Corona und die Schlachtindustrie

"Mein Ziel ist, regionale Metzger zu halten"

Im RNZ-Gespräch bezieht Minister Peter Hauk Stellung zu Themen wie Großschlachterei, Tierwohl-Label und Bio-Musterregion

08.07.2020 UPDATE: 09.07.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 37 Sekunden
Für Minister Peter Hauk ist ein Tierwohl-Label dann sinnvoll, wenn die Verbraucher klar erkennen können, für was sie mehr bezahlen sollen – und dass dieser Mehrerlös dann auch bei den Landwirten ankommt. Fotos: Alexander Rechner

Von Alexander Rechner

Neckar-Odenwald-Kreis/Stuttgart. Nach dem Corona-Ausbruch in der Schlachtindustrie rücken Veränderungen in der gesamten Lebensmittelkette in den Blick. Tönnies und die Folgen: Was muss sich ändern in Ställen und Schlachthöfen? Darüber sprach die RNZ mit dem baden-württembergischen Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Peter Hauk. Außerdem zieht er auch ein Zwischenfazit nach einem Jahr Bio-Musterregion Neckar-Odenwald-Kreis.

Für Minister Peter Hauk ist ein Tierwohl-Label dann sinnvoll, wenn die Verbraucher klar erkennen können, für was sie mehr bezahlen sollen – und dass dieser Mehrerlös dann auch bei den Landwirten ankommt. Fotos: Alexander Rechner​

Herr Hauk, nach dem Corona-Ausbruch beim Fleischproduzenten Tönnies in Nordrhein-Westfalen wird bemängelt, die Schlachtbetriebe seien zu groß. Sind Sie auch dieser Meinung? Welche Lehren zieht die baden-württembergische Landesregierung aus diesem Vorfall in Nordrhein-Westfalen?

Ein Strukturwandel und damit einhergehende Konzentrationsprozesse machen auch vor der Fleischwirtschaft nicht halt. Die sehr großen Fleischfabriken vor allem im nördlichen Teil Deutschlands sind den dort vorherrschenden sehr hohen Viehbesätzen und dem Wunsch der Menschen nach preiswertem Fleisch geschuldet. In Baden-Württemberg sind die Verhältnisse etwas anders gelagert. Wir haben neben drei großen Schlachtbetrieben etwa 40 regional agierende kleinere Betriebe, wie den in Schefflenz. Insgesamt gibt es in Baden-Württemberg rund 900 zugelassene Schlachtstätten, vorwiegend Metzger. Mein Ziel ist es, regionale Metzger und Schlachtbetriebe zu halten und damit die hofnahe Schlachtung zu stärken. Das vermeidet weite Tiertransporte und hält die Wertschöpfung in der Region. Dazu brauchen wir aber den Verbraucher, der bereit ist, etwas mehr für sein regionales Fleisch auszugeben.

Zuletzt wurde der Ruf nach einem Tierwohl-Label immer lauter. Wollen Sie auch die Einführung?

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Ein Tierwohl-Label ist dann sinnvoll, wenn der Verbraucher klar erkennen kann, für was er mehr bezahlen soll und dass dieser Mehrerlös dann auch bei den Bauern ankommt. Bundesministerin Klöckner hat angekündigt, beim Fleisch Gesetzesverschärfungen zur Preisgestaltung und Lebensmittelwerbung mit Lockpreisen zu prüfen. Dabei soll auch über eine mögliche Tierwohlabgabe als Preisaufschlag für die Verbraucher gesprochen werden. Dieser Gesamtvorschlag ist aus unserer Sicht ernsthaft zu diskutieren. Klar ist, dass ein Mehr an Tierwohl Geld kostet und dass unsere Bauern bei ihren Anstrengungen auf die Unterstützung der Gesellschaft angewiesen sind. Diese muss dann aber auch so weit reichen, dass den Bauern, die in ein Mehr an Tierwohl wollen, von anderer Seite keine Steine in den Weg gelegt werden, indem beispielsweise so hohe baurechtliche Auflagen gemacht werden, dass ein Stallneubau faktisch unmöglich ist.

Tierwohl ist das Eine, Verbraucherschutz das Andere: Garantiert ein staatliches Label tatsächlich, dass das Fleisch hochwertiger ist, oder braucht es andere Instrumente, um das zu erwirken?

Ich finde den Vorschlag von Bundesministerin Klöckner sehr gut, das Thema von mehreren Seiten zu beleuchten und anzugehen. Mit Blick auf die verflochtenen und teil globalisierten Märkte werden wir allerdings um eine Regelung auf Ebene der EU nicht umhinkommen. Wir brauchen ein stärkeres gesellschaftliches Bekenntnis zu unseren Bauern. Immer höhere Auflagen werden in einem zunehmend schwieriger werdenden wirtschaftlichen Umfeld dazu führen, dass immer mehr Bauern bei uns aufgeben und die Produktion von Lebensmitteln in aller Herren Länder verlagert werden. Das ist nicht das Ziel meiner Agrarpolitik. Ich setze auf regionale Erzeugung bei nachvollziehbar hohen Standards.

Sie halten die vom Bundesrat beschlossene Übergangsfrist von 15 Jahren für das umstrittene Fixieren von Muttersauen in engen Metallrahmen für zu kurz. Sind Sie gegen bessere Bedingungen in der Stallhaltung von Schweinen?

Das Gegenteil ist der Fall! Ich bin für angemessene und umsetzbare Standards, bei der Diskussion um die Kastenstände sind wir uns einig. Es ging am Ende um die Haltung von Muttersauen, bei der die Grünen auf Bundesebene mit ihren Forderungen wieder einmal deutlich über das Ziel hinausgeschossen sind und Forderungen in den Raum gestellt haben, die sogar Öko-Standards übertreffen. Die Zahl der schweinehaltenden bäuerlichen Familienbetriebe wird bei uns weiter zurückgehen, da diese kleinen Betriebe – bio und konventionell – die erforderlichen Investitionen vielfach nicht werden stemmen können. Die Forderungen der Grünen spielen vor allem den industriellen Großerzeuger in Nord- und Ostdeutschland in die Karten. Wer Agroindustrie will, der muss genau solche Forderungen aufstellen.

Seit einem Jahr ist der Neckar-Odenwald-Kreis eine von neun Bio-Musterregionen in Baden-Württemberg. Wie bewerten Sie die Entwicklung der hiesigen Bio-Musterregion?

Die Arbeiten sind gut angelaufen, und die Strukturen sind geschaffen. Ich bin sehr zufrieden mit der Arbeit der Akteure vor Ort, und ich bin sicher, dass wir noch viel Positives erwarten dürfen.

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