Trotz allem: Tom Starke hofft für 1899 auf die Relegation

Der ehemalige Hoffenheimer Torwart verrät das Erfolgs-Geheimnis der Bayern und sagt, warum er kein Mitleid mit Tim Wiese hat

30.04.2013 UPDATE: 30.04.2013 17:08 Uhr 3 Minuten, 54 Sekunden
Für den notgedrungenen Wechsel ist Tom Starke nicht dankbar - allein seiner Familie sei er dankbar, dass sie in den schweren Zeiten zu ihm gehalten habe. Foto: dpa
Von Wolfgang Brück

Heidelberg. Er konnte zu Fuß ins Trainingszentrum gehen. Er kümmerte sich um Behinderte. Er hatte immer ein offenes Ohr für die Fans und wo sich andere wegduckten, sprach er Klartext. Tom Starke (32). Der Pfundskerl. Der Musterprofi. Der Vize-Kapitän und Publikumsliebling bei 1899 Hoffenheim. Als man den Torwart vor einem Jahr nicht mehr haben wollte, probten die Anhänger des Bundesligisten den Aufstand.

Doch offenbar gibt es einen Fußballgott. Starkes ungeliebter Nachfolger wurde im Kraichgau nicht glücklich. Tim Wieses großen Worten folgten keine Taten. Der Neue sprach von der Champions League – Starke spielt sie.

Bei Bayern München wurde der sympathische Sachse zur festen Größe – als der Mann hinter Nationaltorwart Manuel Neuer. Im Interview mit der RNZ blickt Starke zurück und voraus: Auf die Fehler, die in Hoffenheim gemacht wurden und auf die Erfolge, die er derzeit mit dem deutschen Rekordmeister feiert. Vor dem Spiel in Barcelona warnt der Torwart: "Ich habe in den Gesichtern der Spanier den verletzten Stolz gesehen. Wir müssen auf der Hut sein."

Tom Starke, herzlichen Glückwunsch zur deutschen Meisterschaft und herzlichen Glückwunsch zum 4:0-Sieg über den FC Barcelona. Für einen Torwart, der statt zwei Händen zwei Haken hat wie Störtebeker, ist das nicht schlecht.

(lacht) Sie spielen auf den Spruch von Holger Stanislawski an. Man konnte mit Stani viel Spaß haben und ganz so schlecht war seine Zeit in Hoffenheim auch nicht, wenn man bedenkt, was danach kam.

Dennoch musste der Trainer gehen – als Tabellenachter.

Ich habe es nicht verstanden. Und das habe ich damals auch gesagt.

Was möglicherweise mit dazu beitrug, dass Sie gehen mussten. War es ein Fehler, den Mund aufzumachen?

Nein. Es wird so viel gelogen. Ich finde es richtig, dass man sagt, was Sache ist. Es ist nicht gut, alles unter den Teppich zu kehren.

Ihr Nachfolger Tim Wiese ist im Kraichgau nicht glücklich geworden. Er ist tief gestürzt. Haben Sie Mitleid mit dem Kollegen?

Warum sollte ich Mitleid haben? Hätte man nur eine Sekunde über die Entscheidung nachgedacht, wäre man darauf gekommen, dass es nicht gut gehen kann.

Im Nachhinein müssen Sie Hoffenheim fast dankbar sein. Sie sind jetzt beim besten Verein der Welt und haben am Samstag gegen Freiburg bereits ihr viertes Pflichtspiel gemacht.

Dankbar bin ich meiner Familie, die mich in der schweren Zeit unterstützt hat. Es war ein Schock für mich, dass man mich nicht mehr haben wollte. Ich habe mich mit Hoffenheim identifiziert. Meine Familie hat sich in Zuzenhausen wohl gefühlt. Auch meinen Kindern, die hier ihre Freunde hatten, fiel der Abschied schwer. Es flossen viele Tränen. Zum Glück sind die Kontakte nicht eingeschlafen. Wir bekommen Besuch aus dem Kraichgau, fahren auch noch öfter hin, obwohl wir inzwischen auch hier in München neue Freunde gefunden haben.

Haben Sie sofort zugesagt, als das Angebot von Bayern München kam?

Nein. Als Christian Nerlinger anrief, habe ich mir Bedenkzeit erbeten. Ich war sieben Jahre die Nummer eins im Tor...

