Ein bisschen Normalität in der Sinsheimer Innenstadt
Seit Montag haben viele Geschäfte wieder geöffnet - Der Andrang ist meist verhalten - Gastronomen haben weiterhin geschlossen

Von Christian Beck
Sinsheim. Es ist ein Stückchen mehr Normalität, das sich seit Montag in der Innenstadt abspielt: Viele Geschäfte haben wieder geöffnet. Und einige nutzen dies, bummeln, kaufen ein. Es ist deutlich mehr Leben in der Bahnhofstraße. Doch es liegt auch Misstrauen in der Luft: Kunden wie Ladeninhaber beschäftigt die Frage, wie es weitergeht. Oder ob die deutlichen Beschränkungen vielleicht nur vorübergehend aufgehoben sind. Die RNZ hörte sich am Montagnachmittag bei mehreren Ladeninhabern um.
> Haben Sie geöffnet? Viele Kunden sind hier unsicher. Auch Sylvia Naber, die bei der Buchhandlung Doll einkauft, ging es so – sie hat sich zuvor extra im Internet erkundigt. Denn es gibt keine einheitliche Linie. Einige Läden haben seit Montag ihre Türen wieder geöffnet, andere folgen laut Aushang am Dienstag. Bei manchen bleibt es unklar. Und ob die Öffnungszeiten so bleiben, wissen die Inhaber teilweise selbst nicht. Klaus Gaude von der Buchhandlung Doll will einige Tage abwarten und könnte sich eine Mittagspause vorstellen. Carmen Medini und ihre Kollegen öffnen das Bücherland etwas später und schließen etwas früher.
> Verhaltene Nachfrage: Der große Ansturm fand am Montag nicht den Weg in die Läden, da waren sich alle einig. "Das muss sich erst wieder einspielen", ist sich Thomas Körber, Inhaber des Bekleidungsgeschäfts "Cecil", sicher. Und es bleibt die Frage, wem der Sinn momentan nach Geldausgeben steht. Helga Burkhardt vom gleichnamigen Fotostudio vermutet, dass die Leute "mit großen Ausgaben eher zurückhaltend" sein werden.
Inhaber, die wieder geöffnet haben, sind aber allesamt froh, "dass es weitergeht". Und manchen Kunden ist die Freude über das Stück Normalität sichtlich anzumerken. Auch bei Dingen, die nicht zum Lebensnotwendigen gehören: Ingrid Eckert probiert neue Oberteile an, sie freue sich darauf, etwas Neues in ihrem Kleiderschrank zu haben. Und auch beim Juwelier Schick herrscht Betrieb, teilweise stehen mehrere Personen vor dem Eingang in der Schlange.
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> Sicherheitsvorkehrungen: Im Eingangsbereich vieler Geschäfte finden sich Hinweise, dass sich nur wenige Personen dort gleichzeitig aufhalten dürfen. Desinfektionsmittel steht häufig auf Tischen bereit, außerdem kleben Streifen auf dem Boden, die dazu auffordern, Abstand zu halten. Manche Geschäfte wie das Bücherland, haben getrennte Ein- und Ausgänge gekennzeichnet. Ein Spuckschutz im Kassenbereich findet sich überall, meist aus Plexiglas. Sehr originell mutet die Lösung im Blumengeschäft "Die Binderei" an: Hier wurde an der Theke ein Fenster in Vintage-Optik eingebaut.
Viele Angestellte und manche Kunden tragen Masken über Mund und Nase, einige aber auch nicht. Und teilweise kommt es zu merkwürdigen Situationen: Wer eine Maske trägt und Abstand hält, wird von seinem Gesprächspartner teilweise nicht verstanden. Manche nehmen die Maske entnervt ab, andere kommen sich recht nahe. Auch Händeschütteln und Umarmungen wurden beobachtet. Ein Passant ist skeptisch und vermutet, dass sich nun wieder mehr Leute anstecken werden.
> Das Geld: Für Ladeninhaber ist dieses Thema gerade ein heikles. Denn in den letzten Wochen haben einige nichts, manche nur wenig eingenommen. Bei zumeist weiterlaufenden Kosten. Und nun ungewisser Perspektive. Körner vom "Cecil" hat seine Übergangsware, die er in den vergangenen viereinhalb Wochen nicht verkaufen konnte, ins Lager gepackt – bei dem frühlingshaften Wetter steht den Kunden nicht der Sinn danach. In den nächsten Tagen kommt neue Ware, und zwar reichlich. Denn wie alle Inhaber von Bekleidungsgeschäften hat er im Dezember bestellt – lange vor der Corona-Krise. Einiges werde er nun nur über den Preis verkaufen können, sagt er. Doch es gibt auch Lichtblicke: So mancher Ladeninhaber erklärt, dass der Vermieter für ein oder zwei Monate auf die Miete verzichtet.

> Gastronomen trifft die Situation hart, denn sie dürfen ihre Lokale nach wie vor nicht öffnen. Viele bieten einen Abhol- oder Bring-Service an. Doch der wiegt den Umsatzrückgang nicht im Ansatz auf. Von "90 Prozent weniger Umsatz" spricht Peter Erdelyvari, Inhaber des "Quints". Von sechs Angestellten und zehn Aushilfen arbeite zurzeit niemand. Und wann drinnen und draußen wieder Essen und Getränke serviert werden, weiß er nicht: "Wir hängen in der Luft", sagt er. "Das geht allen Wirten so." Diesen Verlust wieder reinzuholen, sei dieses Jahr nicht mehr möglich. Erdelyvari hofft auf staatliche Entschädigung oder zumindest Steuernachlässe.
Auch beim Eiscafé Roma ist der Umsatzrückgang spürbar, auch wenn der Eis-Lieferservice gut angenommen wird, berichtet Elena Chimenti. Und die Durststrecke wird noch ein wenig andauern, denn auch dort ist die Außenbestuhlung nach wie vor nicht möglich. Doch auch hier gibt es einen Lichtblick: Ab Dienstag startet der Straßenverkauf.



