Als Gustavo ging, war auch Rangnick weg
Wie die Wunder-Mannschaft der TSG langsam aber sicher auseinander fiel

Von Christoph Offner
Heidelberg. Luiz Gustavo Dias erblickte am 23. Juli 1987 in Pindamonhangba im Bundesstaat Sao Paulo das Licht der Welt. Fußballerisch macht er seine ersten Schritte bei unterklassigen Klubs, bis ihn die TSG Hoffenheim im Sommer 2007 von der zweiten brasilianischen in die zweite deutsche Liga holte.
Selbst Experten rechneten nicht damit, dass der damals 20-Jährige einmal den Henkelpott der Champions League, eine Meisterschale, zwei DFB-Pokale und den Confed Cup in Händen halten würde. Lediglich eine Million Euro musste "Hoffe" zahlen, um ihn nach dem Bundesliga-Aufstieg fest unter Vertrag zu nehmen. Im Blickpunkt stand zwar die Offensive, doch es war Gustavo, der das Feuerwerk erst ermöglichte, weil er die Zauberer absicherte. Er fraß unermüdlich Meter, scheute keinen Zweikampf, war sich für keine Grätsche zu schade. Dass er daneben auch noch eine gute Technik, ein sauberes Passspiel und einen starken Schuss besaß, machte ihn umso wertvoller. Als die Bayern ihre Fühler ausstreckten, machte Trainer Ralf Rangnick klar: "Wir denken nicht daran, ihn abzugeben."
Es begann eine Zeit voller Gerüchte und Spekulationen. Dietmar Hopp ließ verlauten, es sei "sonnenklar, dass Gustavo im Sommer zu Bayern München gehen darf" und auch einem Wechsel bereits im Winter stand der Mäzen, bei "gleichwertigem Ersatz", offen gegenüber.
Während Rangnick an Verstärkungen dachte, war es Hopps Wunsch, dass sein Verein möglichst schnell auf eigene Füße stellen sollte. Die kolportierten 15 Millionen, die die Bayern für Gustavo boten, waren nach dem Verkauf von Carlos Eduardo im Sommer für 20 Millionen zu Kasan ein weiterer Schritt – auch wenn diese 15 Millionen für Rangnick "noch nicht mal die Lachgrenze, geschweige denn Schmerzgrenze" darstellten.
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Ohne das Wissen Rangnicks wurde Gustavo auf "Wunsch der Gesellschafter" an den Rekordmeister verkauft. Rangnick war konsequent. Er schmiss hin: "Das ist ein einzigartiger Vorfall. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ein Spieler, noch dazu einer wie Luiz Gustavo, ohne direkten Informationsfluss zum Trainer verkauft wird. Es war für mich das letzte Signal. Da war endgültig klar, dass die TSG einen Trainer wie mich nicht braucht."
Beim FC Bayern setzte sich der Neue aus Hoffenheim auf Anhieb durch, war auf dem Weg zum Triple in der Saison 12/13 eine wichtige Säule. Doch mit der Ankunft Pep Guardiolas, ging Gustavos Zeit in München zu Ende. Der spanische Ausnahmetrainer plante nicht mit dem defensivstarken Brasilianer und Gustavo zog weiter nach Wolfsburg. Dort brachte er es bis zum Kapitän und konnte in seiner zweiten Saison den Pokal-Sieg feiern.
Auch in der Nationalmannschaft entwickelte er sich zu einer festen Größe. Er errang den Confed Cup und war Stammspieler bei der Heim-WM. Nach vier Jahren beim VfL verließ der Heißsporn im Sommer 2017 schließlich Deutschland und heuerte in Frankreich bei Traditionsklub Olympique Marseille an. Einen zweifelhaften Bundesliga-Rekord hält er, gemeinsam mit Abwehrrecke Jens Nowotny, mit acht Platzverweisen bis heute.
Im Stade Vélodrome wurde Gustavo schnell zum Fan-Liebling und Kapitän. Er spielte stark und brachte es mit seinem Team sogar bis ins Finale der Europa League, in dem "OM" allerdings mit 0:3 gegen Atlético Madrid baden ging. Im vergangenen Sommer wechselte Gustavo schließlich in die Türkei, zu Fenerbahce Istanbul. Am Bosporus unterschrieb der 32-Jährige wohl den letzten großen Vertrag seiner Laufbahn. Gustavo tut das, was er bei all seinen Stationen tat: kämpfen, ackern, beißen.