Hunde ließen keinen zum toten Herrchen
Pfefferspray hatte die Vierbeiner offenbar bis aufs Äußerste gereizt – Verhaltensbiologin: "normales Verhalten"

Nach der Aufregung des Vortrags erwiesen sich die Hunde am gestrigen Montag als friedfertig.
Von Günther Keller und Material von dpa
Epfenbach. Hunde, die Haus und Hof ihres Herrchens auch nach dessen Tod verteidigten, haben am Sonntag einen Großeinsatz von Polizei, Feuerwehr, Tierrettung und Ordnungskräften ausgelöst. Die Tiere, ein Rottweiler und mehrere Malinoise-Schäferhunde, ließen niemanden in das Gebäude, in dem ein verstorbener Mann vermutet wurde.
Der Rentner war tagelang nicht mehr gesehen worden. Erst nachdem zwei Hunde, die sich besonders vehement gegen vermeintliche Eindringlinge wehrten, mit Schlafmitteln im Futter ruhig gestellt werden konnten gelangten Helfer ins Haus. Dort fand man den leblosen 80-Jährigen.
Der Bürgermeister hatte seine Schrotflinte geholt, ein Polizist hielt seine Maschinenpistole einsatzbereit, der Heidelberger Zoo hatte einen Tierpfleger mit einem Betäubungsgewehr auf den Weg geschickt, die Hauptstraße war abgesperrt, und Polizei in Vollschutz stand parat - dieses Szenario hielt das Dorf stundenlang in Atem.
Zum Schluss musste dann doch kein schweres Geschütz eingesetzt werden. "Es ging glimpflich aus", bilanzierte ein Mitarbeiter der Haus- und Wildtierrettung Neckartal-Odenwald. Auch den Hunden, die sich hinterher als durchaus friedlich erwiesen, wurde durch Menschenhand kein Haar gekrümmt. Für den Hausbewohner kam allerdings jede Hilfe zu spät. Der Mann war vermutlich bereits am Mittwochabend gestorben. Seine Hunde waren "sein ein und alles gewesen", sagte eine Nachbarin.

Die Hunde in einem Anwesen der Hauptstraße hielten am Sonntag die Ordnungskräfte in Trab und die Nachbarn in Atem. Fotos: privat
Dass Verwandte, die bei dem seit Längerem erkrankten 80-Jährigen nach dem Rechten sehen wollten, offenbar versucht hatten, sich die insgesamt sieben Hunde vom Leibe zu halten, in dem sie am Hofeingang Pfefferspray in hoher Dosis versprühten, erwies sich als keine gute Idee: Vor allem zwei Schäferhunde waren "höchst aggressiv", wie Bürgermeister Joachim Bösenecker schilderte; sie kläfften alle an, die sich ihnen näherten, knurrten heftig und sprangen in Richtung der unwillkommenen Besucher.
Vier Hunde konnten vergleichsweise problemlos aus dem Areal geholt werden; aber die übrigen Artgenossen erwiesen sich als Problemfall. Ein Tierarzt, der ein Betäubungsmittel in einem Futternapf verrührt hatte, musste feststellen, dass die Hunde, die ausgehungert und dehydriert wirkten, keine Reaktion zeigten und weiter unablässig gegen die Eindringlinge anbellten.
Um ins Haus zu gelangen, wurde überlegt, die Hunde zu erschießen: "Zu gefährlich" befand allerdings der Einsatzleiter der Polizei angesichts der Betonflächen rund ums Haus und wegen der Gefahr von Querschlägern beim Einsatz von Vollmantel-Munition. Deswegen holte Bürgermeister Bösenecker, selbst Sportschütze, seine Schrotflinte - setzte die Waffe aber nach Rücksprache mit der Polizei dann doch lieber nicht ein. Bösenecker erklärte den Einsatz zur "Maßnahme der Ortspolizeibehörde" - nicht zuletzt, weil es am Rande des Geschehens Diskussionen über die Kostenübernahme gegeben hatte.
Nach über vier Stunden zeigten die Hunde dann doch Ermüdungserscheinungen. Schließlich konnten die Helfer der Tierrettung, eskortiert von der Polizei, auf das Anwesen gelangen und die Vierbeiner in Hundeboxen verfrachten. Zwei Hunde mussten zu Tierärzten gebracht werden, weil sie offenbar von Artgenossen gebissen worden waren. Der Rottweiler war körperlich ebenfalls dermaßen mitgenommen, dass er veterinärärztlich versorgt werden musste.
"Hunde sind soziale Wesen", sagte Verhaltensbiologin Ariane Ullrich vom Berufsverband der Hundeerzieher und Verhaltensberater in Hofheim bei Wiesbaden, "und so ein Verhalten ziemlich normal". Sie seien verunsichert, wenn mit ihrem Menschen etwas nicht in Ordnung sei, und stünden unter besonderem Stress. Aufpassen und das Verteidigen der Umgebung gegen Eindringlinge sei bei Wachhunden nicht ungewöhnlich. "Nicht mal, wenn sie dabei sehr aggressiv werden."
Zu schaffen machte den Vierbeinern zudem das Pfefferspray. Dessen hohe Konzentration trieb sogar den Helfern, die mit den Hundehaaren in Kontakt gekommen waren, die Tränen in die Augen. Die Tiere sind nun in den Tierheimen Sinsheim und Dallau untergebracht.
Nach dem Einsatz zollte Bürgermeister Bösenecker der Haus- und Wildtierrettung höchsten Respekt für ihr besonnenes und professionelles Vorgehen. Kritisiert wurde von anderen Seiten die offensive Neugierde von "Gaffern".