Dreier-Hochzeit zu "Agroa" bringt erste Synergieeffekte
Die neue landwirtschaftliche Genossenschaft ist nun die größte in Süddeutschland. Der BAG-Verlust ist inzwischen nahezu ausgeglichen.

Von Armin Guzy
Eppingen/Kraichgau. Agroa – so richtig flüssig geht der neue Namen noch nicht über alle Lippen, wie Vorstandssprecher Jürgen Freudenberger einräumt. Der von Studenten entwickelte Kunstname steht für "Agrargenossenschaft mit regionaler Ausrichtung", und hinter ihm verbirgt sich Großes: Die Agroa Raiffeisen eG, entstanden aus der Fusion des Eppinger Kraichgau-Raiffeisen-Zentrums, der Labag aus Marbach und BAG-Franken (Bad Friedrichshall), ist die größte landwirtschaftliche Primärgenossenschaft in Süddeutschland und liegt mit etwa 270 Millionen Euro Jahresumsatz bundesweit auf Platz 17.
Ein Schmerzschrei ist "Agroa" offenkundig für die meisten Beteiligten nicht, das zeigte sich am Freitag bei der Pressekonferenz, bei der der endgültige Vollzug der seit Monaten laufenden Fusion rückwirkend für das Jahr 2021 vermeldet wurde: Dem gewachsenen Gesamtunternehmen geht es gut, man erwartet einen Jahresüberschuss von rund 110.000 Euro für 2021, verfügt über 41 Millionen Euro Eigenkapital, Ab- und Neuzugänge unter den rund 440 Mitarbeitenden halten sich annähernd die Waage, und auch die ersten der erhofften Synergieeffekte haben sich bereits eingestellt. Finanzvorstand Stephan Buchholz spricht von einer angestrebten Größenordnung von rund 1,3 Millionen Euro, um die sich der Agroa-Gesamtaufwand im Vergleich zum bisherigen Einzelaufwand der drei Genossenschaften künftig verringern soll. Und auch wenn Freudenberger sagt, "Größe ist für uns kein Indiz für gut", ist die mit der Fusion gestiegene Marktmacht doch auch für die etwa 3200 Mitglieder ein Vorteil: War das Raiffeisen-Zentrum bisher schon "ein attraktiver Partner", so ist es Agroa nun erst recht: Die Fusion habe die Aufmerksamkeit der Industrie erhöht, lässt Buchholz durchblicken.
Gleichwohl war der Weg zur Fusion kein ebener; auch Kritik war zu hören. Die BAG schrieb jahrelang Verluste, zuletzt 600.000 bis 800.000 Euro, und musste erst "fusionsreif" gemacht werden. "Sonst hätten wir das unseren Landwirten wohl nicht vermitteln können", räumt Freudenberger ein. Heute steht auch die Mehrheit der BAG-Mitglieder hinter der Fusion, und inzwischen ist aus dem Minus fast eine Null geworden. Buchholz spricht von "einem beachtlichen Weg, der noch nicht zu Ende ist."
Erleichtert wurde die Sanierung durch eine frühzeitige Fluktuation leitender BAG-Mitarbeiter und einem Sanierungskostenzuschuss über zwei Millionen Euro seitens der genossenschaftlichen Selbsthilfeeinrichtung. Wichtig für private und landwirtschaftliche Kunden: Nachdem das Unternehmen den Mini-Standort in Kleingartach und das Kleinmotorenwerk in Möckmühl aufgegeben hat, steht laut Freudenberger momentan keiner der Raiffeisenmärkte oder Agrarstandorte zu Disposition. Was jedoch nicht heißt, dass es keine Veränderungen geben wird: Das Thema "Bio" wird künftig eine größerer Rolle spielen, was sich auch in Umbaumaßnahmen widerspiegeln soll. Für die desolate Getreideannahme in Buchen gebe es beispielsweise mehrer Szenarien, und der Raiffeisenmarkt dort soll weiterentwickelt oder gar neu gebaut werden. Derzeit liefen entsprechende Gespräche mit der Stadt. "Wir sind in Buchen investitionsbereit", versicherte Buchholz.
