist nicht barrierefrei."

Heidelberg und der Rhein-Neckar-Kreis, erklärte Moderatorin Heiß-Ritter, haben für die Pflegeassistenz im Vergleich mit die geringste Vergütung – weshalb Personal dafür fehle. Eckart Würzner brachte dazu gute Nachrichten mit: "Ich habe nach einem Gespräch mit dem Beirat für Menschen mit Behinderungen vor drei Monaten bereits zugesichert: Wir nehmen mehr Mittel für die Pflegeassistenz in den nächsten Haushalt auf."

Mehr Einsatz für die einkommensschwachen Heidelberger, für bezahlbaren Wohnraum, für Menschen mit Behinderung – die Kandidaten auf dem Podium gaben am Freitag in zwei Stunden Diskussion viele Versprechen. Der einzige Wunsch, der von den drei Hauptkonkurrenten abschlägig beschieden wurde, war der des 14-jährigen Joshua: Bei der Frage nach einem Schwimmbad im Pfaffengrund, zeigten Würzner, Bauer und Michelsburg ihre Nein-Karte. Nur die Außenseiter-Kandidaten Sofia Leser und Mathias Schmitz (der sehr wenig Redeanteil hatte) zeigten ein "Ja".

Angesichts der Dichte an Versprechungen betonte Heiß-Ritter während der Diskussion mehrfach: "Wir zeichnen das heute alles auf." Am Ende gab dann sie als Vertreterin des Bündnisses gegen Armut und Ausgrenzung den Kandidaten ein Versprechen: "Wir werden Sie mit Ihren heutigen Aussagen konfrontieren."

 
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