Altersfeststellung in 24 Stunden

Untersuchungen sollen in Heidelberg gebündelt werden (Update)

Das Land ordnet die Registrierung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen neu

12.06.2018 UPDATE: 13.06.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 13 Sekunden

Flüchtlinge im ehemaligen Patrick-Henry-Village. Archiv-Foto: Rothe

Stuttgart. (dpa-lsw) Baden-Württemberg will die Altersfeststellung von jungen, unbegleiteten Flüchtlinge neu regeln und zentralisieren. Während die Jugendämter bislang grundsätzlich für die Altersbestimmung zuständig sind, sollen sie künftig eng mit den Ausländerbehörden zusammenarbeiten.

Das Alter eines jungen Flüchtlings soll möglichst innerhalb eines Tages und an einem zentralen Ort geklärt werden, wie Sozialminister Manne Lucha (Grüne) sagte. Innenminister Thomas Strobl (CDU) sagte, dieser werde das Ankunftszentrum im Patrick-Henry-Village in Heidelberg sein.

Im Zweifel sollen medizinische Untersuchungen wie die umstrittenen Röntgenaufnahmen möglich sein. Verweigern sich die Betroffenen solchen Untersuchungen, sollen sie automatisch als volljährig gelten.

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke bezweifelte aber, dass das geplante neue Konzept rechtssicher ist. Nach einschlägigen Gerichtsurteilen müssten junge Flüchtlinge, die sich der genauen Altersfeststellung verweigerten, so lange als minderjährig eingestuft werden, bis das Gegenteil bewiesen sei. Deshalb sei eine grundsätzliche Änderung der Rechtslage nötig. Rülke forderte die Landesregierung zu einer Bundesratsinitiative auf.

Lucha lehnte den Gang über die Länderkammer ab - dieser Weg dauere deutlich zu lange. Innenminister Strobl sagte, er sehe keine Rechtsprobleme bei dem nun geplanten Konzept. Hintergrund der angestrebten Neuregelung ist eine ganze Reihe von Fällen im Südwesten, bei denen junge Menschen als minderjährig geführt wurden, obwohl sie - wie sich später herausstellte - deutlich älter waren.

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So hätten Ermittlungen des Landeskriminalamtes in Mannheim ergeben, dass von 20 straffälligen angeblichen minderjährigen Ausländern 19 falsche Angaben zum Alter gemacht hätten, sagte Strobl. "Ihr tatsächliches Alter lag zwischen 18 und 28 Jahren."

Der AfD-Abgeordnete Daniel Rottmann bekräftigte, dass seine Fraktion eine standardmäßige medizinische Altersfeststellung bei jungen Flüchtlingen fordert. Der SPD-Abgeordnete Rainer Hinderer fragte, ob das Ankunftszentrum in Heidelberg überhaupt genügend Personal für die neuen Aufgaben habe. FDP-Fraktionschef Rülke warf der grün-schwarzen Landesregierung vor, das neue Konzept zur Altersfeststellung wegen der aktuellen Landtagsdebatte mit heißer Nadel gestrickt zu haben.

Der Heidelberger Oberbürgermeister Eckart Würzner (parteilos) mahnte, das Jugendamt und die Ausländerbehörde seiner Stadt dürften durch die Verfahrensänderung nicht zusätzlich belastet werden. Keinesfalls dürfe die Situation entstehen, dass die Stadt Heidelberg plötzlich das Alter bei allen unbegleiteten jungen Flüchtlingen im Land feststellen oder sie sogar vorläufig in Obhut nehmen müsse. "Das wurde so vom Land auch bereits zugesagt", sagte Würzner.

Nach den Eckpunkten der beiden zuständigen Minister Lucha und Strobl sollen junge, unbegleitete Flüchtlinge unverzüglich zur Altersfeststellung ins Ankunftszentrum Heidelberg gebracht werden. "Dort erfolgt die Registrierung und erkennungsdienstliche Behandlung und es wird in einem zwischen Jugendamt und Ausländerbehörde abgestimmten Vorgehen die Altersfeststellung durchgeführt", heißt es.

Lässt sich das Alter nicht anhand von Papieren zweifelsfrei klären, betrachten die Jugendamtsmitarbeiter die Flüchtlinge genauer und befragen sie. Die Ausländerbehörde wird über das Ergebnis informiert und kann den Flüchtling bei Bedarf selbst befragen. Bleiben weiter Zweifel, kann am Ende die medizinische Untersuchung stehen.

Das Röntgen zur Altersfeststellung ist aber umstritten. Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, hatte vor mehreren Monaten erklärt, das Röntgen des Handgelenks ohne medizinische Notwendigkeit sei ein "Eingriff in die körperliche Unversehrtheit".

Wie Minister Lucha erklärte, wurden zum Stichtag 8. Juni 2018 insgesamt 6547 junge, unbegleitete Flüchtlinge in Baden-Württemberg von den Jugendämtern betreut, versorgt und untergebracht. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sind minderjährig. Wenn sie ohne Begleitung eines für sie verantwortlichen Erwachsenen in die Europäische Union einreisen, gelten sie nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) als unbegleitete Minderjährige.

Update: 13. Juni 2018, 17.23 Uhr

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