Hoffenheim-Bilanz

Stolz schießt keine Tore

Genug Chancen, aber viel zu wenig Effizienz: Der TSG fehlt die Durchschlagskraft

29.09.2019 UPDATE: 29.09.2019 21:30 Uhr 1 Minute, 50 Sekunden

Mit dem Hinterkopf: Christoph Baumgartner (r.) im Duell gegen Matthias Ginter. Foto: APF

Von Achim Wittich

Sinsheim. Zahlen lügen nicht. Benjamin Hübner, der am Samstag für den kurzfristig verletzt ausgefallenen Kapitän Kevin Vogt (Oberschenkelprobleme) die Spielführerbinde übergestreift hatte, redete nachher nicht lange um den heißen Brei herum. "Wir haben zu wenig Tore geschossen, das ist doch klar. Da brauche ich jetzt nicht groß drüber zu reden." Der Innenverteidiger hatte selbst keinen guten Arbeitstag erwischt gehabt und stellte sich zwar frustriert, aber dennoch geduldig den Reporter-Fragen.

Die Tatsache, dass die Mannschaft von Trainer Alfred Schreuder nach sechs Spieltagen gerade einmal vier Törchen zustande gebracht hat, dürfte bei der Trainingsarbeit in dieser Woche doch für ausreichend Gesprächsbedarf rund um den Dietmar-Hopp-Sportpark in Zuzenhausen sorgen. "Ich bin stolz auf die Jungs", sagte Schreuder auf der Pressekonferenz und sieht sich mit seinen kickenden Angestellten trotz des erneuten Rückschlags weiter auf dem richtigen Weg.

Allein: Auch in Zeiten des teils in Köln absurd gehandhabten Videobeweises muss das Runde weiter ins Eckige, egal wie. Und genau das schafft "Hoffe" viel zu selten. Christoph Baumgartner war selbstkritisch: "Wir müssen daran arbeiten, die Chancen, die wir haben auch zu machen. Und da fange ich bei mir an. Ich muss einen reinschießen", meinte der 20 Jahre alte Österreicher zu seiner guten Möglichkeit in der Anfangsphase gegen eine lange Zeit keineswegs überzeugende Fohlen-Elf.

Schreuder hat allerdings nur überschaubaren Handlungsspielraum, was seine Offensivkräfte betrifft. Der Brasilianer Joelinton, ein Mann, der in der vergangenen Rückrunde Bälle behauptet und im Zentrum für Angstzustände bei den Gegnern gesorgt hat, wühlt jetzt - noch mit überschaubarem Erfolg - bei Newcastle United in der Premier League.

Kroatiens Andrej Kramaric lief auch diesmal nur in Zivil durch die Pressezone. Seine Rückkehr auf den Rasen wird sehnlichst erwartet, doch Wunderdinge können vom Vizeweltmeister nach der langen Pause auch nicht erwartet werden. Zu allem Unglück hatte sich kurzfristig Ishak Belfodil abgemeldet (Knieprobleme und Mandelentzündung).

Robert Skov (23), gelernter Rechtsaußen, wurde von Schreuder zum zweiten Mal zum linken Verteidiger umfunktioniert. Der Däne machte das erneut ordentlich, doch bei seinen Sturmläufen nach vorne fehlt ihm im Abschluss auch die nötige Abgezocktheit.

Diesbezüglich kann er sich mit Ihlas Bebou die Hand reichen. "Er ist besser, wenn er von außen kommt", gab Schreuder schon vor Wochen kein großes Geheimnis preis. Doch aufgrund mangelnder Alternativen musste er den Usain Bolt des Fußballs gegen die Borussia erneut ins Zentrum stellen - und da ist der 25-Jährige eben nicht gut aufgehoben.

Was auch auffällt: Ein echter "Zehner" fehlt, keiner aus der Mittelfeldreihe mit Sebastian Rudy, Florian Grillitsch und Dennis Geiger verkörpert diesen Spielertyp. Letztgenannter rackerte erneut wie ein Wilder und versuchte alles, der entscheidenden Pass zum Mitspieler in die Tiefe oder ein konsequenter Abschluss gelang jedoch auch dem kleinen Mosbacher nicht.

