"Zuzug hat sich zunehmend verschärft"
Kritik an GBG und Investoren: Das ist für den Fachanwalt Alexander Sauer eine der Hauptursachen für den Anstieg der Mieten.

Von Alexander Albrecht
Mannheim. Alexander Sauer ist Fachanwalt für Mietrecht und stellvertretender Vorsitzender des Mannheimer Mietervereins.
Herr Sauer, in Mannheim haben sich die Mieten zwischen 2018 und 2020 um fast neun Prozent erhöht. Warum?
Das ist eine bundesweite Entwicklung, die aber nicht auf diesen Zeitraum begrenzt ist. Der große Anstieg der Mieten hat schon vor 2015 begonnen. Der Zuzug nach Mannheim – bei begrenztem Angebot – hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend verschärft. Und das ist einer der Hauptpreistreiber. Viele, die früher in den Speckgürtel gezogen wären, schätzen die Infrastruktur oder im Alter das Ärztenetz. Und der Zuzug zu Studienzwecken ist ungebrochen. Das führt etwa dazu, dass der Quadratmeter-Mietpreis für WG-Wohnungen stark ansteigt. Die Wohngemeinschaft zahlt unter dem Strich mehr, als wenn ein einzelner eine Wohnung anmietet. Das wird von der Vermieterseite so einkalkuliert. Es gibt Stadtteile, bei denen es wahrscheinlich deutlich über die neun Prozent hinausgeht.
Welche?
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Die Neckarstadt-West zum Beispiel.
Dort hält sich die Meinung, dass unter Investoren eine Goldgräber-Stimmung ausgebrochen ist und es zu Verdrängungen kommt.
Ja, und das stimmt auch. Für diejenigen, die es früher auf dem Mannheimer Mietmarkt schwer hatten, gab es in der Neckarstadt-West noch Chancen. Damit meine ich den klassischen, vom Jobcenter abhängigen Alleinstehenden. Der geht jetzt leer aus. Auch die WGs werden verdrängt, und es gab bei der Zuwanderung aus Südosteuropa die Situation, dass eine Wohnung an möglichst viele Menschen vermietet wurde. Wenn ein Investor innerhalb von weniger als zehn Jahren fast 50 sanierungsbedürftige Objekte aufkauft, dann ist der Zug schon abgefahren.
Die Investoren sagen, man erhöhe die Mieten im gesetzlichen Rahmen und wolle aus der Neckarstadt-West keinen zweiten Prenzlauer Berg machen.
Die wollen Geld verdienen, und das ist auch legal. Den Heiligenschein, den sie sich gerne aufsetzen, verdienen sie aber bei Quadratmeterpreisen von teilweise 14 Euro nicht.
Verstehen Sie nicht, dass die Stadt ein großes Interesse daran hat, dass Automatenspelunken und Schrottimmobilien verschwinden und sich das Viertel zum Beispiel für bürgerliche Familien öffnet?
Es gibt deshalb aber nicht weniger Automatenbetriebe, die Leute gehen dann eben woanders hin. Geholfen ist damit den Bedürftigen mit kleinem Einkommen und der Stadt nicht. Vielleicht muss es in sozialen Brennpunkten solche Angebote geben.
Lassen Sie uns auf die allgemeine Situation in Mannheim zurückkommen. Haus und Grund behauptet, die Löhne seien in den vergangenen Jahren stärker gestiegen als die Mietpreise.
Das kann ich so nicht teilen, das ist mir zu pauschal. An Tariferhöhungen von fünf Prozent erinnere ich mich jedenfalls nicht, andere Arbeitnehmer sind gar nicht tarifgebunden.

Das Land ist ja nicht untätig geblieben und hat 2020 eine Mietpreisbremse eingeführt. Danach darf die Miete nach einem Eigentümerwechsel nicht mehr als zehn Prozent über dem Mietspiegel liegen. Hilft das?
Die Mietpreisbremse ist keine Lösung, sondern soll die Probleme dämpfen und bestimmte Spitzen abfangen. Sie verpflichtet die Vermieter dazu, ihre verlangten Mieten zu überprüfen. Wir haben gerade in den vergangenen Monaten aber festgestellt, dass es massive Verstöße dagegen gibt. Da sprechen wir von monatlich dreistelligen Beträgen, die zu viel berechnet werden.
Kann die von der Stadt eingeführte Sozialquote die Situation entschärfen? Diese besagt, dass ab zehn Einheiten 30 Prozent der Neubauwohnungen preisgünstig angeboten werden müssen.
