Immobilien

Der Markt in Heidelberg ist "nahezu leer gefegt"

Experte Steffen Sebastian erklärt, woher die hohen Mieten und Kaufpreise kommen und warum es keine platzende Blase bevorsteht.

13.04.2022 UPDATE: 14.04.2022 06:00 Uhr 4 Minuten, 55 Sekunden
Der Wohnraum in Heidelberg könnte für alle ausreichen, würde er nur gerechter verteilt, sagt Steffen Sebastian. Foto: alex

Von Alexander Albrecht

Heidelberg. Der gebürtige Mainzer und "gelernte Kurpfälzer" Steffen Sebastian ist Betriebswirt, Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung an der Universität Regensburg und Forschungsprofessor beim Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Er lebt in Heidelberg. Im RNZ-Interview fordert er vom Staat, das Wohngeld in Ballungsgebieten auf Bezieher mittlerer Einkommen auszuweiten.

Herr Professor Sebastian, suchen Sie noch oder wohnen Sie schon?

Ich wohne schon – in Heidelberg –, suche aber ständig, so wie viele andere Menschen auch.

Sofern Sie kaufen wollen, dürfte das in Heidelberg nicht leicht werden.

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Um gleich meine Prognosefähigkeit zu relativieren: Ich hätte nicht gedacht, dass in Heidelberg einmal fünfstellige Beträge pro Quadratmeter aufgerufen und bezahlt werden. Genau das ist aber jetzt der Fall, allerdings in guten Lagen wie Neuenheim oder der Weststadt. Dort sind 10.000 Euro und mehr bereits Standard.

Wer kann sich das leisten?

50 Prozent der Bevölkerung sind raus. Und von der anderen Hälfte noch einmal die Hälfte.

Das müssen Sie erklären.

Zum einen wird jeder, der weniger als das Durchschnittseinkommen verdient, große Schwierigkeiten haben, eine Finanzierung für ein Eigenheim zu bekommen. Zum anderen lohnt sich Eigentum eigentlich nur in einem Wachstumsraum wie in Heidelberg oder Mannheim. In einer strukturschwachen Region mit schrumpfender Bevölkerung läuft man sehenden Auges in einen Wertverlust hinein. Das kann man natürlich trotzdem machen, weil man dort leben möchte. Eine lukrative Altersvorsorge ist das dann aber in der Regel nicht.

Wie lange dreht sich die Preisspirale noch nach oben? Oder anders gefragt: Wann platzt die Blase?

Eine Blase ist es nur, wenn sie auch platzt, und das sehe ich hier nicht. Bereits vor der Corona-Krise waren viele der Auffassung, dass die Preise nicht mehr weiter steigen würden. Sie sind aber sogar während der Krise gestiegen. Trotzdem erwarte ich nun erneut, dass die Preissteigerungen an ihr Ende kommen, wenn die Zinsen noch weiter steigen. Momentan gibt es Torschlusspanik, da auch die Inflation gewaltig hoch ist. Deshalb wird derzeit noch jeder Preis bezahlt, der halbwegs vertretbar ist. Menschen, die Kapital haben, wollen sich schnell eine Immobilie kaufen. Jene ohne Kapital wollen sich hingegen noch die niedrigen Zinsen sichern.

Dann steigen die Preise also aktuell noch?

Ja. Gegen Jahresende wissen wir dann mehr, wo bei Inflation und Zinsen die Reise hingeht. Aktuell herrscht noch viel Unsicherheit. Momentan liegt der Zinssatz bei zehnjährigen Konditionen bei etwa zwei Prozent. Das ist ein ganzer Prozentpunkt mehr als vor einem Monat. Der Markt in Heidelberg oder zumindest das, was öffentlich inseriert wird, ist nahezu leer gefegt. Ich nehme an, dass bei den Maklern die Angebote schneller weg sind, als sie eingestellt werden können.

Das Bauen wird ja auch immer teurer.

Ja, wobei sich die Auswirkungen für die Wohnungskäufer in Grenzen halten. Ganz große Probleme haben die Bauträger, die vor Baufertigstellung verkauft haben und denen jetzt die Baupreise davon galoppieren. Da gibt es teilweise gigantische Kostensteigerungen, und oft ist das Material schlicht und ergreifend nicht verfügbar. Bauen war schon vor der Corona-Pandemie teuer. Die jetzigen Baukostensteigerungen machen aber viele Projekte unrentabel.

Wer ein Eigenheim kauft, geht eine riskante Wette ein.

Richtig – aber nicht nur auf Baukosten und Wertsteigerung. Das Eigenheim ist auch eine langfristige Wette zum Beispiel darauf, verheiratet zu bleiben und für keine teure Scheidung aufkommen zu müssen oder den Arbeitsplatz nicht zu verlieren. Ebenso riskiert man, dass nach Ablauf der Zinsbindung die Zinsen sehr viel höher sind. Eigentümer haben daher deutlich höhere Risiken bei Veränderungen in ihrem Lebensplan. Auf der anderen Seite haben sie die Sicherheit vor einer Eigenbedarfskündigung oder Mieterhöhung.

Gibt es für potenzielle Käufer so etwas wie eine Faustregel?

Grundsätzlich sollte man sich einigermaßen sicher sein, in den nächsten zehn Jahren in der Immobilie zu bleiben, ansonsten lohnt es sich schon wegen der hohen Transaktionskosten nicht. Früher sprach man von einem notwendigen Eigenkapitalanteil von 30 Prozent – aber netto, also nach den Kaufpreis-Nebenkosten. Das schafft heute fast keiner mehr.