Der Stolz von Schreuder ist nicht unbegründet, seine im Umbruch befindliche Mannschaft versagte bisher bis auf die Freiburg-Pleite keineswegs gänzlich. Allein: Stolz schießt keine Tore.

Hintergrund

Sinsheim. (pami/jog/awi) Das Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach konnte die TSG 1899 Hoffenheim am Samstag nicht nutzen, um dem bislang mager gefüllten Punktekonto einige Zähler hinzuzufügen. Mit

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Sinsheim. (pami/jog/awi) Das Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach konnte die TSG 1899 Hoffenheim am Samstag nicht nutzen, um dem bislang mager gefüllten Punktekonto einige Zähler hinzuzufügen. Mit 3:0 (1:0) verloren die Kraichgauer gegen den Europa-League-Teilnehmer und bleiben somit bei erst fünf Punkten stehen. Hoffenheims Trainer Alfred Schreuder war nach dem Abpfiff dennoch versöhnlich gestimmt. Die wichtigsten Stimmen zum Spiel:

Alfred Schreuder, Trainer TSG Hoffenheim: "Auch wenn es komisch klingt, ich bin heute sehr stolz auf die Jungs. Wir haben vorne viele Chancen rausgespielt, aber uns fehlen die Tore. Natürlich haben wir uns den Saisonstart anders gewünscht."

Marco Rose, Trainer Gladbach: "Ich bin sehr glücklich heute. Wir haben unsere Punktebilanz verbessert. Dennoch war es ein schweres Spiel, sehr offen, sehr ausgeglichen. In der zweiten Halbzeit haben wir dann die Umschaltmomente bekommen."

Benjamin Hübner, TSG 1899 Hoffenheim: "Das Ergebnis spiegelt das Spiel nicht wider. Wir müssen definitiv mehr Tore machen, das ist doch klar."

Sebastian Rudy, TSG 1899 Hoffenheim: "Wir müssen versuchen, die Kugel vorne reinzukriegen."

Christoph Baumgartner, TSG 1899 Hoffenheim: "Wir müssen daran arbeiten, die Chancen, die wir haben, auch rein zu machen"

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Sinsheim. (dpa) Borussia Mönchengladbach setzt sich dank seiner Torjäger Alassane Pléa und Marcus Thuram in der Spitzengruppe der Fußball-Bundesliga fest. Das Team von Trainer Marco Rose gewann am sechsten Spieltag

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Sinsheim. (dpa) Borussia Mönchengladbach setzt sich dank seiner Torjäger Alassane Pléa und Marcus Thuram in der Spitzengruppe der Fußball-Bundesliga fest. Das Team von Trainer Marco Rose gewann am sechsten Spieltag souverän mit 3:0 (1:0) bei der TSG 1899 Hoffenheim und holte damit schon den dritten Liga-Erfolg am Stück. Vor 29 030 Zuschauern, darunter auch Franz Beckenbauer, sorgten Pléa (43. Minute), Thuram (65.) und Florian Neuhaus (83.) am Samstag mit ihren Treffern für einen klaren Sieg.

Gladbach steht damit bei 13 Zählern und untermauert vor der nächsten Englischen Woche mit einem Europa-League-Gastspiel bei Istanbul Basaksehir seine hohen Ambitionen in der Bundesliga. Hoffenheim hat unter Neu-Coach Alfred Schreuder erst ein Saisonspiel gewonnen und steht bei gerade einmal fünf Punkten.

Beide Trainer bauten ihre Teams im Vergleich zur vergangenen Woche um: Gladbachs Rose tat dies freiwillig, um wieder einen Platz für Thuram zu finden, der gegen Düsseldorf als Joker mit einem Doppelpack für einen 2:1-Sieg gesorgt hatte. Schreuder wurde gezwungen, weil in Kapitän Kevin Vogt und Torjäger Ishak Belfodil zwei wichtige Spieler ausfielen. Vogt kämpft mit Oberschenkelproblemen, Belfodil musste wegen einer Mandelentzündung passen.

