Heidelberg. (mk) Das Tübinger Biotechunternehmen Curevac erhält für die Forschung an einem Corona-Impfstoff eine Finanzspritze des Bundes in Höhe von 252 Millionen Euro. Das bestätigte am Freitag ein Sprecher des Unternehmens, an dem sich auch der Staat beteiligt hat. SAP-Mitgründer Dietmar Hopp hält über seine Heidelberger Beteiligungsgesellschaft Dievini rund 49 Prozent der Curevac-Anteile, der Bund über die Förderbank KfW knapp unter 17 Prozent. Erst kürzlich war das Unternehmen in den USA an die Börse gegangen.
Curevac hatte sich im Juli um diesen Zuschuss beworben, der aus einem nationalen Sonderprogramm zur Beschleunigung der Forschung und Entwicklung an Impfstoffen gegen Corona stammt. Ende Juli hatte Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) mitgeteilt, dass drei Unternehmen als förderfähig anerkannt worden seien: außer Curevac auch die Mainzer Firma Biontech und das Unternehmen IDT Biologika aus Dessau-Roßlau. Der Fördertopf umfasst insgesamt rund 750 Millionen Euro.
Neben der weiteren Entwicklung eines COVID-19-Impfstoffes sei ein Teil des Geldes dafür vorgesehen, die Impfstoffproduktion weiter auszubauen, teilte Curevac weiter mit. Die Zahlungen seien an bestimmte Meilensteine gebunden. Wenn diese erreicht würden, könne Curevac im Jahr 2020 mit bis zu 103 Millionen Euro und 2021 mit bis zu 149 Millionen Euro rechnen. Franz-Werner Haas, Vorstandsvorsitzender von Curevac, sagte einer Mitteilung zufolge: "Wir freuen uns sehr über diese wesentliche und wichtige finanzielle Unterstützung und sind uns deren Bedeutung bewusst. Mit dieser erwarteten Förderung werden wir die beschleunigte Entwicklung und Herstellung unseres Impfstoffkandidaten vorantreiben und damit zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie beitragen."
Der Impfstoffkandidat von Curevac befindet sich derzeit in der ersten Phase der klinischen Entwicklung und wird an gesunden Erwachsenen an verschiedenen Studienzentren in Deutschland und Belgien getestet. Curevac-Haupteigner Hopp rechnet mit einer Zulassung im Frühjahr oder Sommer 2021, in eingeschränkter Form möglicherweise aber auch schon früher.
In einem Interview mit dem "Handelsblatt" räumte er allerdings ein, dass seine Firma wohl nicht der erste Konzern mit einem Impfstoff gegen Covid-19 sein wird. "Dieses Rennen können wir nicht gewinnen", sagte der SAP-Mitgründer angesichts der fortgeschritteneren Entwicklung bei den beiden Hauptkonkurrenten, der US-Firma Moderna und dem Mainzer Unternehmen Biontech. "Aber wir wollen das Rennen um den besten Impfstoff gewinnen, und da haben wir gute Chancen."
Einen Curevac-Einstieg des US-Milliardärs und Tesla-Chefs Elon Musk, mit dem sich Hopp diese Woche getroffen hatte, schloss der SAP-Mitgründer indes aus. Eine Zusammenarbeit mit dem Tesla-Gründer werde es aber wohl geben: "vermutlich ja", sagte Hopp, der im Laufe der Jahre rund 1,4 Milliarden Euro in unterschiedliche Biotechfirmen gesteckt hatte – und dafür mitunter belächelt wurde. Dass Curevac jetzt als heißer Kandidat für den entscheidenden Schlag gegen die Pandemie gehandelt wird, verschafft ihm aber mehr als Genugtuung gegenüber seinen Kritikern, erklärt Hopp dem "Handelsblatt": "Ich empfinde Freude, pure Freude, und das nicht etwa, weil sich die Geschäfte rechnen, sondern vor allem, weil wir mit unserer Arbeit den Menschen helfen können."
