1899 Hoffenheim

Ist Oliver Baumann doch ein Strafstoß-Spezialist?

Am Mittwoch gegen Köln oder im Elfmeterschießen im Pokal: Hoffenheims Keeper Oliver Baumann hat mehr Elfer gehalten als er denkt

29.05.2020 UPDATE: 30.05.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 46 Sekunden
Gehalten: Im August führte Oliver Baumann – hier bei seiner Parade gegen Würzburgs Fabio Kaufmann – die TSG Hoffenheim im Elfmeterschießen in die zweite Pokalrunde. Fotos: APF

Von Nikolas Beck

Heidelberg. Oliver Baumann ist ein bescheidener Mann. Warum wir zum Thema "50 Jahre Elfmeterschießen" ausgerechnet bei ihm anklopfen, versteht Hoffenheims Nummer eins nur bedingt. "Nee", winkt Baumann ab. Ein Elfmeter-Killer sei er wahrlich nicht. "Ich konnte sie in dieser Saison zwar ein bisschen aufpolieren, meine Bilanz ist aber sicher nicht die beste", schätzt Oli – und traut seinen Ohren nicht. Dass er im Laufe seiner Karriere bereits elfmal einen Strafstoß vereitelt hat, kann der 29-Jährige kaum glauben, will es genau wissen: "Wie viele waren drin?"

Wir klären gerne auf: Baumann hat im Eins-gegen-eins aus elf Metern 45 Mal den Kürzeren gezogen, also rund 20 Prozent aller Strafstöße gehalten. Ein solider Wert. Deutschlands Bester, Manuel Neuer, hält sogar jeden dritten. Dortmunds Roman Bürki dagegen nur 17 Prozent.

Dass Oli es kann, hat er erst am Mittwochabend bewiesen: Der 1. FC Köln hatte auf 1:3 verkürzt, da trat der ehemalige Hoffenheimer Mark Uth zum Strafstoß an. Baumann ahnte die Ecke, tauchte ab – und hielt die Kugel fest. Die spielentscheidende Szene? "Na ja", sagt Baumann, "die drei Tore waren schon auch entscheidend, Baumi (Anm.d.R. Christoph Baumgartner) hat ein super Spiel gemacht und die Haltung der ganzen Mannschaft hat gepasst." Freilich hätte ein verwandelter Elfmeter zum 2:3 Köln noch mehr Auftrieb gegeben, räumt der TSG-Torwart ein.

Oliver Baumann

Alfred Schreuder wusste, bei wem er sich zu bedanken hatte. "Ich habe direkt nach dem Spiel mit ihm gesprochen", verrät der "Hoffe"-Coach, der wissen wollte, wie sein Torhüter parieren konnte. "Er wusste, dass Uth im Spiel zuvor gescheitert war", berichtet Schreuder: "Das ist immer ein mentales Spiel zwischen Schütze und Tormann, total spannend."

Seit seinem Wechsel vom SC Freiburg in den Kraichgau vor sechs Jahren ist Baumann die unumstrittene Nummer eins bei "Hoffe". Dazu Publikumsliebling und Identifikationsfigur. Es passt aber einfach nicht zu seinem Naturell, die eigene Bedeutung zu überhöhen. Verunsichern könne man einen Schützen auf Bundesliga-Niveau nicht mehr. Das Geheimnis seiner Glanztat am Mittwoch: "Erst einmal die richtige Ecke ahnen, dann eine Mischung aus Timing und Explosivität – und natürlich ein bisschen Glück."

Vorbereitung steckt freilich auch ein wenig drin. Vor jedem Spiel sitzt der 20-fache Junioren-Nationalspieler mit Hoffenheims Torwart-Trainer Michael Rechner zusammen. Wer schießt beim Gegner in der Regel, wie verhält er sich beim Anlauf, gibt es Besonderheiten? Natürlich sei auch ein bisschen Statistik dabei, dazu ein paar Videosequenzen, verrät Baumann.

Ist der Elfer dann gehalten, werden bei einem Keeper Glückshormone freigesetzt. Der Wahl-Heidelberger vergleicht es mit dem Verhindern einer 100-prozentigen Torchance oder einem Treffer eines Stürmers. "Nur schade, dass wir nicht so exzessiv jubeln dürfen wie die Jungs vorne", schmunzelt Baumann und flachst: "Vielleicht sollte man nach einem gehaltenen Elfmeter auch mal eine Spielunterbrechung einführen."

Im September, als es für 1899 in der ersten Pokalrunde zu den Würzburger Kickers ging, war die Partie nach einer Baumann-Parade nicht nur unterbrochen, sondern beendet. Es war das erste Elfmeterschießen in Baumanns Karriere. Und auch hier wurde der Mann, der von sich selbst sagt, Strafstöße seien keine Spezialität von ihm, zum Held. "Das war der Klassiker", erinnert sich der Blondschopf: "Wir hatten das Spiel im Griff, aber zu wenig Tore geschossen." So war die Zitterpartie beim Drittligisten auch nach 120 Minuten noch nicht entschieden – und die Torhüter rückten in den Fokus.

Es heißt, im Elfmeterschießen haben die Keeper Gelegenheit sich auszuzeichnen, aber praktisch nichts zu verlieren. Baumann sieht das anders, sagt: "Tor ist Tor." Und Tore schmecken Schlussleuten nun mal nicht. Wenn man die richtige Ecke hat, dran ist, aber der Ball trotzdem im Netz zappelt, ärgere das immer noch ein bisschen mehr.

Beim Finale in Würzburg behielt der Ballfänger aus Breisach gegen Fabio Kaufmann und Hendrik Hansen gleich doppelt die Oberhand. "Danke, Oli!" titelte die RNZ. Und die Kollegen feixten: "Da wäre ich auch hingesprungen" oder "Den hätte ich auch gehalten" durfte sich der Matchwinner damals anhören. Das seien Momente in der Kabine, sagt Baumann, die eine Mannschaft zusammenschweißen und von denen ein Team in Zeiten von Corona und Sicherheitsabstand zehren muss. "So etwas fehlt aktuell natürlich", so Baumann, der schon bald auf weitere Feiertage hofft. Am liebsten international.

"Ich bin ein großer Fan davon, große Ziele zu haben – aber wir sollten weiter auf unsere Leistungen schauen." Angesichts von drei Zählern Rückstand auf Rang sechs laute die Devise: "Stabil werden und stabil bleiben."

Das gilt für "Hoffes" Ergebnisse und Baumanns Elfer-Bilanz gleichermaßen.

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