Hoffenheim legte dynamisch los und sorgte für die ersten Akzente. Über die linke Seite mit Youngster Christph Baumgartner und den zum Linksverteidiger umgeschulten Robert Skov ging es schnell in die Spitze. Defensivspieler Stefan Posch (5.) scheiterte mit einem Schuss an Torwart Yann Sommer, Baumgartner selbst setzte eine Direktabnahme wenige Minuten später (13.) deutlich über die Latte.

Sonst blieb die erste halbe Stunde relativ ereignislos, Gladbachs beste Chance vergab Neuhaus (28.) ans Außennetz. Vom Sturm-Dreizack um Thuram war lange nichts zu sehen. Das änderte sich kurz vor der Pause: Nach präzisem Zuspiel brach der Sohn von Frankreichs Weltmeister Lilian Thuram auf der rechten Seite durch, tanzte Kevin Akpoguma aus und legte flach in die Mitte auf Pléa, der sich willensstark durchsetzte und aus kürzester Distanz einschoss.

Nach dem Wechsel wurde es etwas turbulenter: Breel Embolo köpfte nach einer Ecke freistehend nur haarscharf am langen Eck vorbei (53.), auf der Gegenseite vergab TSG-Profi Pavel Kaderabek (57.) einen wuchtigen Kopfball nur knapp. Für etwas Aufregung sorgte ein Elfmeterpfiff von Schiedsrichter Harm Osmers, den er nach Sichtung der Videobilder wieder zurücknahm: Der frühere Weltmeister Christoph Kramer hatte den Ball gar nicht mit der Hand, sondern nur mit dem Kopf geklärt.

Hoffenheim spielte und spielte, zwingende Chancen wie in Halbzeit eins blieben aber weiter ungenutzt. Thuram setzte zu einem starken Solo an, sein 2:0 sorgte für die vorzeitige Entscheidung und brach die Gegenwehr der Kraichgauer. Den Schlusspunkt setzte dann Neuhaus nach einer weiteren Vorarbeit von Pléa.

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Hintergrund

Von Joachim Klaehn

Zuzenhausen. Der neue Hoffenheimer Trainer Alfred Schreuder (46) ist ein durchweg sympathischer Typ. Eine ehrliche Haut, wie es umgangssprachlich heißt. Ein kantiger, knuffiger Kerl, der sich von Kindesbeinen an nichts anderes vorzustellen vermochte,

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Von Joachim Klaehn

Zuzenhausen. Der neue Hoffenheimer Trainer Alfred Schreuder (46) ist ein durchweg sympathischer Typ. Eine ehrliche Haut, wie es umgangssprachlich heißt. Ein kantiger, knuffiger Kerl, der sich von Kindesbeinen an nichts anderes vorzustellen vermochte, als Profispieler und später Fußballlehrer zu werden. "Ab zehn Jahren habe ich dafür gearbeitet und eigentlich nie über Alternativen nachgedacht", beantwortete der Niederländer die von "Hoffes" TV-Redakteurin Deli Beister gestellte Fan-Frage.

Am Donnerstag, zwei Tage vor dem sechsten Liga-Match am Samstag (15.30 Uhr/Sky) zwischen der TSG 1899 Hoffenheim und Borussia Mönchengladbach, war der Mann aus Barneveld/Provinz Gelderland in Redelaune. Offenbar wollte der akribische Arbeiter mal einige Kernbotschaften seines Selbstverständnisses loswerden.

Schreuder warb um Zeit und Geduld für das neue Mannschaftskonstrukt, das unverändert in der Findungsphase steckt. "Es wird zu schnell und zu viel nach einem Fazit gefragt. Es ist aber wichtig, dass die Trainer Zeit bekommen. Nur so können Philosophien und Ideen umgesetzt werden und sich der Erfolg einstellen", argumentierte der TSG-Chefcoach. Vorschnelle Beurteilungen seien nicht hilfreich, was Hoffenheims Pressesprecher Holger Kliem flankierend unterstützte: "Die Bewertungszeiträume werden immer kürzer."

