Das Bewertungsportal Yelp, das hier mit einem Banner an der New Yorker Börse wirbt, steht in der Kritik. Foto: dpa
Von Anja Semmelroch
Karlsruhe. Internet-Bewertungen entscheiden mit, wo Leute essen gehen, ihr Auto in die Werkstatt geben oder Sport machen – aber wie errechnet ein Portal seine Noten? Und spielt das überhaupt eine Rolle? Diese Fragen klärt der Bundesgerichtshof (BGH) in den nächsten Wochen am Beispiel der Online-Plattform Yelp. Das Urteil soll am 14. Januar verkündet werden, wie die obersten Zivilrichter in Karlsruhe nach der Verhandlung am Dienstag festlegten. (Az. VI ZR 495/18 u.a.)
„Ich fühle mich schlecht bewertet“, sagt die Klägerin, Renate Holland. Die 67-Jährige war einst Weltmeisterin im Bodybuilding. Heute betreibt sie mehrere Fitnessstudios im Raum München. „Meine Studios leiden darunter. Und ich lasse mir auch nicht meine gute Arbeit kaputtmachen und mein Lebenswerk.“
Auf Yelp können die Nutzer Restaurants, Dienstleister und Geschäfte bewerten. Zu vergeben sind ein Stern („Boah, das geht ja mal gar nicht!“) bis fünf Sterne („Wow! Besser geht’s nicht!“), außerdem kann man etwas schreiben. In die Gesamtbewertung fließen allerdings nicht alle Beurteilungen ein. Eine automatisierte Software identifiziert dafür die „empfohlenen Beiträge“, die Yelp für besonders hilfreich oder authentisch hält.
Zu den Auswahlkriterien gehören laut Yelp etwa die Qualität, die Vertrauenswürdigkeit und die bisherige Aktivität des Nutzers. Über den Filter sollen Gefälligkeitsbewertungen und Fälschungen aussortiert werden. „Aber viele sind auch echte Beiträge von echten Kunden, die wir einfach nur nicht gut genug kennen und daher nicht empfehlen können“, heißt es.
„Das machen andere Plattformen genauso“, sagt Yelp-Anwalt Stephan Zimprich. Es sei wichtig, dass ein Mechanismus existiere, der die Guten von den Schlechten trenne. „Ansonsten wäre der Verbraucher der Manipulation im Internet auch schutzlos ausgeliefert.“
Im Durchschnitt würden ungefähr drei Viertel aller Beiträge als empfohlen eingestuft, erklärt Yelp. Nicht so bei Renate Holland: Eines ihrer Studios steht im Februar 2014 mit 2,5 Sternen da. Grundlage sind zwei Bewertungen. 74 überwiegend sehr positive Beiträge bleiben unberücksichtigt. Ein anderes Studio bekommt drei Sterne aus drei Beiträgen. Hier lässt Yelp 75 Beiträge außen vor.
Das Oberlandesgericht München gab Holland vor einem Jahr Recht. Durchs Aussortieren so vieler Bewertungen entstehe „kein hilfreiches, sondern ein verzerrtes Gesamtbild“. Die Richter sprachen Holland damals Schadenersatz zu und untersagten Yelp, ihre Studios weiter so zu bewerten. Aber das letzte Wort hat der Bundesgerichtshof.
Die Richter dort haben kritische Fragen zu dem Münchner Urteil: Kann der Nutzer auf der Seite nicht klar erkennen, dass sich der Sterne-Durchschnitt nur auf die angezeigten Bewertungen bezieht? Und gibt es überhaupt ein Recht auf eine repräsentative Bewertung?
Hollands Anwalt Axel Rinkler geht es um Transparenz. „Man ist den Bewertungen komplett ausgeliefert“, kritisiert er. Der Algorithmus, der die Auswahl der Beiträge bestimme, sei Geschäftsgeheimnis – und damit nicht überprüfbar.
Tatsächlich macht Yelp nur wenige Kriterien öffentlich. Das gehe auch gar nicht anders, meint Anwalt Zimprich. „Wenn ich weiß, wie gefiltert wird, kann ich dafür sorgen, dass auch manipulierte Beiträge so manipuliert sind, dass sie durch den Filter durchkommen.“