Erste freiwillige Gemeindefusion soll geräuschlos über die Bühne gehen
"Beauftragter" Eugen Scheuermann sagt, was er als Übergangsbürgermeister der Stadt Oberzent tut

Das Rundfenster wirkt wie ein noch leerer, o-förmiger Bilderrahmen für den künftigen Bürgermeister der Stadt Oberzent - Sensbachtals Bürgermeister Eugen Scheuermann (hier vor seinen vier Sensbachtaler Amtsvorgängern) managt als Staatsbeauftragter ab 1. Januar 2018 den Übergang, ähnlich wie Wilhelm Boxberger (li.) 1971. (siehe nebenstehenden Text). Foto: Hüll
Von Felix Hüll
Stadt Oberzent. In Darmstadt hat der hessische Staatsminister Peter Beuth Vertretern der vier Oberzentgemeinden Beerfelden, Rothenberg, Sensbachtal und Hesseneck die Genehmigungsurkunde für Namen und Stadtrechte ihres künftigen Zusammenschlusses überreicht. Das Regierungspräsidium hat den dafür erforderlichen Grenzänderungsvertrag genehmigt. Auf Vorschlag der vier Kommunen ernannte Regierungspräsidentin Brigitte Lindscheid den Sensbachtaler Bürgermeister Eugen Scheuermann zum "Beauftragten" und seinen Beerfeldener Amtskollegen Gottfried Görig zum Stellvertreter. Seine Aufgaben und nächsten Schritte erläutert Scheuermann im Interview.
Welche Bedeutung hat diese erste freiwillige Fusion in Hessen?
Für uns ist es ein ganz wesentlicher Schritt, um uns zukunftsfähig aufzustellen in der Oberzent. Hesseneck und Sensbachtal sind die zwei kleinsten Gemeinden Hessens. Der Rückgang der Einwohnerzahlen und der demografische Wandel bedeuteten weniger Zuweisungen aus dem Finanzausgleich, und mit zwei Teilzeitkräften waren künftige Verwaltungsaufgaben nicht mehr darstellbar.
Besonders in Rothenberg geht die Sorge um, dass man als Zahlmeister für Ihre Finanzsorgen benötigt wird. Was sagen Sie diesen Oberzent-Bürgern?
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Ja, trotz der umfangreichen Bürgerbeteiligung ist immer noch eine gewisse Spannung da. Wir werden jetzt daran gemessen werden, wie wir die Dinge einhalten, die wir versprochen haben, als wir um die Zustimmung zur Fusion geworben haben. Alle Bürgerinnen und Bürger werden von der Fusion Vorteile haben.
Wie geht’s nun weiter?
Nachdem die Genehmigung des Grenzänderungsvertrags seitens des RP erfolgt ist, haben wir ein endgültiges Verfahren. Jetzt sind wir in Gesprächen mit den Mitarbeitern. So war zuletzt der Bauhof dran. Das Kindergartenpersonal trifft sich schon regelmäßig. Jeden Mittwoch sind jetzt die Rathäuser geschlossen für Gespräche, Workshops oder Fortbildungen der 33 Beschäftigen in den vier bisherigen Kommunen.
Es gilt, neue Strukturen zu finden, diese dann den räumlichen Gegebenheiten anzupassen und Stellen sowie Räume den Aufgaben zuzuordnen. Wir wollen das gemeinsam mit den Beschäftigten umsetzen.Es soll ja alles am 1.1. für den Bürger geräuschlos übergehen ohne dass er besondere Schwierigkeiten hat, etwa dass unklar ist wer dann für bestimmte Dinge zuständig ist wie ’wo bekomme ich meinen Personalausweis?’ oder ’Wo melde ich mein Kind im Kindergarten an?’.
Was genau ist Ihre Aufgabe als "Staatsbeauftragter"?
Ganz einfach. Da noch kein gewählter Bürgermeister im Amt ist, bin ich beauftragt, kommissarisch die Dienstgeschäfte einer solchen Person zu führen, bis da jemand da ist. Wir haben die Wahlen vereinbart auf den 29. April 2018 - besetzt werden da die Stadtverordnetenversammlung, das Amt des Bürgermeisters und auch die Posten der 79 Mitglieder in den 13 Ortsbeiräten. Letztere wird es neu in Rothenberg, Sensbachtal und Hesseneck geben, Beerfelden hatte bereits welche.
