Kreistag verabschiedet Haushalt für 2023
Energieagentur ist neuer Aufgabenschwerpunkt. 47 Millionen Euro werden investiert und die Kommunen nicht stärker zur Kasse gebeten.

Heilbronn. (guz) Der Kreistag Heilbronn hat in seiner jüngsten Sitzung den Haushalt für 2023 einstimmig verabschiedet. Er hat ein Volumen von 503 Millionen Euro und ist defizitär: Den rund 451 Millionen Euro Aufwendungen stehen 445 Millionen Euro Erträge gegenüber. Ausgeglichen wird dieser Fehlbetrag von 6,1 Millionen Euro durch Entnahmen aus den Rücklagen. Der Landkreis rechnet zum Ende des Jahres 2023 mit einem Schuldenstand von 67 Millionen Euro.
Die Kreisumlage, also den Betrag, den die 46 Städte und Gemeinden an die Landkreisverwaltung überweisen, bleibt auch im kommenden Jahr unverändert bei 27 Prozentpunkten. Weil sich die Steuerkraftsummen der Kommunen im Vergleich zum laufenden Jahr verringern, bedeutet dies für den Kreishaushalt einen Rückgang von voraussichtlich 4,6 Millionen Euro. Dennoch wird auf eine Erhöhung der Umlage verzichtet, um die derzeit finanziell oft nicht einfache Situation der Städte und Gemeinden zu berücksichtigen, die nun um diesen Betrag entlastet werden.
Hintergrund
Nico Morast (> CDU) nannte das 500 Seiten umfassende Zahlenwerk einen "mutigen Rekordhaushalt" und betonte, dass die Belastungsgrenze bei Landkreis und Kommunen erreicht sei. Daher müssten "Standards zwingend heruntergeschraubt" und der Fokus wieder auf das Erforderliche
Nico Morast (> CDU) nannte das 500 Seiten umfassende Zahlenwerk einen "mutigen Rekordhaushalt" und betonte, dass die Belastungsgrenze bei Landkreis und Kommunen erreicht sei. Daher müssten "Standards zwingend heruntergeschraubt" und der Fokus wieder auf das Erforderliche gerichtet werden. Die geplanten Investitionen in den Klinikverbund nannt er nicht nur erforderliches, sondern für die Gesundheitsversorgung vor Ort auch gut angelegtes Geld.
Die > FWV sieht in dem Haushalt eine "faire Ausgewogenheit für alle Seiten". In Hinblick auf den Klinikverbund sagte Sprecher Ralf Steinbrenner aber: "Was die Haushalte des Landkreises und SLK verbindet, sind Fachkräftemangel, krisenbedingte sowie unterfinanzierte Mehrbelastungen und ein immer größer werdendes Bürokratiemonster." Und Lösungen dafür könne nur "die große Politik" bieten. Zugleich warnte er: "Wenn unsere Bevölkerung immer weniger versteht, was die Politik veranlasst, wachsen Frust sowie Protest, und wir schlittern weiter in eine Demokratiekrise."
Der Haushalt bilde "den Spagat zwischen ,Gürtel enger schnallen‘ und zukunftsweisende Entscheidungen für den Landkreis Heilbronn" ab, befand Bernd Bordon (> SPD). Zugleich forderte er von der Landkreisverwaltung eine Untersuchung dazu, wie sich andere Landkreise bei der Schaffung von Wohnraum engagieren, um funktionierende Modelle auch auf den Kreis Heilbronn zu übertragen. Außerdem forderte er Nach-Verhandlungen bei den Krankenhaus-Budgets. Brigitte Wolf (> Grüne) regte in ihrer Stellungnahme zum Haushalt an, die Flächen für Fotovoltaik im Landkreis mindestens zu verdoppeln, den Klimaschutz zu forcieren und den ÖPNV schneller auszubauen. "Das dauernde Krisenmanagement blockierte das, was dringend hätte kommen müssen", bedauerte sie und machte sich, wie zuvor Bordon, für den Ausbau von bezahlbarem Wohnraum stark.
Jörg Kögel von der > AfD forderte "eine ergebnisoffene Diskussion" über vorgegebene Standards, eine Entbürokratisierung und Entschlackung von Verfahren und, bis auf Weiteres, die "Aussetzung der Einführung des Rechtsanspruchs auf eine Ganztagesbetreuung in der Grundschule". Michael Mühlschlegel (> FDP) bekannte, dass seine Fraktion ein Problem mit dem erneut um 53 Personalstellen erhöhten Stellenplan hat und diesem nur mehrheitlich zustimme. Er begrüßte, dass der Bereich Energie und Klima zukünftig als Stabsstelle direkt bei Landrat Heuser angesiedelt ist: Das zeige, "welche Bedeutung Sie diesem Thema beimessen".
