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Einigung im Streit um Kostüm-Show des Awo-Balletts

Mehreren Kostümen wird "klischeehafte Darstellung" und "kulturelle Aneignung" vorgeworfen. Ein Gespräch zwischen den Beteiligten bringt am Montagabend einen Kompromiss.

17.04.2023 UPDATE: 18.04.2023 08:20 Uhr 3 Minuten, 59 Sekunden
Bei ihrer getanzten Weltreise machen die Awo-Damen auch in Mexiko Station. Dazu tragen sie Poncho und Sombrero. Das stößt bei den Organisatoren der Buga allerdings auf wenig Gegenliebe. Jetzt soll eine Lösung gefunden werden. Foto: Awo

Mannheim. (dpa) Lange geplant, noch länger geprobt, dann stand kurzzeitig alles auf der Kippe - doch das Awo-Ballett Rheinau aus Mannheim hat sich im Streit um angebliche kulturelle Aneignung nun mit der Bundesgartenschau geeinigt. "Ein gutes Gespräch, ein gutes Ergebnis", so lasse sich das Treffen am Montagabend zwischen Vertretern der Awo und der Buga zusammenfassen, teilte eine Buga-Sprecherin am Montagabend mit. An dreien der ursprünglich sechs beanstandeten Kostüme werde es Veränderungen geben.

Hintergrund des Disputes war, dass die Buga-Verantwortlichen kurz vor dem ersten Auftritt der Seniorinnen-Gruppe Bedenken angemeldet hatten wegen klischeehafter Kostüme, die zu sehr kulturelle Stereotype bedient hätten. Die monierten Kostüme hatten in der Show bestimmte Länder symbolisieren sollen. Die Show stand daraufhin auf der Kippe. "Wir zeigen die Show entweder ganz oder gar nicht", hatte die Chefin und Gründerin der Awo-Truppe, Erika Schmaltz, schon zuvor betont.

"Wir sollen die spanischen Flamenco-Kostüme, den orientalischen Tanz, den mexikanischen Tanz mit Sombreros und Ponchos, den japanischen Tanz mit Kimonos, den indischen mit Saris und den ägyptischen Tanz, in dem wir als Pharaoninnen verkleidet sind, nicht zeigen", hatte Schmaltz gesagt. Zuvor hatte der "Mannheimer Morgen" darüber berichtet.

Mitgeteilt worden sei der Truppe dies erst am vergangenen Mittwoch - "obwohl wir die sieben Termine für die Show auf der Buga schon vor Weihnachten von der Buga bekommen hatten", hatte Schmaltz gesagt. Wie es zur Entscheidung der Verantwortlichen gekommen sei, wisse sie nicht. Auch kenne sie die genaue Begründung nicht.

Nun haben die Seniorinnen Zugeständnisse gemacht und werden doch auftreten. "Aus den Pharaonen werden ägyptische Arbeiter, den Mexikanern reicht der Poncho und die Asiatinnen werden moderner", hieß es in der Buga-Mitteilung am Abend weiter. "Uns war wichtig, etwas Konstruktives mitzunehmen", sagte Fabian Burstein, Leiter der Kulturveranstaltungen der Buga 2023.

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Außerdem würden die Auftritte auf die Hauptbühne verlegt und im Nachgang durch Diskussionsveranstaltungen begleitet. "Ich freue mich, dass wir ein konstruktives Gespräch mit der Buga 23 führen konnten", sagte Alexander Manz, Geschäftsführender Vorstand des AWO-Kreisverbandes Mannheim. Man sei so dem ehrenamtlichen Einsatz der AWO-Seniorinnen gerecht geworden, ohne die Sensibilität für Vielfalt aus den Augen zu verlieren.

Das Awo-Ballett gibt es seit 42 Jahren. Dabei treten die Frauen zwischen 59 und 85 Jahren ehrenamtlich etwa in Altenheimen oder auf Straßenfesten auf.

In der nun diskutierten Show waren unter dem Motto "Weltreise mit dem Traumschiff" verschiedene Tanzeinlagen mit insgesamt 14 verschiedenen Kostümen geplant gewesen. Das AWO-Ballett war nach der Kostümkritik mit Anrufen und ermutigenden Zuschriften überschwemmt worden, sagte Schmaltz.

Die Frauen hatten in den letzten sechs Monaten für das Event trainiert, die Kostüme sind selbst genäht. Die Idee für diese Show stammte nach Worten von Schmaltz schon aus dem Jahr 2020 - "aber dann kam Corona dazwischen", erzählte sie. Für die Buga habe man die Ballettshow wieder einstudiert und sie am vergangenen Samstag in einem Altenheim gezeigt. Die Leute seien begeistert gewesen.