Sie sprechen von der Verwaltung. Und wie verändern sich die politischen Institutionen der vier Gemeinden?
Die CDU war die erste. Seit drei Jahren gibt es einen Ortsverband Oberzent. Auch Grüne und Freie Wähler haben sich bereits zusammengeschlossen, und auch die SPD hat Gespräche dazu begonnen. Die bisherigen Parlamentarier bilden ab 1.1.2018 die Oberzent-Stadtverordnetenversammlung mit dann erst mal über 50 Mitgliedern statt der nach der Wahl vorgesehenen 37. Die Bürgermeisterkollegen treten zum Jahreswechsel in den einstweiligen Ruhestand, gehören aber dem auch aus allen vier Gemeinden gebildeten Magistrat mit an.
Hessenecks Bürgermeister Thomas Ihrig wird Interesse an der Kandidatur für das Amt des Oberzent-Bürgermeisters nachgesagt. Sie zählen zu den Freien Wählern - stellen Sie einen eigenen Kandidaten auf?
Die Bürgermeisterstelle wird erst Anfang 2018 öffentlich ausgeschrieben. Thomas Ihrig hat schon erklärt, dass er Interesse an einer Kandidatur hat und wird wohl ausloten, wer ihn alles dabei unterstützen möchte. Er ist ja Sozialdemokrat. Ob die Freien Wähler jemanden ins Rennen schicken, kann ich nicht sagen, das werden die nächsten Gespräche zeigen oder ob Ihrig sich auch hier vorstellen wird und sich erkundigt, ob man seine Kandidatur mit trägt.
Welche Berührungspunkte hat die neue Stadt Oberzent mit dem Nachbarn Eberbach? Sind Veränderungen zu erwarten?
In Hesseneck läuft die gesamte Entwässerung über Eberbach, auch Teile von Beerfelden sind an die Eberbacher Kläranlage angeschlossen. An den Sätzen wird sich durch die Fusion nichts ändern, weil ja die angeschlossenen Haushalte gleich bleiben. Wir wollen aber durch die größere Einheit intern für unsere Bürger die Gebührensätze so niedrig wie möglich halten. In diesem Bereich versuchen wir Synergien zu ziehen, um die Kosten senken zu können.
Für Eberbach bleibt mit der Stadt Oberzent in der Nachbarschaft also alles beim Alten?
Für uns bietet Eberbach insbesondere von Sensbachtal und Hesseneck aus von der Erreichbarkeit her wie Beerfelden Einkaufsmöglichkeit, Arbeitsplätze und Zugang zur S-Bahn Rhein-Neckar. Es ist für uns ein wichtiges Ziel, uns in Richtung Baden-Württemberg bekannt zu machen. Wir haben es nach Heidelberg und Mannheim oder nach Mosbach nicht weiter als nach Darmstadt und Frankfurt. So will auch der Odenwaldkreis der Metropolregion Rhein-Neckar beitreten, um dort mehr wahrgenommen zu werden. Und wir in der Oberzent wollen verdeutlichen, dass man bei uns attraktiv wohnt .Ein erschlossener Bauplatz bei uns ist mit 25 bis 30 Euro pro Quadratmeter günstig zu haben. Rothenberg erschließt jetzt ein Neubaugebiet, das Altschulzenfeld.
Die Oberzent bleibt aber eine ländlich gelegene Stadt, zu deren Teilen man erst mal in die Odenwaldtäler hineinfahren muss. Bleibt das nicht auch dem neuen kommunalen Gebilde als Handicap?
Klar ist, dass man ohne eigenen Pkw im ländlichen Raum nur schwer mobil ist. Durch das Niedrighalten von Kosten wollen wir die Möglichkeit schaffen, dass man sich in Familien die erforderlichen Autos auch leisten kann. Und der ÖPNV ist für uns ein Thema. Der Odenwaldkreis ist mit ’garantiert mobil’ an den Start gegangen, haben ein Vermittlungsportal für Mitnahmefahrten, und es gibt die Taxi-Ersatzfahrten. Davon verspreche ich mir deutliche Verbesserungen in der Oberzent.