Heidelberg

Bei schmerzhaften Einsparungen darf es "keine Tabuthemen geben"

Laut Stadtkämmerer Wolfgang Polivka muss die Stadt alle Sparpotenziale nutzen. Das Regierungspräsidium macht strenge Vorgaben.

05.09.2025 UPDATE: 05.09.2025 04:00 Uhr 3 Minuten, 19 Sekunden

Abendansicht auf Heidelbergs Altstadt. Archivfoto: dpa

Interview
Interview
Wolfgang Polivka
Stadtkämmerer von Heidelberg

Von Holger Buchwald

Heidelberg. Die Stadt Heidelberg muss in diesem Jahr große Anstrengungen unternehmen, um weitere 30 Millionen Euro einzusparen. Stadtkämmerer Wolfgang Polivka informierte am Donnerstagmorgen die Gemeinderatsfraktionen, dass das Regierungspräsidium Karlsruhe (RP) den städtischen Haushalt nicht genehmigt hat. Im RNZ-Interview erklärt er die Details und die Konsequenzen.

Herr Polivka, das Regierungspräsidium verbietet der Stadt Heidelberg, Kredite aufzunehmen. Wie haben Sie den Gemeinderatsfraktionen diese Botschaft verkündet?

Es ging noch nicht um Vorschläge, sondern um die nackten Tatsachen: dass wir vom Regierungspräsidium keine Kreditermächtigung mehr bekommen und auch keine neuen Verpflichtungen mehr eingehen dürfen, wenn wir unsere Finanzsituation nicht umgehend und nachhaltig verbessern. Ich gehe davon aus, dass wir hierzu noch in diesem Jahr mindestens 30 Millionen und im nächsten Jahr mindestens 40 Millionen Euro einsparen müssen.

Das Regierungspräsidium möchte, dass wir schnell alle unsere Aufgaben genau betrachten: dass wir die freiwilligen Leistungen kürzen und auch bei den Pflichtaufgaben genau hinschauen, ob wir den Standard nicht zurückfahren können. Wir haben einen enormen Handlungsdruck und müssen an allen möglichen Ecken und Enden Geld sparen.

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Was bedeutet das für das laufende Geschäft?

Das heißt, es dürfen nur noch die Ausgaben getätigt werden, zu denen wir gesetzlich oder vertraglich verpflichtet sind oder die zu speziellen Bereichen wie der Gefahrenabwehr oder der Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs gehören. Alle neuen Investitionen, auch in große Bauprojekte, sind erst einmal gestoppt, weil wir diese ja über Kredite finanzieren müssen. Uns geht es jetzt darum, vor allem die laufenden Baumaßnahmen zu Ende zu führen.

Was sind da die größten Batzen?

Da geht es zum Beispiel um den Umbau der Dossenheimer Landstraße und die Sanierung der Montpellierbrücke. Die wollen und müssen wir zu Ende führen. Mit Bauruinen wäre niemandem geholfen.

Ich dachte, das wäre bereits ausfinanziert.

Nein, auch dafür müssen wir noch Kredite aufnehmen. Momentan läuft die Auszahlung über Kassenkredite, das entspricht den Dispokrediten in einem Privathaushalt – das heißt, wir überziehen unsere Konten. Was wir aber benötigen, sind ordentliche Kreditermächtigungen. Die benötigen wir übrigens auch für zukünftige Projekte, wie den Ausbau der Ganztagsbetreuung an Schulen.

Oder die Schulsanierungen.

Es geht da eher um den Bau von Mensen, die wir für die Ganztagsbetreuung vorgesehen haben. Das Regierungspräsidium hat uns deutlich darauf hingewiesen, dass wir erst wieder Kreditermächtigungen bekommen, wenn wir unser Haushaltsergebnis ordentlich verbessern.

Was heißt das jetzt für die Zuschussempfänger im sozialen und kulturellen Bereich? Ich nehme an, dass die Zuschüsse auf dem Niveau von 2024 eingefroren werden, weil das so vertraglich geregelt ist?

Da müssen wir ein wenig differenzieren. Die Träger, die Bescheide erhalten, wissen um eine Fünf-Prozent-Klausel. Das heißt, wenn der Haushalt nicht vom Regierungspräsidium genehmigt wird, können deren Zuschüsse um fünf Prozent gekürzt werden. So weit sind wir aber noch nicht, das müssen wir mit den Gemeinderatsfraktionen diskutieren. Das RP verlangt aber von uns, auch darüber zu reden.

Werden aktuell frei werdende Personalstellen bei der Stadt Heidelberg nachbesetzt?

Nein. Aktuell gilt ein Einstellungsstopp mit nur wenigen Ausnahmen für besonders spezielle Bereiche. Stellen werden zumindest für eine gewisse Zeit nur nachbesetzt, wenn dies unvermeidbar ist.

Wie sieht es mit den städtischen Gesellschaften wie den Stadtwerken aus: Sind diese auch schon von der Entscheidung des RP betroffen?

Auch diese sind in den Prozess zur Haushaltskonsolidierung einzubeziehen. Das ist eine explizite Aufforderung des Regierungspräsidiums. Das heißt, wir werden an die Wirtschaftspläne dieser Gesellschaften die gleichen Maßstäbe anlegen müssen wie für den städtischen Haushalt.

Sind wir dann schon so weit, dass wir bald über die Schließung von Schwimmbädern reden müssen, oder von Turnhallen, weil diese zu teuer im Unterhalt sind?

Es darf bei den Einsparungsbemühungen keine Tabuthemen mehr geben. Wir müssen uns in allen Bereichen fragen, was wir uns leisten können, und was wir vielleicht anders organisieren müssen, um es effizienter zu gestalten. Eines will ich hier aber auch mal betonen: Wir unterscheiden uns bei solchen Fragestellungen in keiner Weise von anderen Städten in Baden-Württemberg. Und da lese ich immer wieder von reduzierten Öffnungszeiten, aber nicht von kompletten Schließungen.

Haben Sie Verständnis für die Haltung des Regierungspräsidiums?

Wir sind in unserer Sichtweise gar nicht so weit voneinander entfernt. Auch wir wollten ja den Haushalt strukturell komplett neu aufstellen, wollten uns dafür aber mehr Zeit lassen – bis 2030. Das Regierungspräsidium will aber, dass wir diesen Weg viel schneller gehen.

Heißt das also, dass jetzt alle Beschlüsse des Doppelhaushaltes obsolet sind – inklusive Absenkung des Gewerbesteuersatzes und der Höhe der Tourismusabgabe, die zum 1. Oktober eingeführt wird?

Nein. Das Regierungspräsidium zwingt uns zum Handeln, es zwingt uns aber keine konkreten Maßnahmen auf.

Wie geht es jetzt weiter?

Wir werden jetzt recht schnell Beschlussempfehlungen ausarbeiten und diese am 24. September dem Haupt- und Finanzausschuss und am 8. Oktober dem Gemeinderat vorlegen. Jetzt wird das Thema öffentlich und es werden viele Fragen aufkommen, die wir zumindest zum großen Teil im Moment noch nicht beantworten können. Dafür brauchen wir politische Beschlüsse.

Könnte es auch weitere Einschränkungen im Nahverkehr geben?

Wie gesagt, es darf aus meiner Sicht keine Tabuthemen geben, auch wenn jeder Bereich für sich wichtig ist.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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