Kritischer äußerte sich Klaus Ries-Müller (> ÖDP) zu diesem Punkt: "Wir warten, dass es endlich losgeht mit konkreten Maßnahmen beim Klimaschutz", schließlich sei dieser das zentrale Thema Heusers beim Landrats-Wahlkampf gewesen. Nach Jahrzehnten des Aussitzens sei der Landkreis heute deutliches Schlusslicht beim Klimaschutz im Land, sagte Ries-Müller und forderte deutlich mehr Fotovoltaik auf kreiseigenen Gebäuden.
Florian Vollert (> Linke) begrüßte hingegen den geplanten Personalzuwachs, insbesondere im Bereich des Klimaschutzes, und den Start der Energieagentur. Zugleich sprach er sich für eine Überführung aller Krankenhausbeschäftigten in das Tarifsystem des Öffentlichen Dienstes aus und regte an, beispielsweise die Müllabfuhr in die öffentliche Hand zu überführen, statt sie Privatkonzernen als gewinnträchtiges Betätigungsfeld zu überlassen. (guz)
"Wir sind ein starker Landkreis, der auch in diesen herausfordernden Zeiten seinen Kommunen verlässlich zur Seite steht", sagte Landrat Norbert Heuser dazu. Dennoch: In seiner Haushaltsrede hatte er auch die weiter "rasant steigenden Ausgaben" und die möglichen Folgen skizziert: "Wenn wir nicht rechtzeitig gegensteuern, geraten auch die Strukturen der kommunalen Haushalte ins Wanken." Er betonte aber auch: "Im Vergleich zu anderen Kreisen stehen wir noch ganz ordentlich da."
Der größte Posten ist mit 273 Millionen Euro erneut der Sozial-Etat. Die Unterbringung und Versorgung geflüchteter Menschen, die Eingliederungshilfe, die Grundsicherung für Arbeitsuchende und die Jugendhilfe sind dabei die kostenintensivsten Blöcke. Für das Personal der Landkreisverwaltung sind im kommenden Jahr insgesamt 88 Millionen Euro eingeplant – das sind rund sieben Millionen mehr als im laufenden. Alleine höhere Löhne und Gehälter sowie strukturelle Veränderungen schlagen mit 3,4 Millionen Euro zu Buche.
Mit 47 Millionen Euro sind auch die vorgesehenen Investitionen stattlich. Allein 19,8 Millionen Euro davon entfallen auf den laufenden Ausbau des SLK-Klinikums, acht Millionen Euro auf den Neubau der Straßenmeisterei in Abstatt und 5,4 Millionen Euro auf den Bau und die Instandhaltung von Kreisstraßen und Radwegen. Erhebliche Ausgaben, nämlich 3,9 Millionen Euro, sind außerdem für den Kauf von Fahrzeugen und Ausstattung im Bereich Brand-/Katastrophenschutz vorgesehen.
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Weil die geplanten Investitionen nur zum Teil aus dem Zahlungsmittelüberschuss des Ergebnishaushalts – rund 8,4 Millionen Euro – finanziert werden können, sollen neue Kredite im Umfang von insgesamt 25 Millionen Euro aufgenommen werden; außerdem werden rund 16,5 Millionen Euro liquide Eigenmitteln zur Deckung verwendet. Es geht also an die Rücklagen.
Wichtigstes Zukunftsthema für den Landkreis ist der Bereich Energie und Klimaschutz. Für 2023 ist die Gründung einer kreiseigenen Energieagentur geplant, die auch Landkreiskommunen gezielte Beratungen anbieten soll. Dafür wurden 500.000 Euro im Haushalt bereitgestellt. "Derzeit befinden wir uns in der Stellenbesetzung der Gründungsgeschäftsführung, um im neuen Jahr sofort loslegen zu können und keine Zeit zu verlieren", erklärte Heuser. Durch zwei zusätzliche Personalstellen konnte zudem bereits mit der Erstellung eines integrierten Klimaschutzkonzepts begonnen werden.
In den Stellungnahmen der Fraktionen klang wiederholt die Sorge um Kosten und Tempo bei der Sanierung oder dem Neubau des Berufsschulzentrums in Böckingen an. Einen genauen Fahrplan für das Großprojekt gibt es noch nicht. Aber allen ist klar, dass es angesichts des auf mindestens 150 Millionen Euro geschätzten Eigenanteils des Landkreises die Haushalte der kommenden Jahre in einem Ausmaß prägen wird, wie es bislang nur bei der Erweiterung und dem Umbau der Kliniklandschaft der Fall war.