Wiedereröffnung

Wie Schwetzingen am Montag aus der großen Isolation herausschritt

In der Fußgängerzone flanierten die Bürger und nutzten die "neuen Freiheiten", um einzukaufen

20.04.2020 UPDATE: 21.04.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 17 Sekunden
Sie sind froh, dass ein Stück Normalität zurückkehrt: Astrid Kolb (l.) vom Modehaus Bräuninger und Kundin Julia Wirth. Foto: Lenhardt

Von Harald Berlinghof

Schwetzingen. "Mami, ich will aber eine Maske mit Vögelchen drauf", quengelt die kleine Lisa an der Hand ihrer Mutter. Die beiden stehen in einer lockeren Warteschlange, die sich vor einem Stoffladen in der Fußgängerzone gebildet hat. Es hat sich offenbar herum gesprochen, dass man recht einfach mit ein wenig handwerklichem Geschick nicht-medizinische Corona-Masken schneidern kann.

Am Montag war die Zwangsschließung der meisten Geschäfte durch die Landesregierung unter Auflagen aufgehoben worden. Und die Menschen nutzten bei schönstem Frühlingswetter die Gelegenheit, in der Schwetzinger Fußgängerzone zu flanieren und auch, um einzukaufen. "Nein, Angst habe ich eigentlich keine", sagt Lisas Mutter. "Wenn man den Abstand einhält, dann passiert ja wahrscheinlich nichts." Trotzdem steht sie jetzt an, um sich Material für Mundschutz-Masken zu besorgen – für die Kleine, ihren Mann und sich selbst.

Im Eiscafé Sicilia ist der große Besucheransturm bislang ausgeblieben. Kurz vor 12 Uhr ist der Mitarbeiter der RNZ der erste Kunde, der sich eine Eiskugel über die Kühltheke reichen lässt. Essen zum Mitnehmen gab es auch in den vergangenen vier Wochen, Eis aus der Theke dagegen nicht, berichtet Inhaber Thomas Gagliano. Trotzdem: Es ist ein Schritt heraus aus der großen Isolation. "Wir sind froh, dass das normale Leben wenigstens ein bisschen wieder losgeht", betont eine ältere Dame, die mit ihrem Mann Arm in Arm an den Schwetzinger Schaufenstern vorbei flaniert.

Währenddessen verteilen Mitarbeiter des Schwetzinger Ordnungsamts, darunter Amtsleiter Pascal Seidel und Yvonn Rogowski, die Leiterin der Bußgeldstelle, Informationsblätter an die Geschäftsinhaber. Dort wird exakt aufgeführt, was erlaubt und was nicht gestattet ist. "Wir sind nicht hier, um Bußgelder zu verteilen. Wir wollen heute erst einmal informieren", betont Rogowski, bevor sie sich und ihre Mitstreiter Diana Vogt, Sarah Bär, Andreas Oswald, Matthias Jäkel und Andrea Kleiß in alle Richtungen zerstreuen. Dass Geschäfte mit einer Verkaufsfläche von mehr als 800 Quadratmetern geschlossen bleiben müssen, ist allgemeint bekannt.

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In der Schwetzinger Innenstadt wäre davon nur der Drogeriemarkt betroffen, doch der durfte während der gesamten Schließungsphase offen bleiben. Ansonsten gibt es in der "City" keinen Laden, der mehr als 800 Quadratmeter Fläche aufweist.

Auch nicht das Bekleidungsgeschäft Bräuniger, das auf etwa die Hälfte dieser Größe kommt, wie Inhaberin Elke Ackermann – gleichzeitig Vorsitzende des Vereins Stadt-Marketing Schwetzingen – erläutert. "Bei uns ist heute viel Betrieb. Offenbar haben die Menschen Nachholbedarf", freut sie sich nach Wochen des Null-Umsatzes. Aber die Grenze von maximal einer Person auf 20 Quadratmeter wird in dem Verkaufsraum, in dem viel Platz zum Ausweichen bleibt, nicht erreicht. Zusätzlich hat man sich bei einem Schwetzinger Änderungsschneider dort genähte Mundschutzmasken für die Mitarbeiter des Modehauses besorgt, erzählt Ackermann. Auch Trennvorrichtungen zwischen Kasse und Kunden wurden angebracht.

Im Informationsblatt des Ordnungsamts wird außerdem darauf hingewiesen, dass sich in kleineren Geschäften mit bis 40 Quadratmetern Fläche unter Einhaltung der allgemeinen Hygiene- und Abstandsregeln bis zu zwei Kunden gleichzeitig aufhalten dürfen. Der Zutritt zu den Geschäften soll gesteuert und begrenzt werden. In kleineren Geschäften, wie in der Fußgängerzone von Schwetzingen, können die Mitarbeiter das selbst regulieren. Bei Warteschlangen gelten die bekannten Abstandsregeln.

"Wir hatten erhebliche Umsatzeinbußen", betont Jörg Gerkewitz in seinem Laden am nördlichen Eingang der Fußgängerzone. Seine Mutter steht mit blauem Mundschutz hinter dem Tresen. "Fotografen sind ja noch immer Handwerker", sagt er. Deshalb durfte er wenigstens Passfotos verkaufen.

Bei der Buchhandlung Kieser in der Carl-Theodor-Straße weist ein Schild am Eingang darauf hin, dass sich maximal zehn Personen im Laden aufhalten dürfen, und beim Dessous-Geschäft Hunkemöller bedauert man, dass man aufgrund des vorgeschriebenen Sicherheitsabstands "aktuell leider keine BH-Größe messen kann".

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