Wäre mit Ralf Rangnick bei 1899 Hoffenheim alles anders gekommen?

Ralf Rangnick im RNZ-Interview: Vielleicht hätte ich Sportdirektor bei der TSG werden sollen - Dickes Lob für den SV Sandhausen

02.11.2015 UPDATE: 03.11.2015 06:00 Uhr 3 Minuten, 11 Sekunden

Ralf Rangnick zu Markus Gisdol: Wer weiß schon, was in einem Jahr ist. Foto: dpa

Von Wolfgang Brück

Sandhausen. Joachim Stadler tat seinem früheren Chef gerne den Gefallen. Für Ralf Rangnick schloss der Leiter des Sandhäuser Nachwuchsleistungs-Zentrums in der Pause des Zweitligaspiels gegen RB Leipzig die Tür zu seinem Büro auf. Rangnick und mit ihm vier Assistenten gingen für ein paar Minuten in Klausur. So läuft das beim neuen Spitzenreiter der 2. Bundesliga. Vor der Ansprache kommt die Analyse. Auch und gerade in der Halbzeit.

"Ralf Rangnick war der beste Trainer, den ich hatte", meint Joachim Stadler, inzwischen 45 und selbst Fußballlehrer, "keiner kann so anschaulich wie er den Fußball erklären." Der ehemalige Abwehrspieler, dessen 18-jährige Zwillinge Etienne und Riccardo in der Sandhäuser U19 vom Vater trainiert werden, hatte sich vor knapp zwei Jahrzehnten schon auf einen Wechsel zum schottischen Erstligisten Aberdeen eingestellt. Dann rief Rangnick an. "Er hat mich davon überzeugt, dass er beim SSV Ulm etwas ganz Besonderes vorhat", erinnert sich Stadler. Der Bundesliga-Profi, der 99 Spiele für den 1. FC Kaiserslautern und Borussia Mönchengladbach vorweisen konnte, wechselte in die Regionalliga. Und feierte danach zwei Aufstiege. Mit der Ulmer Überraschungs-Elf kam Stadler zu weiteren 31 Bundesliga-Spielen.

Es war die Zeit, als aus dem Gymnasiallehrer Rangnick der Professor Rangnick wurde. Als dank eines überlegenen Systems kleine gegen große Vereine gewannen. Unvergessen ist, wie Ralf Rangnick im "Aktuellen Sportstudio" die Viererkette erklärte.

Auch Marvin Compper, der Rangnick schon in Hoffenheim als Trainer hatte, ist von dem Magier aus Backnang überzeugt. "Ralf Rangnick will unbedingt gewinnen", sagte der Nationalspieler am Sonntag nach dem 2:1-Erfolg in Sandhausen, "dieser Siegeswille überträgt sich auf die Mannschaft." Die RNZ sprach mit dem Aufstiegstrainer von 1899 Hoffenheim, der bei RB Leipzig für eine Saison auf die Bank zurückgekehrt ist.

Ralf Rangnick, seit Sonntag stehen Sie mit Ihrer Mannschaft an der Tabellenspitze der 2. Bundesliga. Jürgen Machmeier ist davon überzeugt, dass dies bis zum Ende der Runde so bleiben wird. Der Sandhäuser Präsident meint: Die Leipziger hält keiner mehr auf.

Dafür bedanke ich mich bei Herrn Machmeier. Doch ich gehe davon aus, dass es bis zum Schluss eine ganz enge Kiste um die ersten Plätze wird. Die Zweite Liga ist hart umkämpft - das weiß ich noch aus meiner Hoffenheimer Zeit. Man bekommt nichts geschenkt. Und zudem sind gegen Leipzig alle noch mal besonders motiviert.

Weil RB Leipzig zum Feindbild der Fans geworden ist?

Das ist nicht unser Thema. Die Anfeindungen sind aber schon deutlich geringer geworden, und es handelt sich auch nur um eine absolute Minderheit. Die Leute sollten wissen: Geld allein garantiert keinen Erfolg. Saarbrücken hatte mal einen der höchsten Etats und ist abgestiegen. Wir haben mit RB Leipzig die jüngste Mannschaft der 2. Bundesliga. Und einen Ken Gipson zum Beispiel, der gegen Sandhausen sein Zweitliga-Debüt gefeiert hat, hätten viele haben können. Wir haben ihn aus der U19 des VfB Stuttgart geholt.

Es war nicht vorgesehen, dass Sie mit 57 Jahren noch mal auf die Trainerbank zurückkehren. Gibt es nicht genügend gute Trainer oder sind Ihre Ansprüche zu hoch?

Weder das eine noch das andere ist zutreffend. Wir haben mit einigen Trainern gesprochen, aber am Ende hat es einfach nicht gepasst. Manche standen noch unter Vertrag und wollten ihren Verein nicht verlassen. Da spielt auch immer das richtige Timing eine Rolle.

Markus Gisdol, der in der vergangenen Woche in Hoffenheim entlassen wurde, war neben Thomas Tuchel auch ein Kandidat. Jetzt ist er frei. Wird er Ihr Nachfolger?

Ich kenne Markus lange und schätze ihn. Wer weiß heute schon genau, was in einem Jahr ist. Sicher ist bislang nur, dass ich nach dieser Saison als Trainer aufhöre. Ich glaube nach wie vor, dass es für die Weiterentwicklung von RB Leipzig besser ist, wenn ich mich als Sportdirektor um die strukturellen und personellen Dinge kümmere.

Noch heute schwärmen die Leute vom traumhaften Fußball, den Hoffenheim mit Ralf Rangnick im ersten Bundesliga-Jahr gespielt hat. Tut es weh, wie sich Ihr Ex-Verein entwickelt hat?

Ich bin zu weit weg, um Einzelheiten beurteilen zu können. Vielleicht wäre es aber rückblickend besser gewesen, wenn ich nach drei Jahren Trainer als Sportdirektor weiter gemacht hätte.

Der SV Sandhausen hat Erfolg, wenn er nicht gerade gegen Leipzig spielt. Obwohl am Hardtwald vieles anders ist als bei Ihren Vereinen. Es gibt keinen Psychologen, nur ein knappes Dutzend Mitarbeiter und statt zu fliegen, geht es mit den Bus zu den Auswärtsspielen.

Ich ziehe den Hut davor, was in Sandhausen mit einfachen Mitteln erreicht wurde. Am Hardtwald wird nun mal sehr gut gearbeitet. Die Mannschaft hat Charakter, aber durchaus auch individuelle Klasse. Aziz Bouhaddouz hat gegen uns viele Kopfball-Duelle gewonnen. Marco Thiede läuft wie ein Uhrwerk. Jakub Kosecki ist sehr dribbelstark, auch Moritz Kuhn, nachdem er körperlich zugelegt hat, gefiel mir gut. Ich erinnere mich an umkämpfte Spiele in Sandhausen, als ich noch selbst beim VfB Stuttgart und dem VfR Heilbronn gespielt habe. Der Hardtwald ist nicht wieder zu erkennen. Das ist ein richtig schönes Zweitliga-Stadion geworden. Ich drücke dem SV Sandhausen die Daumen, dass sie sich weiter so gut präsentieren. Die Region kann einen zweiten Verein neben der TSG Hoffenheim gut vertragen.

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