Warum?

Die Grunderwerbsteuer und die Maklerkosten sind nach wie vor hoch, die Notariatsgebühren sogar viel zu hoch, die müsste man dringend reformieren. Inzwischen kann man sich glücklich schätzen, wenn man 20 Prozent Eigenkapital nach den Nebenkosten erreicht. Das wahrscheinlichste Szenario ist, dass die Preise noch viele Jahre auf einem konstant hohen Niveau bleiben. Gleichzeitig sind Käufer vor negativen Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt nur sehr unzureichend geschützt. Wenn man 30 Prozent Eigenkapital hat und die Hälfte für Nebenkosten draufgeht, hat man nur noch 15 Prozent Puffer. Wenn dann aber die Immobilienpreise um zehn Prozent sinken, wird es schon eng, und bei 20 Prozent ist man rechnerisch bereits überschuldet.

Die Ampelkoalition will 400.000 neue Wohnungen schaffen, davon soll jede vierte eine Sozialwohnung sein. Wie finden Sie das?

Angesichts einer hundertprozentigen Auslastung der Bauwirtschaft frage ich mich, wo die Kapazitäten herkommen sollen. Derzeit ist das politisches Wunschdenken.

Wäre eine Nachverdichtung in den großen Städten sinnvoller?

Ich denke schon, allerdings sehe ich bei den Kommunen wie Heidelberg kein Bemühen, das auch zuzulassen. Will man das, müsste man jedem Eigentümer bei Neu- oder Umbauten erlauben, im Vergleich zur Nachbarbebauung noch ein Geschoss drauf zu legen. Bei Bestandsbauten wäre das leicht möglich und ökologisch wie ökonomisch sinnvoll. Heidelberg hat bei Neuausweisungen wie in Rohrbach, der Bahnstadt und den großen Konversionsflächen viel gemacht, jedoch nichts bei der Nachverdichtung. Dabei läge in diesem Fall die Flächenversiegelung bei null, und die Infrastruktur würde auch nichts kosten. Zudem müssen wir den Bestand deutlich effizienter nutzen, denn wir haben nicht zu wenig Wohnraum.

Wie bitte?

Der Wohnraum würde in Heidelberg und Mannheim für alle ausreichen, wenn er gerechter verteilt wird. Mieter in Großstädten verfügen im Durchschnitt über 38 Quadratmeter Wohnfläche pro Kopf. Das sind bei einer vierköpfigen Familie über 150 Quadratmeter. Da kann man schlecht von einer Wohnungsnot sprechen. Auf der anderen Seite gibt es Singles oder Ehepaare, die aus ihrer viel zu großen Familienwohnung nicht ausziehen wollen, weil eine kleinere Wohnung in der Neuvermietung noch teurer wäre.

Und wie wollen Sie das lösen?

Wir haben einen Reformvorschlag vorgelegt. Zuerst müsste das Wohngeld deutlich erhöht und in manchen Städten auch auf Durchschnittsverdiener ausgeweitet werden. Das würde bereits Millionen von Mietern sofort helfen …

… müsste aber finanziert werden.

Wir schlagen vor, Vermieter in angespannten Wohnungsmärkten zusätzlich zu besteuern. Die zusätzlichen Maßnahmen für bezahlbares Wohnen sollen also von den Vermietern selbst finanziert werden. Zur Entlastung der Vermieter schlagen wir vor, unnötige Mietersubventionen abzuschaffen. Die ortsübliche Vergleichsmiete soll daher so berechnet werden, dass sie näher an der Marktmiete liegt. Zugleich wollen wir die Kappungsgrenze abschaffen, die Mieterhöhungen begrenzt, jedoch Wohlhabende wie Bedürftige gleichermaßen begünstigt. Das ist sozial nicht gerecht.

Und die Mietpreisbremse?

Die sollte so lange fortgesetzt werden, bis sich der Wohnungsmarkt entspannt hat. Und Mieterhöhungen wegen Modernisierungen sollen auch nicht mehr möglich sein. Das braucht man nicht, wenn man die Kappungsgrenze abschafft.

Dann steigen die meisten Mieten, oder?

Nicht alle, aber wahrscheinlich bei vielen Mietern mit sehr alten Mietverträgen. Das ist sozial gerechter, da wir nur die Haushalte, die es nötig haben, durch das höhere Wohngeld unterstützen würden. Wir schaffen Mietsubventionen für Gutverdienende ab, machen Transferzahlungen sichtbar und begrenzen sie auf die Bedürftigen. Gleichzeitig verhindern wir einen weiteren verschwenderischen Umgang mit Wohnraum und Boden. Wir bräuchten dann auch weniger Sozialwohnungen. Vermieter, die in angespannten Wohnungsmärkten bereits sehr hohe Mieten verlangen, dürfen diese nicht weiter erhöhen, müssen aber eine stärkere steuerliche Belastung hinnehmen. Gewinner sind Wohnungssuchende und Vermieter, die jahrelang auf Mieterhöhungen verzichtet haben und diese leichter durchsetzen können. Zu den Verlierern zählen Mieter, die gut verdienen, aber sehr wenig Miete zahlen, weil sie schon lange in ihrer Wohnung leben. Diese müssten künftig marktgerechte Preise zahlen oder in eine kleinere Wohnung ziehen. Den Staat soll die Reform hingegen nichts kosten.

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