Es ist das Schicksal eines allzu aufgeregten Metiers. Gerüchte, schnelle Nachrichten über alle möglichen Kanäle, Unwahrheiten, Fakten, Statistiken und Daten werden verbreitet und wild durcheinander gemischt, da verliert man schnell den Überblick im Dschungel der modernen Kommunikationswege. "Wir dürfen nicht vergessen: Es bleibt Fußball! Die Spieler müssen frei sein. Das wichtige Wort ist Mut. Als Fußballer hast du ja selbst großen Einfluss auf die Daten", reagierte Schreuder auf das Nachhaken seitens der RNZ.

Ohne Wenn und Aber sind Schreuder die bisherigen Anlaufschwierigkeiten nicht verborgen geblieben. Gerade die letzte 0:3-Heimpleite gegen den SC Freiburg zeigte schonungslos die Schwächen auf. "Das war ein Schlag. Das beschäftigt mich natürlich als Trainer", bekannte Schreuder. Er zeigte Verständnis für die Kritik: "Freiburg war ja auch nichts von uns." Beim ersten Montagabendspiel der diesjährigen Bundesliga-Saison in Wolfsburg (1:1) drehte das TSG-Trainerteam an der einen oder anderen Stellschraube. Die Strategie mit Linksfuß Robert Skov auf der linken Außenbahn ging voll auf. "Ich hatte es schon länger in meinem Kopf", sagte Schreuder über die Maßnahme, "Robert hat sich in den vergangenen Wochen sehr gut entwickelt." Der gelernte Stürmer erledigte seine Aufgabe auf Anhieb tadellos.

Positiv stimmt die Hoffenheimer ferner, dass sowohl Sebastian Rudy als auch Dennis Geiger in der VW-Stadt ihre Mittelfeld-Rollen offensiver interpretiert haben. Und mit Sargis Adamyan und Christoph Baumgartner seien Energie und Schwung in der Endphase aufs Feld gekommen. Einziges Manko: Die volle Punktausbeute hätte der Mannschaft zusätzliches Selbstvertrauen vermittelt. "Fußball ist Ergebnissport", meinte Schreuder, "es hat in Wolfsburg nicht gereicht. Wir vermissen noch etwas."

Auch die Tatsache, dass Leistungsträger Benjamin Hübner wieder an Bord ist, werten die Blauen als vielversprechendes Zeichen. "Benni hat eine Gewinnermentalität und ist sehr wichtig für den Spielaufbau", lobte Schreuder einen seiner "gesetzten" Innenverteidiger. Gerade gegen die Gladbacher Offensivpower mit den dynamischen Kräften Alassane Pléa, Breel Embolo und Marcus Thuram ist höchste Aufmerksamkeit und Zuverlässigkeit à la Hübner gefragt. "Sie haben einen neuen Trainer und eine neue Spielidee", sagte Schreuder über die sich ebenfalls im Umbruch befindenden "Fohlen", "ab und zu passt es noch nicht so gut." Trainer Marco Rose präferiert aggressives Pressing gemischt mit überfallartigem Tempofußball. Abgesehen von der 0:4-Schlappe gegen den Kärtner Provinzklub Wolfsberger AC in der Europa League lief es bei den Schwarz-Weiß-Grünen vom Niederrhein bis dato allerdings besser als bei "Hoffe": Die Gladbacher setzen Roses anspruchsvolles System schon sehr ordentlich um.

Die TSG hofft am morgigen Samstag vor fast voller "Hütte" - 29.000 Tickets sind verkauft - auf den Befreiungsschlag, dadurch würde der Entwicklungsprozess des "neuen" Teams erleichtert und beschleunigt werden. Und der fleißige, hemdsärmlige "Baumeister" Schreuder könnte sein Werk ohne lästige Betriebsstörungen fortsetzen.

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