Oberzent

Hessen bekommt eine neue Stadt

Beim Gründungsakt am Dienstagabend wurde Lob ausgesprochen für den Willen zu Veränderung und die Zukunftsorientierung

21.12.2017 UPDATE: 22.12.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 29 Sekunden

Der hessische Innenminister Peter Beuth verleiht den "Hessischen Verdienstorden am Bande" an die vier scheidenden Bürgermeister: (v.l) Egon Scheuermann, Hans-Heinz Keursten, Gottfried Görig und Thomas Ihrig. Foto: Renate Zimmer

Von Renate Zimmer

Beerfelden. Am 1. Januar 2018 wird die geplante freiwillige Fusion von Beerfelden, Rothenberg, Sensbachtal und Hesseneck Wirklichkeit. Die neue Stadt "Oberzent" hat 10125 Einwohner, 19 Stadtteile und wird nach Frankfurt und Wiesbaden die drittgrößte Gemeinde Hessens sein - flächenmäßig.

Durchaus festlich ging es daher zu beim offiziellen Festakt mit Sektempfang, anschließender Bewirtung, Mitwirkung der Gammelsbacher Blaskapelle und launiger Moderation von Johannes Scherer - der übrigens darauf hinwies, dass es bereits einen Wikipediaeintrag zur neuen Stadt gibt.

Egon Scheuermann, bisheriger Bürgermeister der Gemeinde Sensbachtal und - bis zur Bürgermeisterwahl im April 2018 - Staatsbeauftragter der Stadt Oberzent, begrüßte den hessischen Innenminister Peter Beuth und den Landrat des Odenwaldkreises, Frank Matiaske. Stolz wies er auf die "Stärken und Qualitäten" der lokalen Strukturen hin und den reibungslosen Verlauf der von der Bevölkerung stark mitgetragenen freiwilligen Fusion. Er hob auch die Verdienste der beiden Hauptmoderatoren des Prozesses hervor, Thomas Fiedler von der Hessischen Hochschule für Polizei und Verwaltung und Christian Kehrer, Projektleiter "Freiwillige Fusion". "Wer nichts verändern will, wird auch das verlieren, was er bewahren möchte", zitierte er Gustav Heinemann.

Festredner Beuth verglich die Fusion mit einer Eheschließung, wobei der im Juli 2017 vom Land Hessen unterzeichnete Grenzänderungsvertrag einem Ehevertrag gleichkomme. Ebenfalls wie bei der Ehe gebe es einen neuen Namen, der aus "einem beispiellosen Beteiligungsprozess" der Bürger hervorgegangen sei und durch die Vermeidung aller bisherigen Gemeindenamen hervorhebe, dass es sich "nicht um eine Eingemeindung, sondern um eine Fusion auf Augenhöhe" handele.

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Beuth erzählte noch einmal die Geschichte des Fusionsprozesses, der 2012 mit einem Besuch bei der "trotz beeindruckender Leistungen" verschuldeten Kleinstgemeinde Hesseneck begann, für dessen Bürgermeister Thomas Ihrig weitere Sparmaßnahmen nur möglich waren, wenn er seinen eigenen Posten abschaffte. Schon damals waren die vier Gemeinden dabei, gemeinsame Strukturen zu entwickeln und entschieden Anfang 2015, eine "Machbarkeitsstudie" über einen möglichen Zusammenschluss in Auftrag zu geben. Schon hier wurden die Bürger mit eingebunden und deren Wünsche in der Studie mitberücksichtigt. Anschließende offene Diskussionen in Bürgerversammlungen der vier Gemeinden über das Ergebnis der Studie führten letztendlich zu überwältigenden 82,6 Prozent Zustimmung zur Fusion beim Bürgerentscheid März 2016. "Eine weitsichtige und zukunftsorientierte Entscheidung" und ein "historisches und einzigartiges Ereignis" nannte Beuth die freiwillige Fusion und war voll des Lobs für den Projektleiter Christian Kehrer, der derzeit einen "Leitfaden für freiwillige Gemeindefusionen" erstelle.

Symbolisch überreichte der Minister Egon Scheuermann, 4,5 Millionen Euro "Entschuldungshilfe" vom Land, was neben der Besserstellung im kommunalen Finanzausgleich und Ersparnisse durch den Wegfall von drei Bürgermeisterstellen erheblich zu den verfügbaren Finanzmitteln der neuen Stadt beiträgt.

Dann bekamen die vier scheidenden Bürgermeister den hessischen Verdienstorden verliehen für "Verdienste um die Fusion", da sie "nicht nur mit herausragendem persönlichem Engagement, sondern auch einzig auf das Gemeinwohl bedacht und in höchstem Maße uneigennützig" gehandelt haben.

Auch Frank Matiaske, Landrat des Odenwaldkreises, hob den "vorbildlichen Ablauf" der Fusion hervor und zitierte Willy Brandt: "Der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie zu gestalten." Er berichtete vom Zukunftsreport 2018 von Matthias Horx, der ein ganzes Kapitel seiner Studie der "progressiven Provinz" widmet und glaubt, dass sich "in den nächsten Jahren die Sehnsucht in Richtung Urbanität wieder umkehren und Dörfer, Kleinstädte und Regionen eine Renaissance erleben werden". Matiaske meinte, es hänge nun wesentlich davon ab, wie zukunftsorientiert die ländlichen Kommunen seien.

Zum Ende kam noch einmal die anstehende Wahl eines neuen Bürgermeisters zur Sprache und es meldete sich auch gleich eine Anwärterin zu Wort: Herta Wacker, dargestellt von der lokalen Komikerin Marlene Schwarz, "weil de Haushalt stimme soll", wie sie verkündete. "Isch heb de Haushalt vun de Pike uff gelernt", warb sie um den Posten und machte sich Gedanken über die mangelhafte Ausbildung von Politikern. In hessischer Mundart entwarf sie ihre recht eigenwilligen Pläne und erntete Riesenapplaus für ihre Forderung "ein Fusionsbier ist ein Muss". Das mit dem Bier bleibt unklar, aber ab dem 1. Januar gibt es zwei Sonderbriefmarken für die Stadt Oberzent, eine davon mit dem neuen Wappen.

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