Ukraine-Krieg und Gas-Versorgung machen Agroa Sorgen
Während das Korn reift, warten die Herausforderungen: Was die Genossenschaft beschäftigt.

Von Christian Beck
Sinsheim/Kraichgau. Erfreuliche Zahlen, ein großer Abschied, aber auch Sorgen im Hinblick auf den künftigen Getreidemarkt sowie die Versorgung mit Gas und Dünger prägten die Generalversammlung der Agroa Raiffeisen-Genossenschaft in der Dr.-Sieber-Halle.
> Die Fusion des Kraichgau-Raiffeisen-Zentrums (KRZ) mit der Labag (Marbach) und der BAG Franken ist abgeschlossen. Erste Synergien machen sich laut Vorstand Stephan Buchholz bemerkbar. Bei der BAG Franken sei es gelungen, "von einem sehr roten Ergebnis in den Bereich der schwarzen Null zu kommen". Dies sei unter anderem gelungen, indem eine defizitäre Kleinmotorenwerkstatt in Möckmühl geschlossen wurde, und das Vertrauen der Landwirte zurückgewonnen werden konnte. Denn manche hätten in der Vergangenheit lieber mit dem Mitbewerber Geschäfte gemacht. Zudem verfügten KRZ und Labag laut Buchholz über einiges an Guthaben, mit dem elf Millionen Euro Schulden der BAG getilgt werden konnten.
> Über sechs Sparten verfügt die Agroa: Bei der Vermarktung der Ernte liegen die Zahlen 2021 sechs Prozent unter dem Vorjahreswert, die Ernte fiel laut Vorstandssprecher Jürgen Freudenberger schlechter aus als erwartet. Im Energie-Sektor sei der Absatz an den Tankstellen gestiegen, beim Heizöl jedoch gefallen. Zunehmend rücken Pellets in den Fokus. Gut sind die Umsätze bei der Landmaschinentechnik, hier machen sich aber zunehmend Auslieferverzögerungen wegen unterbrochener Lieferketten bemerkbar. Die Einkaufsmärkte entwickeln sich laut Freudenberger erfreulich, die Standorte in Buchen und Marbach seien ausbaufähig. Vom Online-Handel will man weiterhin die Finger lassen. Bei der pflanzlichen Produktion sorgt der Dünger für Bauchgrimmen, hier haben sich die Preise im vergangenen Jahr vervielfacht, teilt Freudenberger mit: "So etwas haben wir in 50 Jahren noch nicht erlebt." Mitunter sei die Versorgung knapp.
Bei der Tiernahrung sei die Gesamtlage erfreulich; allerdings reduzierten einige Landwirte wegen schlechter Rahmenbedingungen ihren Tierbestand. Dies bekommt laut Buchholz auch die Agroa-Tochter "Heckel und Stein Landhandel" zu spüren, die ausschließlich mit Futtermitteln handelt und einen sechsstelligen Verlust gemacht hat. Laut Buchholz wurde ihr Sitz von Leingarten nach Eppingen verlegt, um Synergien zu heben. Auch der Fuhrpark soll optimiert werden. "Wir werden uns aus dem Tiernahrungshandel aber definitiv nicht zurückziehen", teilte Buchholz auf Nachfrage mit. Der Gewinn der Agroa beträgt für das vergangene Jahr rund 550.000 Euro, an die Mitglieder wird eine Dividende von drei Prozent ausgeschüttet. Die Geschäftsführung ist mit dem Jahresabschluss zufrieden.
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> Herausforderungen gibt es mehrere: Mitarbeiter werden laut Buchholz abgeworben, Ersatz zu finden, sei mitunter schwer. Fast jeden Tag sei die Versorgung mit Gas ein Thema. Das wird unter anderem benötigt, um Getreide zu trocknen. Aktuell werde untersucht, ob die Anlagen mit Gas aus anderen Teilen der Welt betrieben werden können. 400.000 Euro an Rückstellungen wurden gebildet zur Risikoabsicherung gegen die afrikanische Schweinepest. Würde diese Krankheit im Gebiet der Agroa festgestellt, wäre ein Ernteverbot möglich, erklärt Buchholz.
In diesem Fall wäre es denkbar, dass die Agroa das Getreide nicht wie vereinbart liefern könnte. "So ein Szenario muss durchgespielt werden", erklärt Buchholz. Nicht zuletzt auch der Ukraine-Krieg bereite Sorgen. Man rechne zwar mit einem Plus beim Umsatz, weil die Preise steigen, doch die Entwicklung hier sei momentan kaum abzusehen. Preise, beispielsweise mit Mälzereien, werden oft weit im Voraus ausgehandelt, dies berge momentan ein Risiko.
> Nach 38 Jahren als Vorstand der Agroa und der Vorgänger-Genossenschaften geht Freudenberger Ende Juli in den Ruhestand. Die Geschäftsführung teilen sich künftig Buchholz und Jürgen Häußermann, der frühere Geschäftsführer der Labag. Dass Freudenberger nach vollzogener Fusion und ohne separate Verabschiedung ausscheidet, war sein Wunsch. Landwirt Hauke Hahn aus Siegelsbach bezeichnete ihn als "Gesicht des Kraichgauzentrums" sowie als Visionär, der mit beiden Beinen auf dem Boden steht und die Sprache der Bauern spricht.
Dr. Roman Glaser, Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands (BWGV), skizzierte Freudenbergers Werdegang, der nach dem Tod seines Vaters bereits mit 25 Jahren im Vorstand des Kornhauses Bad Rappenau-Sinsheim saß, und beschrieb ihn als belastbaren und entschlossenen Steuermann, dem die Region am Herzen liegt. Glaser verlieh Freudenberger die höchste Auszeichnung des BWGV, die Ehrennadel in Gold. Zuvor hatte Glaser erzählt, dass es lange gedauert hatte, bis er Freudenbergers Humor verstanden habe.
Passend dazu sorgte der scheidende Vorstandssprecher für Lacher, als er erzählte, dass er und seine Frau sich schon aus der Kindergarten und Grundschulzeit kennen, sie sich damals aber "eigentlich nie verstanden" haben. Auf Hahns Bemerkung hin sagte er schmunzelnd, es sei wichtig, sich bei einem Besuch eines Landwirts gut zu merken, wo der Ausgang ist. Und er merkte an, dass er sein eigenes Bild nicht so hell und freundlich gemalt hätte. Mit Dank verabschiedete er sich und erhielt stehende Ovationen.