Nach der Niederlage

Hoffenheims Coach will nicht mehr über Europa reden (plus Fotogalerie)

Trotz der Komplimente von "Don Jupp" können sich die anfangs starken Hoffenheimer nach dem 2:5 in München nichts kaufen

28.01.2018 UPDATE: 29.01.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 56 Sekunden

Verheißungsvoller Auftakt in der Allianz Arena: Mark Uth (2.v.l.) gelingt per Nachschuss die Führung. Am Ende freilich ging "Hoffe" noch mit 2:5 bei den Super-Bayern unter. Foto: APF

Von Joachim Klaehn

München. Zum ersten Mal saßen sie auf einem öffentlichen Podium nebeneinander. Hier "Don Jupp" Heynckes, der Grandseigneur der deutschen Trainerzunft vom Niederrhein, und dort Julian Nagelsmann, der freche Lausbub aus Oberbayern. Es war ein Bild, gemalt für die Ewigkeit - und wer weiß, vielleicht bleibt es ja auch die einzige Begegnung des ungleichen Duos, sollte der Rentner Heynckes seine Ankündigung wahr machen, dass es dies als Bayern-"Bankdirektor" für ihn im Sommer endgültig gewesen sei. Dazu muss er freilich der groß angelegten, gestarteten "Charmeoffensive" (Karl-Heinz Rummenigge) von Uli Hoeneß widerstehen.

Wie dem auch sei: Am Samstagnachmittag wurden die Säulen der Bayern-Welt wieder mal zurechtgerückt - durch ein letztlich souveränes 5:2 (2:2) für den Rekordmeister und Branchenkrösus aus München, der dem vermeintlichen "Angstgegner" TSG 1899 Hoffenheim eine Lektion auf höchstem Niveau erteilte.

Hintergrund

So spielten sie

Baumann: Vier Kisten gegen Bayer, fünf gegen Bayern. Der TSG-Torhüter erlebt gerade harte Zeiten. Unglücklich - zu passiv bei zwei Eckbällen.

Bicakcic: In der ersten Halbzeit der Schwachpunkt in

[+] Lesen Sie mehr

So spielten sie

Baumann: Vier Kisten gegen Bayer, fünf gegen Bayern. Der TSG-Torhüter erlebt gerade harte Zeiten. Unglücklich - zu passiv bei zwei Eckbällen.

Bicakcic: In der ersten Halbzeit der Schwachpunkt in der Defensive. Von Nagelsmann vor Rot geschützt.

Vogt: Schimpfte wie ein Rohrspatz. Ungewohnt anfällig. Beim 3:2 von Coman muss er näher am Franzosen dran sein.

Hübner: Wurde bei Boatengs 2:2 von Lewandowski geschubst. Klares Foul! Viel beschäftigt. Später ebenfalls akut gefährdet.

Kaderabek: Herkulesaufgabe im Eins-gegen-Eins mit Coman, Bayerns Bestem. Danach stets herzerfrischend ehrlich - und selbstkritisch.

Grillitsch: Muss an Präsenz zulegen. Technik allein reicht nicht.

Geiger: Fleißige Arbeitsbiene. Kein Vorwurf an den jungen Mosbacher.

Rupp: Viele Fouls. Überall von Rudy, Vidal und Co. umgeben.

Zuber: Im Duell mit Duracell-Männchen Robben tapfer.

Gnabry: Elfer rausgeholt, Elfer verschossen, schönes Tor erzielt. Punktuell stark - und zuweilen leider allzu schlampig.

Uth: Reagierte schneller als Süle und verwandelte den Nachschuss. Aber sonst? Kann wesentlich mehr.

Akpoguma: Für Bicakcic ins Abwehrbollwerk. Wie alle TSGler im zweiten Abschnitt im Dauerstress.

Kramaric: Wann platzt bei ihm endlich der Knoten? Unerklärlich blass.

Amiri: Wirkt nicht hundertprozentig fit. Kaum auf dem Rasen - und in dieser Phase fielen gleich das 3:2 und 4:2 für die Bayern. Undankbarer Job. jog

