Bedienstete der Stadt streiken
Erstmals seit vielen Jahren fand in Eppingen wieder ein Warnstreik statt. Dabei stellte sich auch Oberbürgermeister Klaus Holaschke hinter die Forderungen.

Von Angela Portner
Eppingen. Deutschlandweit kämpft die Gewerkschaft "Verdi" für höhere Löhne und einen Inflationsausgleich. Weil von Arbeitgeberseite bisher kein akzeptables Angebot kam, legten am Dienstag erstmals auch in der Fachwerkstadt Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes ihre Arbeit nieder.
Mit Trillerpfeifen und Plakaten liefen sie vom Bauhof über die Heilbronner Straße und die Bahnhofsstraße zum Marktplatz: "Kindeswohl zu Discounterpreisen?" oder "Lohn rauf – Kita auf!" stand auf den Plakaten. Andere machten darauf aufmerksam, dass es dort ohne Fachkräfte auch keine Qualität in der Betreuung geben könne. Die sechs städtischen Kitas blieben an diesem Tag zu oder boten Notbetreuung an.
Wer mit den Erzieherinnen der beiden Kindertagesstätten Kinderhaus und der dazugehörigen Einrichtung am Hellberg spricht, dem wird schnell klar, dass es nicht nur um die Forderung nach besserer Bezahlung geht: Es ist der Personalmangel, der den Angestellten zu schaffen macht. Sieben der dort tätigen zwölf Erzieherinnen waren gekommen, um ihrem Unmut Luft zu machen. Sie erzählten, dass derzeit zwei Erzieherinnen in einer Gruppe 18 Kinder betreuen, was im Idealfall dem derzeitigen Personalschlüssel entspricht.
Doch spätestens, wenn jemand wegen Krankheit ausfällt, muss eine Erzieherin alleine die Kinder versorgen. Weil wegen des Flüchtlingszuzugs aus der Ukraine dringend mehr Plätze benötigt werden, kann die Gruppenstärke künftig auf 20 erhöht werden. Um das zu stemmen, gibt es eigentlich nur eine Lösung: Man braucht mehr Personal, doch der Markt ist wie leergefegt. Dazu kommt, dass es immer weniger Auszubildende gibt. Um das Problem nachhaltig zu lösen, müssten sowohl Arbeitsbedingungen als auch Bezahlung besser werden, wird gefordert.
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"Es ist Zeit, ein Zeichen zu setzen", rief Gewerkschaftssekretär Christian Störtz den Streikenden entschlossen zu. Fast 80 Teilnehmer hat er gezählt – auch die Mitarbeiter des Bauhofs waren dabei. Viele trugen eigene Plakate, andere schwenkten gemeinsam das der Gewerkschaft: "Gerecht geht anders."
Angeführt wurde der unüberhörbare Tross von einem grauen Transporter, aus dem Musik dröhnte. Gleich dahinter folgte das fast straßenbreite blaue Transparent mit der Forderung nach 10,5 Prozent, aber mindestens 500 Euro mehr Lohn bei einer Laufzeit von zwölf Monaten.
Das Angebot der Arbeitgeber sieht nach der zweiten Verhandlungsrunde lediglich eine Erhöhung von drei Prozent im Oktober und eine weitere von zwei Prozent im Juni 2024 mit einer Laufzeit von 27 Monaten vor. Dazu kämen 1500 beziehungsweise 1000 Euro Inflationsausgleichsprämien, die nicht versteuert werden müssten.
"Das Angebot ist an Dreistigkeit nicht zu übertreffen", rief Bezirksgeschäftsführerin Katharina Kaupp den Anwesenden auf dem Marktplatz kämpferisch zu. Eine solche Tarifrunde habe man seit den 1970er-Jahren nicht mehr erlebt. Sie machte deutlich, dass man zwar keinen Erzwingungsstreik wolle, aber im Ernstfall auch nicht davor zurückschrecken werde. Die an einigen Fenstern des Rathauses erschienenen Mitarbeiter ermunterte sie, sich dem Streik anzuschließen.
Dass während der Veranstaltung die Werbetrommel für eine "Verdi"-Mitgliedschaft gerührt wurde, lässt vermuten, dass bisher nur wenige der Streikenden gewerkschaftlich organisiert sind. Für Überraschung und Beifall sorgte der Auftritt von Oberbürgermeister Klaus Holaschke, der seine Position deutlich machte: "Jetzt ist der Öffentliche Dienst mal dran, einen großen Schluck aus der Pulle zu bekommen", forderte auch er.