Fleischfabrik-Skandal

"Ein Handwerksmetzger hat mit Tönnies nichts zu tun"

Obermeister Ralf Herkert im Gespräch mit der RNZ über das Schlachten von Tieren, regionale Produkte und die Metzger vor Ort

17.07.2020 UPDATE: 17.07.2020 19:30 Uhr 3 Minuten, 45 Sekunden
Ralf Herkert betreibt in Altheim ein eigenes Schlachthaus. Von dort kommen die Waren nach Buchen, wo er eine Metzgerei hat. Hier im Kühlhaus, das auf dem Foto abgebildet ist, warten die Fleischprodukte auf ihre Weiterverarbeitung. Foto: Andreas Hanel

Buchen/Neckar-Odenwal-Kreis. (ahn) Der Tönnies-Skandal hat es deutlich gemacht: Die Bedingungen in der industriellen Schlachtung sind weder für Menschen noch für Tiere immer die besten. Doch wie gestaltet sich diesbezüglich die Situation hier im ländlich geprägten Neckar-Odenwald-Kreis? Welche Unterschiede gibt es hier zur Massenabfertigung in industriellen Schlachtbetrieben? Und welche Vorteile bringt der Kauf regionaler Produkte beim Metzger vor Ort für den Verbraucher? Unter anderem über diese Fragen haben wir uns mit Ralf Herkert, der in Buchen eine Metzgerei und in Altheim ein eigenes Schlachthaus betreibt, in seiner Funktion als Obermeister der Fleischer-Innung Neckar-Odenwald unterhalten.

Herr Herkert, wie viele Metzger schlachten überhaupt noch selbst bei uns im Neckar-Odenwald-Kreis?

Im Landkreis schlachten noch sieben Metzgereien selbst: Peter Maurer (Merchingen), Peter Baumann (Hettigenbeuern), Christoph Vogt (Billigheim), Helmut Rausch (Limbach), Herwig Zimmermann (Waldkatzenbach), Hartmut Raudenbusch (Obrigheim) sowie meine Wenigkeit.

Wie viele waren es früher?

Früher war es so, dass fast jede Stadt einen städtischen Schlachthof hatte. In Buchen etwa war dieser dort, wo heute der Penny steht. Da schlachtete jeder Metzger selbst seine Schweine oder ließ sie lohnschlachten. Die Metzger auf dem Land hatten in der Regel ein eigenes Schlachthaus.

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Welche Erklärung lässt sich für den Rückgang der Schlachthöfe im Landkreis anführen?

Die städtischen Schlachthöfe rechneten sich einfach nicht mehr. Hinzu kommen die Vorschriften für etwa die Hygiene, die nicht mehr eingehalten werden konnten, um noch profitabel zu sein. Außerdem ist das auch eine Frage der Räumlichkeiten. Viele haben gar keinen Platz, um noch eine eigene Schlachterei zu betreiben.

Wie viele Schlachthöfe gibt es aktuell noch im Landkreis?

Wir haben nun nur noch einen kleinen Schlachthof, das ist in Schefflenz das Frischezentrum Färber.

Wie sind die Rahmenbedingungen für Schlachtbetriebe am Standort Neckar-Odenwald-Kreis?

Das Schlachten wird jedes Jahr schwieriger. Die Fleischindustrie verstößt gegen Gesetze und Tierschutz, und wir kleinen Betriebe müssen dies ausbaden. So entstehen wiederum neue von der EU vorgegebene Vorschriften, die so mancher Metzger nicht mehr erfüllen kann. Meiner Meinung nach werden kleine Metzger in den letzten Jahren nicht mehr gewollt. Vielleicht merkt die Politik jetzt einmal, dass es wichtig ist, kleine regionale Metzger zu stärken.

Wie viel aus dem Sortiment eines Metzgers ist überhaupt hausgemacht?

Jeder Metzger bei uns möchte so viel wie möglich selber herstellen. Mancher Artikel wie etwa spezielle Salamisorten oder Parmaschinken werden dazugekauft. Jeder Kunde kann sich an der Metzger-Theke darüber informieren.

Beziehen Metzger aus dem Landkreis auch Waren von industriellen Fleischbetrieben, die in letzter Zeit in Verruf geraten sind?