Wie Sie sagen: Das geht nur bei Neubauwohnungen und Änderungen des Bebauungsplans. Wir haben auf den Konversionsflächen durchaus Effekte, auf den großen Mietmarkt wirkt sich die Quote dagegen nicht aus. Man müsste also gegebenenfalls den Anwendungsbereich erweitern.
Das Bauen wird immer teurer. Ist es nicht folgerichtig, dass die Mieten in die Höhe schießen?
Bei Neubauten ja. Aber dass Mietpreise bei Gebäuden im Bestand steigen, nur weil das Bauen teurer wird, sehe ich nicht.
Auch nicht bei Sanierungen?
Handwerkerpreise steigen, das ist schon richtig. Da gibt es gesetzliche Regelungen, was auf die Mieter umgelegt werden kann. Ich glaube eher, dass durch die jahrelange Niedrigzinssituation Menschen bereit waren, höhere Kaufpreise zu zahlen und das über die Mieten refinanzieren wollen. Aus meiner Wahrnehmung hätte man bis Jahresende beim klassischen Studentenapartment mit 20 bis 25 Quadratmetern unter 100.000 Euro kommen können, zum Teil deutlich darunter. Diese Schallmauer ist jetzt durchbrochen.
Inflation und der Ukraine-Krieg lassen die Preise für Heizöl, Gas und Strom explodieren. Auf was müssen sich die Mieter einstellen?
Die Masse der Mieter in Mannheim ist durch das starke Fernwärmenetz noch nicht so stark betroffen. Bei Gas und Öl müssen sich die Menschen dagegen im nächsten Jahr auf hohe Nebenkosten einstellen. Es ist gut und richtig, dass die Politik bereits Mietzuschüsse beschlossen hat.
Auf den Konversionsflächen entstehen rund 10.000 neue Wohnungen. Deckt das die Nachfrage nicht weitgehend ab?
Das kann ich Ihnen nicht beantworten. Dort wird aber vieles gemacht, was sich die meisten Menschen auf der Nachfrageseite nicht leisten können. Insofern bin ich skeptisch.
Die GBG als städtische Wohnungsbaugesellschaft hat derzeit rund 19.300 Wohnungen im Bestand. Müsste sie noch mehr bauen und Immobilien ankaufen?
Die GBG macht schon viel, aber ich denke schon, dass noch mehr geht. Es wurden teils Projekte vergeben, die sehr viel kosten und zu hohen Eigentums- beziehungsweise Mietpreisen führen. Ob das "E" auf Franklin (eines von vier neuen Hochhäusern, die architektonisch das Wort "Home" bilden; Anm. d. Red.) angesichts des Wohnraummangels notwendig war, bezweifle ich doch sehr.
Sind Sie manchmal selbst überrascht, wenn für die Eigentumswohnung mit hundert Quadratmetern 700.000 Euro abgerufen und bezahlt werden?
Ja. Es ist natürlich immer die Frage der Finanzierung und wie hoch die monatliche Tilgungssumme ist. Bei Doppelverdienern mit Facharbeitergehalt oder anderen gut bezahlten Jobs sind auch die 700.000 Euro noch machbar. Manche finanzieren aber etwas tollkühn. Wenn man bisher einen Zinssatz von eins Komma und auch nur ein Prozent Tilgung hatte, dann konnte man mit einer nicht allzu hohen Belastung eine Wohnung zu einem hohen Kaufpreis erwerben. Wenn sich aber die Zinsen nach Ablauf der Zinsbindung auch nur um zwei oder drei Prozent erhöhen, wird es manche Leute in zehn Jahren vor Probleme stellen, weil sie bei der Finanzierung ans Limit gegangen sind und kaum etwas von den Verbindlichkeiten abgetragen ist.
Haben Sie noch einen Tipp für Mieter?
Alles, was man vom Vermieter will, gehört verbindlich in den Mietvertrag reingeschrieben. Auch wenn man nicht am Anfang des Monats die Miete bezahlen kann, muss das drin stehen. Zudem sollten die Schäden in der Wohnung vor Bezug protokolliert werden und der Vermieter vertraglich zusichern, diese zu beseitigen. Und es empfiehlt sich, auf die Nebenkosten zu schauen, damit man nicht von einer hohen Nachzahlung überrascht wird. Mit drei Euro pro Monat und Quadratmeter liegt man nicht verkehrt.