Das Leben kehrt in die Heidelberger Altstadt zurück (plus Video)
Geschäfte erstmals wieder geöffnet - Hauptstraße wieder belebter - Cafés hoffen auf mehr Laufkundschaft - Viele Schutzmaßnahmen

Von Jonas Labrenz
Heidelberg. Auf den ersten Blick herrscht wieder Normalität in der Hauptstraße. Lange war die Heidelberger Altstadt wie ausgestorben. Seit dem heutigen Montag sind die Menschen zurück. Doch auf den zweiten Blick wird klar: Normal ist hier noch nichts. Die meisten Geschäfte haben zwar wieder offen, große Läden wie Henschel, Karstadt Sport und die beiden Filialen von Galeria Kaufhof müssen aber noch geschlossen bleiben – weil sie zu groß sind. Nur Läden unter 800 Quadratmeter Verkaufsfläche durften am Montag in Baden-Württemberg öffnen.
In den nach fünfwöchiger Zwangspause wiedereröffneten Geschäften ist es nun so, wie man es aus dem Supermarkt kennt: Markierungen sollen dafür sorgen, dass die Kunden Abstand halten, der Einlass ist teilweise geregelt, Eingang und Ausgang möglichst getrennt. Desinfektionsmittel und Plexiglas an der Kasse sollen Kunden und Personal schützen. Viele tragen Masken über Mund und Nase.

Statt zu bummeln steuerten viele Kunden bei dem schönen Wetter gestern gezielt ein Geschäft an: "Meine Tochter braucht neue Schuhe", erzählte Jutta Sandrisser, während sie vor der Deichmann-Filiale wartete. Wie vor allem bei den kleinen Drogerien kommt dort meist nur jemand rein, wenn ein anderer das Geschäft verlässt. Trotzdem: "Ein kleines bisschen Normalität ist zurück", so Sandrisser.
Ein ganz besonderer Moment war es für Kathrin Heim, als sie gestern "ihre" Schmitt & Hahn-Filiale aufgeschlossen hat: "Ich war genauso aufgeregt wie vor 22 Jahren, als wir hier das erste Mal geöffnet haben", erzählte sie. Die Buchhändlerin war auch in den vergangenen Wochen jeden Tag im Geschäft, aber ohne Kollegen und Kunden. "Es war einsam", sagt Heim, auch wenn sie Bestellungen am Telefon aufnahm und ausfuhr. Jetzt ist sie froh, dass die Kollegen und Kunden zurück sind. Einige haben schon stapelweise Bücher gekauft: "Da war Nachholbedarf", so Heim. Schmitt & Hahn war für Peter Schmidt die erste – und einzige – Anlaufstelle des Tages. "Normalerweise bin ich einmal die Woche im Buchladen", erzählte er. Ein Stück weit seien die letzten Wochen für ihn natürlich wie Entzug gewesen, "aber ich habe noch viele Bücher gehabt und lese auch gerne alte Bücher nochmal", so Schmidt. Stattdessen hat er sein Geld bei Restaurants und Cafés für Lieferungen nach Hause ausgegeben, um sie zu unterstützen.
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Auch die Gastronomie hofft im Zuge der Ladenöffnungen nun wieder auf mehr Laufkundschaft. Als plötzlich alle Geschäfte schließen mussten und die Menschen zuhause blieben, holten sich kaum mehr Leute bei Rainer Fuchs einen Kaffee "to go". "Das war nichts dagegen, was sonst los ist", erklärt der Inhaber des Amoroso in der Märzgasse. Nach und nach hätten auch wieder seine Stammgäste bei ihm vorbeigeschaut. "Aber die Stimmung ist eine andere", so Fuchs. Für ihn wie für seine Nachbarn, sie verkaufen Pizzen und Suppen, gilt weiterhin: Nur Außer-Haus-Verkauf ist erlaubt. "Für die Gastronomie wird das eine Katastrophe", glaubt Fuchs. Die staatlichen Soforthilfen seien schnell verpufft.
Florian Knoblauch vom gleichnamigen Schreibwarenladen in der Plöck hofft, dass die Infektionszahlen jetzt nicht wieder hochschnellen. Mit gemischten Gefühlen hat er den Laden wieder geöffnet: "Gott sei Dank ist einiges los. Gott sei Dank nicht zu viel." Die plötzlich angeordnete Schließung hatte ihn in "Schockstarre" versetzt. "Und seelisch hat es auch weh getan", sagt er. Die Kommunikation mit der Kundschaft habe ihm gefehlt. Umso mehr freute ihn, dass die Stammkunden gestern gleich wieder kamen. Manche hat er schon zu Füllfederhaltern beraten – hinter Spuckschutz und mit Maske. Seine Kunden bekommen Handschuhe, wenn sie Stifte ausprobieren. Trotz der umständlichen Maßnahmen: "Es tat richtig gut", so Knoblauch.