Nein. Wir haben hier im Landkreis mit dem vorhin erwähnten Frischezentrum Färber in Schefflenz einen Schlachthof, von dem die meisten Metzger aus der Region ihre Ware beziehen. Dabei werden entweder ganze Schweinehälften gekauft oder zum Teil schon fertig zerlegte Ware. Der Schlachthof wird vor allem von regionalen Bauern beliefert. Die Herkunft des Fleisches ist also in der Regel klar, zumal sich auch lange Wege von weiter her gar nicht lohnen.

Also ist Tönnies für die Region gar kein geschäftlicher Partner?

Für die Discounter oder Supermärkte wahrscheinlich schon. Ein Handwerksmetzger hat damit nichts zu tun.

Wie hoch ist der Mehrpreis regionaler Produkte gegenüber denen aus industrieller Fertigung?

Ein SB-Regal im Discounter ist günstiger als eine Verkaufstheke. Ein Supermarkt mit Verkaufstheke ist oft teurer als ein regionaler Metzger. Ein Supermarkt macht günstige Lockangebote und zieht so Kunden an, denen dann aber andere Produkte angeboten werden, als in der Werbung angepriesen wurden. Wir kaufen direkt beim Bauern und bezahlen dafür auch mehr. Doch oft ist es für den Kunden gar kein Mehrpreis. Denn wenn man 500 Gramm Hackfleisch im Discounter und 500 Gramm beim Metzger holt und es dann anbrät, merkt man schlussendlich, dass bei der Ware vom Metzger mehr in der Pfanne zurückbleibt.

Welchen Mehrwert für den Verbraucher bringen außerdem die Waren vom Metzger vor Ort?

Der größte Mehrwert ist der Tier- und Arbeitsschutz. Regionale Metzger transportieren keine lebende Tiere stundenlang durch das ganze Land, sondern wir nutzen Tiere aus der Region, die unter entsprechend guten Bedingungen gehalten werden. Unsere Angestellten sind fest Angestellte und keine Werkvertragsarbeiter. Jeder Arbeitnehmer hat eine Familie und muss sie auch versorgen. Auch für die Arbeitgeber ist es nicht so einfach, zumal wir ganz andere Personalkosten als die Industrie haben.

Wie können Verbraucher gute Ware von schlechter unterscheiden?

Zuerst einmal an der Farbe. Fleisch muss rötlich sein. Die abgepackten Fleischverpackungen werden in der Industrie mit einem Gas befüllt, damit sich die Farbe hält. Außerdem merkt man den Unterschied – wie gesagt – am besten beim Grillen oder Braten: Bei Industrieprodukten bleibt nicht so viel übrig wie bei der Ware vom Metzger. Man muss sich ja nur die letzten Jahre die ganzen Skandale der Industrie anschauen. Ob da Pferdefleisch, Gammelfleisch, Listerien usw. in der Wurst waren, das alles spricht ja für sich selbst.

Welche Forderungen stellt die Fleischer-Innung an die Politik?

Neue Gesetze brauchen wir eigentlich gar nicht. Doch die müssen auch eingehalten werden – und zwar von allen. Dennoch sollte die Politik regionale Schlachthöfe unterstützen. Denn das Handwerk unterscheidet sich von der Industrie. Wir wollen gar nicht bevorzugt werden, aber gleichgestellt. Jeder Metzger bezahlt EEG-Umlage. Die Industrie ist davon befreit. Ein Metzger bezahlt rund 17 Euro für eine Fleischbeschau pro Schwein, die Industrie nur etwa zwei Euro. Außerdem kann die Industrie Reste wie Schweinefüße oder Därme weiterverkaufen, die Metzger bezahlen dafür Abfallgebühren. So kostet für einen Metzger ein Schwein nach dem schlachten bereits das Doppelte des Einkaufspreises. Im Grunde hat es der Verbraucher selbst in der Hand: Mit dem Einkauf beim Metzger unterstützt man Bauern, das Wohl der Tiere sowie die Familienbetriebe der Metzger.

Minister Peter Hauk hat jüngst vorgeschlagen, "mobile Schlachthöfe" zu fördern. Was halten Sie von der Idee?

Mobile Betäubungsanhänger bringen nur denen etwas, die eh schon selbst schlachten. Der Unterschied ist ja nur, dass das Tier nicht lebend transportiert wird. Für den Rest beim Schlachtvorgang braucht man auch die entsprechende Einrichtung. Eine Genehmigung zu bekommen, soll auch nicht gerade einfach sein.

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