...und hatten schon eine Vergangenheit auf der Bank. Mit Bayer Leverkusen standen Sie zwar im Champions League-Finale, haben in sechs Jahren jedoch kein Bundesligaspiel bestritten.

Die Situation in München unterscheidet sich grundlegend. Bei Bayer war ich ein junger Torwart, bei Bayern ist meine Erfahrung gefragt. Meine Aufgabe ist es, Manuel Neuer zu pushen. Das klappt, weil wir prima zusammenpassen. Manuel ist ein offener Typ wie ich. Ein netter, entspannter Kollege mit Humor.

Wie läuft die Zusammenarbeit?

Ich bin sehr ehrgeizig, will immer gewinnen. Auch im Training. Wie spielen dann um ein Eis oder ein Bier, das ist nicht anders als in meinen Anfangsjahren bei Blau-Weiß Stahl Freital, auch wenn die Kollegen nun Arjen Robben, Franck Ribery oder Manuel Neuer heißen. Im übrigen kann man sich bei den Bayern auch im Training nicht hängen lassen, es schauen 2.000 oder 3.000 Leute zu.

Ihr Trainer Jupp Heynckes hat gesagt, Sie seien noch besser geworden, seit Sie in München sind.

Das geht runter wie Öl. Ist aber normal, wenn man mit Tag für Tag mit den besten Spielern der Welt trainiert.

In vier Pflichtspielen haben Sie kein Gegentor hinnehmen müssen. Gegen Nürnberg haben Sie sogar einen Elfmeter gehalten – mit dem Gesicht. Muss Neuer um seinen Stammplatz fürchten, wie eine Münchner Zeitung – vermutlich nicht ganz ernsthaft – schrieb?

(lacht) Die Rollen sind abgesprochen. Mein Vertrag läuft bis 2015. Mein Ziel ist es, noch in einigen Spielen im Tor zu stehen. Ich kann heute schon sagen: Ich habe keine Sekunde bereut, dass ich in München unterschrieben habe. Jupp Heynckes macht es sensationell gut. Er vermittelt uns, dass für den Erfolg nicht elf, zwölf oder dreizehn Profis wichtig sind, sondern der gesamte Kader.

Danken es ihm die Bayern mit drei Titeln? Im Pokalfinale gegen Stuttgart gibt es übrigens ein Wiedersehen mit Ihrem Ex-Kollegen Vedad Ibisevic. Stehen Sie noch in Verbindung?

Nein. Aber mit anderen schon: Sebastian Rudy, Andreas Beck, Torwart-Trainer Zsolt Petry und den Physios.

Haben Sie mal Kontakt zu Boris Vukcevic aufgenommen?

Sein Unfall hat mich erschüttert. Ich stand zwei Tage neben mir. Mein Sohn Nick hat Boris vergöttert. Er war sein Lieblingsspieler. So bald es ihm besser geht, werde ich Boris in Heidelberg besuchen oder nach München einladen.

Bei Hoffenheim geht’s aufwärts, doch es bleibt eng. Gelingt der Klasssenerhalt?

Ich drücke die Daumen. Wenn der Relegationsplatz erreicht wird, dann schaffen sie es. Gegen den Zweitliga-Dritten wird sich die höhere Qualität durchsetzen. Die Entscheidung, Markus Gisdol zu holen, war richtig. Hoffenheim muss wieder zur Rangnick-Philosophie zurückkehren, Spieler selbst entwickeln und nicht teuere Stars kaufen.

Freuen Sie sich schon aufs Champions League-Finale in London?

Würden wir es tun, wäre es ein Fehler. Wir dürfen Barcelona nicht unterschätzen. Trotz des 4:0-Sieges. Ich habe nach dem Spiel in den Gesichtern der Spanier den verletzten Stolz gesehen. Wir müssen auf der Hut sein.

Was passiert nach 2015?

In diesem Geschäft kann man schlecht planen. Ich wollte noch fünf Jahre in Hoffenheim bleiben, doch plötzlich war ich weg. 2015 bin ich 34. Wenn der Körper mitspielt, will ich weitermachen. Erst mal genieße ich die Zeit bei den Bayern. Es ist überwältigend. Eine eigene Welt. Und sollte ich nach meiner Karriere Trainer werden, was ich mir gut vorstellen kann, dann ist das Sieger-Gen der Bayern nicht die schlechteste Empfehlung.

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