Update: Freitag, 4. September 2020, 19.34 Uhr
Brüssel. (dpa/RNZ) Die EU sichert sich den Zugriff auf bis zu 405 Millionen Dosen des potenziellen Corona-Impfstoffs des Tübinger Biotech-Unternehmens Curevac. Man habe Sondierungsgespräche mit dem Unternehmen abgeschlossen, teilte die EU-Kommission am Donnerstag in Brüssel mit. Laut Curevac geht es um einen Vorvertrag über 225 Millionen Dosen sowie eine Option auf 180 Millionen weitere. Diese würden bereitgestellt, sobald sich der Impfstoff, an dem das Unternehmen derzeit arbeitet, als wirksam und sicher erwiesen habe. Größter Curevac-Anteilseigner ist die Heidelberger Dievini Biotech-Holding, in der SAP-Mitbegründer Dietmar Hopp seine Biotechnologieaktivitäten gebündelt hat.
"Jede Gesprächsrunde, die wir mit der pharmazeutischen Industrie abschließen, bringt uns unserem Ziel, das Virus zu besiegen, näher", sagte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Ähnliche Vorgespräche über Hunderte Millionen Dosen hatte die EU-Kommission zuvor bereits mit Janssen Pharmaceutica NV sowie mit Sanofi-GSK abgeschlossen. Einen Schritt weiter sind die Verhandlungen mit dem Pharmaunternehmen AstraZeneca. Ein Rahmenvertrag für den Kauf von 300 Millionen Dosen mit der Option auf weitere 100 Millionen liegt bereits vor. Die Impfstoff-Dosen sind für die EU-Staaten gedacht, können aber auch an andere, weniger wohlhabende Länder gespendet werden.
Dabei bestätigte die EU-Kommission auf Anfrage, dass Deutschland und andere EU-Staaten nicht mehr parallel über einen eigenen Verträge mit AstraZeneca verhandeln. Ursprünglich hatte eine sogenannte Impfstoffallianz aus Deutschland, Frankreich, Italien und den Niederlanden mit AstraZeneca einen Vertrag über mindestens 300 Millionen Impfdosen geschlossen. Diese Verhandlungen seien auf Anfrage der vier Staaten jedoch von der EU-Kommission übernommen worden, hieß es nun aus der Brüsseler Behörde.
Die Impfstoffstrategie der EU sieht Vorverträge und Abnahmegarantien vor, um sich Zugriff auf ausreichende Mengen von Impfstoffen zu sichern, die noch in der Entwicklung sind. So sollen Herstellungskapazitäten aufgebaut werden – obwohl die Hersteller noch nicht sicher sind, dass ihre Mittel wirklich funktionieren werden.
In ihren Gesprächen mit Impfstoffherstellern bietet die EU in der Regel an, einige Entwicklungskosten im Voraus zu finanzieren, um das Recht zu erhalten, schnell Dosen erfolgreicher Kandidaten zu erhalten. Die tatsächlichen Einkäufe werden zu einem späteren Zeitpunkt von jedem EU-Staat entschieden.
Derzeit befindet sich der Curevac-Impfstoffkandidat in der klinischen Phase 1. Mit ersten Ergebnissen rechnet Curevac Anfang des vierten Quartals 2020. Das Unternehmen hatte Mitte Juni von den deutschen Aufsichtsbehörden grünes Licht für die Studie erhalten. Der Bund war im Juni auch mit rund 300 Millionen Euro selbst bei dem Unternehmen eingestiegen. Curevac nutzt bei der Impfstoffentwicklung die sogenannte RNA-Technologie. Der genetische Bauplan für modifizierte Virus-Bestandteile wird dabei in den Körper injiziert. Zellen nehmen diese Erbinformation auf und produzieren daraus harmlose Erregerteile, worauf das Immunsystem reagiert. Es speichert die Immunantwort ab, die später gegen eine echte Infektion schützt.