Die rund 700 Aktionäre im Rosengarten zeigten sich mit der Arbeit von Bilfinger-Chef Tom Blades (r.) überwiegend zufrieden. Der Aufsichtsratsvorsitzende Eckhard Cordes musste hingegen Kritik einstecken. Foto: Manfred Rinderspacher
Von Daniel Bernock
Mannheim. Es war, mal wieder, eine turbulente Hauptversammlung des Bilfinger-Konzerns im Mannheimer Rosengarten. Zwar gab es Lob für den Vorstand, allen voran für den Vorstands-Chef Tom Blades. Der Brite habe im vergangenen Jahr die Geschäfte stabilisieren und durch den Aufbau eines funktionierenden Anti-Korruptions-Systems die Aufsicht des amerikanischen Justizministeriums beenden können, quittierten die Aktionäre.
Herbe Kritik gab es hingegen am Aufsichtsrat - speziell am Vorsitzenden Eckhard Cordes. Die Art und Weise, wie er und seine Kollegen möglichen Schadensersatzforderungen gegenüber früherer Vorständen nachgeht, erregte die Gemüter vieler Aktionäre.
An die Spitze der Kritiker setzte sich Marc Tüngler von der Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW): "Für uns ist es nicht erträglich, dass man sich so lange um das Thema Schadensersatz dreht und windet - und dabei nicht zu Potte kommt", sagte der Aktionärsvertreter. Bilfinger-Chef Blades würde das Geschäft nach vorne bringen, auf der anderen Seite müssten sich die Aktionäre immer wieder mit der Vergangenheit beschäftigen - da sich der Aufsichtsrat nicht entscheiden könne.
Hintergrund ist, dass der Aufsichtsrat mit Blick auf mögliche Schadensersatzforderungen gegen zwölf ehemalige Vorstände mittlerweile drei juristische Gutachten eingeholt hat. Doch erst am Dienstag, am Tag vor der Hauptversammlung, hat sich das Unternehmen dazu entschlossen, Roland Koch und andere frühere Vorstände direkt anzuschreiben und zur Zahlung von konkreten Schadensersatzforderungen aufzufordern.
Laut Aufsichtsrats-Chef Eckhard Cordes habe ein erstes Gutachten der Frankfurter Kanzlei Linklaters ergeben, dass Ansprüche gegenüber früheren Vorständen bestünden. Zwei Jahre habe alleine die Anfertigung dieses Gutachtens gedauert. Kosten: fast 1,3 Millionen Euro. Nach "Zweifeln" im Aufsichtsrat haben die Aufseher dann allerdings ein zweites Gutachten beauftragt, das die erste Einschätzung nicht bestätigte. Ein schließlich drittes Gutachten habe dann wiederum das erste Gutachten bekräftigt. Cordes versuchte zu beruhigen: Durch die Verzögerung bestehe nicht die Gefahr, dass die Ansprüche verjähren.
Dennoch: Aktionärsvertreter Tüngler beantragte gestern mit Blick auf die hohe Schadenssumme - rund 100 Millionen Euro - die Bestellung eines Sonderprüfers, um die "Handlungen und Unterlassungen" des Aufsichtsrats bei der Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber früherer Vorstände zu prüfen. Es soll die Frage geklärt werden, ob der Aufsichtsrat seinen Verpflichtungen nachgekommen ist oder ob gegebenenfalls sogar Schadensersatzansprüche gegenüber aktuelle Aufsichtsräten besteht. Mithilfe eines Sonderermittlers soll auch geprüft werden, ob der Aufsichtsrat direkt nach dem ersten Gutachten hätte handeln müssen - und welche Folgen dieses "zögerliche Handeln" hatte. "Wir zweifeln an der Bissfähigkeit des Aufsichtsrats", so Tüngler.
Gleichzeitig warnte der Aktionärsvertreter den Aufsichtsrat, einen zu geringen Vergleich mit den früheren Vorständen abzuschließen. Das würden die Aktionäre nicht akzeptieren. "Ich möchte nicht mehr über die Vergangenheit sprechen, ich möchte nach vorne schauen", so Tüngler. "Schneiden Sie diesen Zopf ab!"
Cordes betonte die Komplexität des gesamten Prozesses. Es habe keine Verzögerungen gegeben, sondern einen "zusätzlichen Zeitbedarf". Wie schwierig die Beurteilung sei, zeige der Fakt, dass drei renommierte Rechtsexperten zu unterschiedlichen Meinungen kamen. Der Aufsichtsrat sei mit der gründlichen Prüfung der Fälle seiner Sorgfaltspflicht nachgekommen. "Wir sind entschlossen, vor Gericht zu ziehen, wenn es nicht anders geht", sagte Cordes.
Christian Retkowski von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) betonte, der Aufsichtsrat müsse die Ansprüche gegenüber den früheren Vorständen schnell verfolgen, ansonsten werde er sich im nächsten Jahr gegen seine Entlastung aussprechen.
Wie zu erwarten war - alleine der schwedische Investor Cevian, bei dem Cordes Partner ist, hält rund 30 Prozent der Aktien - scheiterte die Bestellung eines Sonderprüfers durch die Hauptversammlung. Aktionärsschützer Tüngler will nun prüfen, die Bestellung des Sonderprüfers gerichtlich durchzusetzen. Bei VW ist ihm das 2017 schon einmal gelungen.