Update: Dienstag, 18. April 2023, 8.19 Uhr


Zuviele Klischees? Wirbel um Poncho und Sombrero

Von Heike Warlich

Mannheim. Montag, kurz nach 12 Uhr. Erika Schmaltz will Mittagessen zubereiten. Doch daran ist nicht zu denken. Denn anderswo kocht es gerade gewaltig. Bei der Leiterin des Awo-Balletts aus dem Stadtteil Rheinau klingelt ständig das Telefon, seit am Wochenende bekannt wurde, dass die Verantwortlichen des Buga 23-Kulturprogramms offensichtlich ein Problem mit den Kostümen der tanzenden Seniorinnen haben und einige davon als "kulturelle und religiöse Stereotype zur Unterhaltung" einstufen.

Ihre "Weltreise mit dem Traumschiff" haben die 17 Damen im Alter von 60 bis 86 Jahren schon fürs 40. Jubiläum im Jahr 2020 mit viel Aufwand einstudiert. Dann kam Corona, das Programm lag auf Eis. Umso größer war die Freude über die Zusage, es im Rahmen der Bundesgartenschau bei mehreren Seniorenveranstaltungen präsentieren zu können. Doch zunächst sieht es nicht danach aus. Denn: "Ich behalte das Programm bei", sagt Schmaltz am Montagmittag.

Denn das gesamte Ballett sei in erster Linie verärgert über die Art und Weise des Umgangs. Vor Weihnachten schon waren den Seniorinnen die Auftrittstermine zugegangen. "Am Ostersonntag wurden wir aufgefordert, Fotos von den Kostümen zu schicken. Am Mittwoch erhielten wir die Nachricht, dass sechs davon nicht auf die Bühne kommen dürfen, unter anderem das Mexiko-Outfit mit Poncho und Sombrero, die Flamenco-Kostüme oder die Kimonos beim japanischen Tanz", skizziert Schmaltz den Ablauf.

Weil in der E-Mail keine Begründung angegeben wurde und die Truppe in die größtenteils selbst genähten Kostüme viel Zeit und Geld investiert hat, fragen sie nach und hören, dass es sich bei den beanstandeten Kostümen um "kulturelle Aneignung" handle. "Wir sind alle wie vor den Kopf gestoßen", sagt die Ballett-Leiterin. Dass die getanzte Weltreise durch verschiedene Länder und Kontinente in entsprechenden Outfits aufgeführt werde, liege ja wohl auf der Hand. Erika Schmaltz ist verärgert und ratlos und wendet sich an die Presse. Dann verselbstständigt sich die Geschichte: Die "Bild-Zeitung" berichtet von einem "Eklat bei der Bundesgartenschau".

Am Montagabend kommt schließlich eine Stellungnahme der Buga-Gesellschaft. Darin wird bestätigt, dass das Awo-Ballett sich im Rahmen des Beteiligungsprozesses für die Gestaltung des Buga-Kulturprogramms beworben hat. "Dieses Angebot fand die breit angelegte Jury sehr gut", heißt es. Die Kostüme seien zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt gewesen. Als diese vor wenigen Tagen vorgestellt wurden, seien vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion zur Sensibilität für kulturelle und religiöse Codierungen Bedenken an der Wirkung einiger Kostüme aufgekommen. Untersagt habe man den Auftritt jedoch zu keinem Zeitpunkt.

Fabian Burstein, Leiter des Buga-Kulturprogramms, bedauert, "dass Irritationen entstanden sind" und will nun eine "offene und auf wechselseitigem Verständnis ausgerichtete Diskussion" mit Mitgliedern des Awo-Balletts führen. Es gehe nicht um Verbote, sondern um einen reflektierten Umgang mit kulturellen Codes. Das Gespräch am Montagabend mit Vertretern von Awo-Kreisverband und Awo-Ballett sollte laut Burstein jedenfalls mit dem Ziel geführt werden, den Frauen "einen großartigen Auftritt bei der Buga 23 zu ermöglichen und gleichzeitig die Vielfalt der Kulturen erlebbar zu machen, ohne sie in einem missverständlichen Kontext zu setzen".

Ob das gelungen ist, stand bis Redaktionsschluss noch nicht fest. Das ganze Unterfangen ist jedenfalls derart aus dem Takt geraten, dass Awo-Kreisvorsitzender Alexander Manz und Buga-Geschäftsführer Michael Schnellbach sich persönlich eingeschaltet haben. Während die Buga-Verantwortlichen darauf verweisen, dass das Kulturprogramm auf das Leitbild der Stadt Mannheim abgestimmt ist, versichert Manz, dass der Awo-Kreisverband und seine Gliederungen – ob im Haupt- oder Ehrenamt – gemäß den bundesweit gültigen Statuten und Leitsätzen für Vielfalt und Toleranz stehen.

Update: Montag, 17. April 2023, 19.24 Uhr

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