[-] Weniger anzeigen

Immerhin gab es nach dem unterhaltsamen Spektakel vor 75.000 Zuschauern in der Allianz Arena klitzekleine Erfolgserlebnisse für den Kraichgauklub und dessen Fußballlehrer. Jupp Heynckes jedenfalls verteilte, artig und ganz sportsmännisch, viele Komplimente an die "Nagelsmänner", die nach einer furiosen Anfangsphase durch die Tore von Mark Uth (3.) und Serge Gnabry (12.) fix und überraschend führten, dann aber teilweise fahrlässig noch die Gegentreffer von Robert Lewandowski (21.), Jérôme Boateng (25.), Kingsley Coman (63.), Arturo Vidal (66.) und Sandro Wagner (90.) kassierten. "Er hört das jetzt nicht gerne", sagte Heynckes (72) in Richtung Nagelsmann (30) empathisch, "aber der Gegner hat das sehr gut gemacht. Hoffenheim war richtig motiviert, gut organisiert und eingestellt und hat ein gutes Pressing gegen uns gespielt." Nagelsmann lauschte den Schmeicheleien - mit zwiespältigen Gefühlen. Denn natürlich hätte er sich eine andere Dramaturgie für sein Team gewünscht. "Jetzt darf ich Jupp sagen. Er hat mir das Du angeboten. Vor dem Spiel habe ich ihn noch gesiezt", berichtete Nagelsmann mit einem dezenten Schmunzeln, ehe er seine aufrichtigen "Glückwünsche an die Bayern" los wurde.

Nach der Pressekonferenz, im Stadionbauch und im kleinen Kreis, sollte der Tonfall merklich schärfer werden. Diese Niederlage nagte gewaltig an Nagelsmann, vor allem die Art und Weise ihres Zustandekommens. "Ärgerlich sind diese ganz billigen Standardtore", konstatierte der TSG-Cheftrainer. In der Tat: Bei zwei Eckbällen des Primus stimmte die kollektive Zuordnung und individuelle Gegenwehr überhaupt nicht, so dass Boateng und Vidal im Fünf-Meter-Raum unbedrängt einköpfen konnten. Mindestens genauso nervte Nagelsmann das Laissez-faire-Verhalten in aussichtsreichen Offensivaktionen. Symptomatisch dafür war eine Szene in der 56. Minute, als Gnabry und Uth plötzlich viel Raum und eine 2-1-Überzahl gegen Bayerns Abwehrboss Boateng vor dem Sechzehner hatten. Gnabrys schlampiger Pass vereitelte ein durchaus mögliches 2:3, was dem aufregenden Spielfilm mutmaßlich eine andere Note verliehen hätte. "Serges Können blitzt immer mal wieder auf", ächzte Nagelsmann, "aber es ist schon noch ein Weg für ihn, wenn er hier spielen will." Gemeint waren damit die Super-Bayern, die die Ausleihe des Tempostürmers am 30. Juni angeblich beenden möchten.

Wegen der bislang mageren Rückrunden-Ausbeute (ein Punkt, 4:10 Tore) driftete Nagelsmann ins Grundsätzliche ab. Man müsse jetzt nicht gleich über Abstiegskampf reden, aber eben schon gar nicht mehr über Europa, so der "Trainer des Jahres 2017" realitätsbetont. Was ihm nicht gefällt? "Bei uns sind nicht alle auf Topniveau", machte er den markanten Unterschied zum Vorjahr und Rang vier in der Endabrechnung aus, "wir schlüpfen immer wieder in die Opferrolle und bringen uns um die Gewinnermentalität." Wen er konkret damit meine?, hakte die RNZ nach. Das bliebe "intern", so Nagelsmann ausweichend.

Seit Samstag und dem FCB-Fünferpack ist klar, dass er alle Mannschaftsteile einbezieht. Die allgemeine Verunsicherung ist vorne wie hinten spürbar, schon mit Lewandowskis Anschluss zum 1:2 brachen die Dämme - und die ersten verheißungsvollen 20 Minuten verpufften buchstäblich, zumal an diesem Tag mehr für "Hoffe" drin gewesen wäre. "Wir haben diese Woche akribisch und überragend im Training gearbeitet", verriet Heynckes ein innerbetriebliches FCB-Geheimnis, "ich habe meine Jungs vor Hoffenheim gewarnt. Das ist eine sehr gute Mannschaft."

Für die jüngsten Lobeshymnen der Topteams aus Leverkusen und München können sich die Kraichgauer nichts kaufen. Wohltuend kritisch und dem Tableau angemessen meinte Pavel Kaderabek zur Lage der Liga aus TSG-Perspektive: "Wir müssen aufpassen, dass wir in der Mitte bleiben. Und dürfen nicht nach oben gucken." Schritt für Schritt wieder Leistung zeigen und Punkte ergattern, das scheint in der Krise die bestmögliche Herangehensweise zu sein.

TSG-Kapitän Kevin Vogt ("Wie wir die Tore gefangen haben, geht gar nicht!") drosch den Ball vor lauter Frust und Wut nach dem Abpfiff in den Münchner Himmel, der dank Altmeister "Don Jupp" voller Geigen hängt. Auch dies war vor den Augen von Heynckes, des Conférenciers der Bundesliga, ein symbolisches Bild - zum letzten Mal in dieser wechselhaften, mittelprächtigen Hoffenheimer Saison?

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.