Warum die Protestaktion auf den Ackerflächen umstritten ist
Bauernverband, BUND und Grüne mobilisierten gegen möglichen Wegfall von 20 Hektar Agrarland. SPD spricht von "PR-Aktion".
Von Axel Sturm
Ladenburg. Im Westen der Ladenburger Gemarkung gibt es in der Nähe des Industriegebiets eine 20 Hektar große Ackerfläche, die seit Jahrzehnten Begehrlichkeiten weckt. Die Landwirte, die die betroffenen Flächen bewirtschaften, wehren sich gegen eine Bebauung. Sie argumentieren mit der Lebensmittelversorgung der Bevölkerung, die ohne den Ackerboden nicht möglich sei.
Bereits in den 1970er-Jahren hatte der Rhein-Neckar-Kreis hier ein Müllheizkraftwerk bauen wollen, ließ es nach jahrelangen Auseinandersetzungen aber sein. Nun steht die Ackerfläche wieder im Fokus: Die Fortschreibung des Flächennutzungsplans sieht in der Regionalplanung vor, dass an dieser Stelle ein Gewerbegebiet entsteht. Es soll Ladenburger und Ilvesheimer Flächen umfassen.
Die Stadt Ladenburg hat zur Umsetzung im letzten Haushaltsplan bereits 50.000 Euro Planungskosten eingestellt und somit ein Zeichen gesetzt, dass sich nach den Auflösungen der Standorte von Reckitt Benckiser und ABB neue Betriebe ansiedeln könnten. Den Erhalt des Ackerlands fordern hingegen der Ladenburger Bauernverband, die BUND-Gruppen Ladenburg und Ilvesheim sowie die Grünen aus beiden Gemeinden. Sie hatten am Freitag zu einer Protestveranstaltung eingeladen. 70 Interessierte schwangen sich auf ihre Fahrräder, um vor Ort dabei zu sein.
Dort standen unter anderem die Landwirte Steffen Linnenbach, Vorsitzender des Bauernverbands, und sein Vorgänger, Karl Meng, am Mikrofon. Linnenbach sagte, dass hier Weizen, Gerste, Mais, Raps und Spargel, aber auch für Bienen wichtige Blühmischungen gedeihen. In Ladenburg können die Landwirte rund 1300 Hektar Ackerfläche bewirtschaften. Die Fläche dürfe sich nicht verringern. Der Trend in Deutschland sei besorgniserregend, ergänzte Karl Meng, der als CDU-Stadtrat auch am Ratstisch Einfluss nehmen kann. Er hat der anstehenden Flächenumwidmung nicht zugestimmt. Die Grünen enthielten sich ihrer Stimmen. "Wir lehnen das Vorhaben ab – aber weil diese Fläche für die Schienenanbindung Ladenburgs eine wichtige Rolle spielt, haben wir uns enthalten", so Grünen-Stadträtin Jenny Zimmermann.
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Bundesweit würden täglich 80 bis 90 Hektar Ackerfläche versiegelt, klagte Meng an. Wenn es so weitergehe, habe die Republik in 624 Jahren keine Ackerflächen mehr. Bei den vor Ort betroffenen Äckern handle es sich um die wertvollsten Böden, die in Ladenburg und Ilvesheim zu finden sind. Die Qualität der Böden liege auf einer Skala von null bis hundert bei 70 bis 85 Punkten. Er könne durchaus nachvollziehen, dass eine Kommune Gewerbeflächen ausweisen muss, um Einnahmen zu erzielen, so Meng. In Ladenburg gebe es aber Alternativen, etwa auf dem Total-Gelände in der Industriestraße.
BUND-Vorsitzende Gaby Lux setzt sich auch deshalb für den Erhalt der Ackerflächen in Neckar-Nähe ein, weil sie für den Hochwasserschutz wichtig seien. Das Vorstandsmitglied der Ladenburger Grünen, Jürgen Frank, unterstrich ebenfalls die existenzielle Wichtigkeit der Böden für die Landwirte und die Versorgung der Bevölkerung. Die Gemeinderätin der Grünen in Ilvesheim, Sarah Nick-Toma, rief dazu auf, "über die Gemeinderatsmitglieder Druck auf die Bürgermeister zu machen". Denn Andreas Metz (Ilvesheim) und Stefan Schmutz (Ladenburg) sehen die mögliche Gewerbeentwicklung positiv.
Die Kritiker eines Gewerbegebiets an dieser Stelle sehen sich aber auch mit der Skepsis einiger SPD-Aktiver konfrontiert. Der SPD-Stadtrat Gerhard Kleinböck und der Ladenburger SPD-Ortsvereinsvorsitzende, Markus Bündig, zeigen sich in einem Schreiben an die RNZ verwundert, weil kurz vor der Bundestagswahl eine solche Veranstaltung stattfand. "Die Grünen haben wohl die eigene Beschlusslage vergessen. Mandatsträger der Grünen haben schon Ideen entwickelt für eine Ansiedlung chemischer Betriebe – Stichwort Chemiecluster", so Kleinböck. Er wirft den Grünen eine "PR-Aktion" vor.
Die bei der Veranstaltung anwesende SPD-Stadträtin Angelika Gelle wiederum will alle Seiten anhören. Sie erinnerte daran, dass Ladenburg mehr Steuereinnahmen benötigt, um Einrichtungen wie das Freibad, die Bibliothek oder das Museum zu finanzieren. Riesige Speditionshallen kämen für sie nicht infrage. Innovative Forschungs- und Entwicklungsbetriebe – eine Art Silicon Valley am Neckar – könne sie sich aber vorstellen. Sie nehme allerdings auch die Landwirte ernst. Ein einheitliches Meinungsbild habe sich die SPD-Fraktion noch nicht gemacht, sagte die Stadträtin.