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Obwohl die sieben Agroa-Tankstellen modern sind und dem Vorstand derzeit "richtig Spaß machen", werden sie mittelfristig als Auslaufmodell gesehen. "Wir müssen hier drehen", sagt Freudenberger, und auch Vorstand Jürgen Häußermann, der von der Labag ins neue Leitungsteam gekommen und für die Sparten Landwirtschaftliche Produktion und Energie zuständig ist, sieht die Abkehr von fossilen Brennstoffen als unvermeidbar. Das Wasserkraftwerk der BAG bei Bad Friedrichshall bleibt indes erhalten, und beim Verkauf von Holzpellets will Agroa noch zulegen. "Wir sehen darin einen Wachstumsmarkt", sagt Häußermann, nicht zuletzt, weil die Agroa-Silos enorme Lagerkapazitäten haben. Also könnte man einkaufen, wenn der Pelletpreis gerade günstig ist. Aber auch das Solargeschäft soll forciert werden, wobei die Genossenschaft eher ihre Dächer bestücken als Freiflächenanlagen bauen will.
Der Handel mit Brennstoffen ist mit einem Anteil von 28 Prozent am Umsatz inzwischen gewichtiger geworden als die Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte, die 23 Prozent zum Umsatz beiträgt. Hinzu kommen der Bereich Pflanzliche Produktion mit 13 Prozent, die Sparte Tiernahrung mit zehn und der Landtechnik-Service mit 13 Prozent Umsatzanteil.
In dieser Größenordnung tragen auch die 17 Raiffeisen-Märkte zum Umsatz bei, im zurückliegenden Jahr mit klar gestiegener Tendenz: "Corona war für die Raiffeisenmärkte schon ein kleiner Turbo", sagt Buchholz, schiebt aber gleich nach, dass es noch unklar sei, ob diese Entwicklung langfristig anhält.
Was die neue Genossenschaft zu leisten imstande ist, wird sie ihren Mitgliedern schon in wenigen Wochen beweisen müssen – vor allem denjenigen, die noch aktiv Landwirtschaft betreiben: Weil sich der Preis für den Düngergrundstoff Ammoniak in den zurückliegenden Monaten verdrei- oder gar vervierfacht hat, habe sich auch der Preis für Düngemittel "sehr, sehr dramatisch entwickelt", bei zugleich gesunkener Verfügbarkeit, schilderte Häußermann. Agroa sei zwar in der Lage, den Bedarf ihren Landwirte für die demnächst anstehenden ersten beiden Düngergaben zu decken, doch wie es danach weitergeht, sieht auch Freudenberger mit Sorge. Er fürchtet, dass ohne ausreichenden Dünger sowohl Qualität als auch Ertrag sinken, und für die Landwirte unterm Strich dann weniger übrig bleibt, weil die hohen Ausgaben für Dünger schon von vorneherein einen Teil des noch nicht gemachten Gewinns aufzehren. "Es wird spannend", sagt er.
Hinzu kommt, dass inzwischen auch im neuen Agroa-Gebiet – zwischen Marbach im Süden, Buchen im Norden, Möckmühl im Osten und Bammental im Westen – die vormals straffen Lieferketten immer öfter durchhängen. Auch hier wird die neue Genossenschaft ihren Mitgliedern beweisen müssen, dass die Fusion von Vorteil war.
Dass "Agroa" trotz aller Konkurrenz unter den landwirtschaftlichen Genossenschaften übrigens auch nicht als Kampfschrei verstanden werden soll, machte Freudenberger mit diesem Satz deutlich: "Sie können sicher sein: Wir planen nicht gleich die nächste Fusion!"