Ein besonderes Datum für die KZ-Gedenkstätte Neckarelz
Großer Häftlingstransport kam am 23. Juli 1944 an - Hausmeisterfamilie half heimlich

Im Hintergrund links ein früher als Baracke genutztes Gebäude. Davor erklären Dorothee Roos (l.) und Arno Huth (r.) das Lager Neckarelz II. Foto: Brunhild Wössner
Neckarelz. (brw) Der 23. Juli ist für die KZ-Gedenkstätte in Neckarelz ein besonderes Datum. An diesem Tag kam 1944 der größte Häftlingstransport mit 1000 Häftlingen aus dem KZ Dachau an. Und da das jetzt genau 75 Jahre her ist, hatte die KZ-Gedenkstätte Neckarelz zu einer Gedenkveranstaltung eingeladen, bei der die Lage des zweiten Barackenlagers in Neckarelz in Augenschein genommen werden sollte. Luftbildkopien machen die räumlichen Verhältnisse deutlich.
Die Lage des ersten Lagers, in dem inzwischen die KZ-Gedenkstätte eine Heimat gefunden hat, ist weithin bekannt. Der genaue Ort des zweiten Lagers in der Nähe des alten Neckarelzer Bahnhofs dagegen weniger. Bis heute sind dort Gebäude erhalten, die als Baracken gedient haben. Die Häftlinge waren als Arbeitskräfte für die Firma "Goldfisch" angefordert worden, die in den Stollen am anderen Neckarufer ihre Produktionsstätte hatte.
Wegen der Nähe zu den Arbeitsstätten entwickelte sich das Lager "Neckarelz II", wie Dorothee Roos, Vorsitzende des Vereins KZ-Gedenkstätte, es bezeichnete, zum eigentlichen Hauptlager in Neckarelz. Arno Huth, Vorstandsmitglied der Gedenkstätte, hatte recherchiert, dass Ende Juli 1944 die Lager in Neckarelz und Neckargerach mit über 2600 Häftlingen belegt waren. Um die Häftlinge unterzubringen, hatte man Neckarelz II einfach aus dem Boden gestampft.
Eine beträchtliche Anzahl dieser neu angekommenen Häftlinge waren Franzosen, die die Gestapo als Widerstandskämpfer verhaftet hatte. Sie waren zuvor mit dem "train de la mort", wie er in Frankreich genannt wird, dem sogenannten Todeszug von Compiègne nach Dachau transportiert worden. Er war während der sommerlichen Hundstage bei extremer Hitze unterwegs und ist in Frankreich heute noch Gegenstand des nationalen Gedenkens. Denn auf dieser Reise starben mehrere hundert Menschen, die in 22 Viehwaggons transportiert worden waren. Einer der jetzt noch drei Überlebenden ist der inzwischen 96 Jahre alte Jean Samuel, der seinerzeit 20 Jahre war. In einem Interview mit Schülern beschrieb er, wie er buchstäblich auf drei Leichenschichten in diesem Zug saß.
Da der Transport von Dachau nach Neckarelz dann in Personenzügen erfolgte, hatte das Hoffnung auf bessere Zustände im Lager gemacht. Dazu machte die Umgebung von Neckarelz den Eindruck "des ländlichen Friedens", so die Aufzeichnungen eines Häftlings. Diese Hoffnung erwies sich jedoch als trügerisch. Häftlinge berichteten von Willkürherrschaft der Lagerleitung Neckarelz II, feuchten Wänden, Läusen und rauchenden Öfen. Roos ging dann im einzelnen auf Insassen dieses Lagers ein und zog Querverbindungen zu ihren historisch bedeutsamen Hinterlassenschaften. So übergab Dr. André Gaillard, einer der drei noch lebenden Zeitzeugen, der Gedenkstätte zur Eröffnung einen Schlagstock, den die Bewacher benutzt hatten.
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Zum Abschluss lüftete Roos noch ein kleines Geheimnis. Der 23. Juli 2011 ist der Todestag von Ilse Pusch, geborene Horber. Als Tochter des Hausmeisterehepaars Horber hatte sie die Zustände im Lager Neckarelz I lange Zeit hautnah mitbekommen. Ihre Familie entwickelte mit der Zeit eine zunehmende Affinität zu den Häftlingen. Das ging so weit, dass sie auf dem Dachboden der Schule mehrere versteckte Gefangene heimlich ernährte, wodurch sie sich selbst in Gefahr brachte. Aus diesem Anlass waren auch Magarete Horber, Ehefrau von Hans-Peter Horber, dem Halbbruder von Ilse, sowie Michael Pusch, der Sohn von Ilse Pusch, gekommen. Auch an ein internes Jubiläum erinnerte Roos: Am 23. Juli 2004 hatte eine Menschenkette bestehend aus 2000 Schülern die Lager Neckarelz I und Neckarelz II symbolisch verbunden. Außerdem wurde die Gedenkstätte in Natzweiler am 23. Juli 1960 eingeweiht.