Ehemalige Heeres-Munitionsanstalt

Abrisstrupp zwischen Blindgängern in Siegelsbach (plus Fotogalerie)

Voraussichtlich bis 2024 werden auf dem "Muna"-Gelände 32 Gebäude der US-Armee abgerissen. Die Kosten liegen bei drei Millionen Euro.

14.12.2022 UPDATE: 13.12.2022 20:30 Uhr 2 Minuten, 59 Sekunden
Weil einige der Materialien Asbest enthalten, sind die Arbeitsbereiche auf dem ohnehin schon eingezäunten „Muna“-Gelände nochmals gesondert abgesperrt. Foto: Falk-Stéphane Dezort

Von Falk-Stéphane Dezort

Siegelsbach. Er ist geschützt, wie kaum ein anderer Wald. Meterhohe Zäune mit Stacheldraht trennen ihn von der Außenwelt. So gut wie niemand darf die Sperrzone betreten, denn es droht Gefahr.

Doch zurzeit herrscht auf dem Gelände der ehemaligen Heeres-Munitionsanstalt (Muna) im Westen von Siegelsbach emsige Betriebsamkeit: Im Auftrag des Bundes werden dort jetzt die Gebäude der US-Armee abgerissen.

Für die Mitarbeiter des Heilbronner Unternehmens "SER" dürfte der Auftrag zum Abriss ein ganz besonderer sein. Im Zweiten Weltkrieg bauten die Nationalsozialisten auf dem Areal Artilleriegranaten und lagerten dort in der Endphase des Krieges auch "V2"-Raketen.

Später nutzten die US-Armee und die Bundeswehr das rund 200 Hektar große Gelände als Munitions- und Gerätedepot. Zeitweise waren dort sogar Atomsprengköpfe der amerikanischen Pershing-Raketen gelagert.

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Somit ist bei den Arbeiten Vorsicht geboten, denn es ist nicht ausgeschlossen, während der Maßnahme auf Blindgänger zu stoßen. "Die Rückbaufirma wurde entsprechend eingewiesen. Sie sollen die Gebäude von vorne anfahren und nicht in den Wald fahren", erklärt Andreas Kerschbaum vom staatlichen Hochbauamt mit Sitz in Heidelberg jüngst bei einem Termin auf der Baustelle.

Die Bundesbehörde ist federführend für den Abriss in Siegelsbach verantwortlich. Und er sagt weiter: "Wir suchen nicht nach Blindgängern. Sollten wir welche finden, werden sie beseitigt. Wir stehen im Kontakt mit dem Kampfmittelräumdienst."

Begonnen haben die Arbeiten Ende Oktober, denn sie dürfen nur in der vegetationsarmen Zeit zwischen Oktober und Ende Februar ausgeführt werden, erklärt Adolfo Castañeda Zarauz, ebenfalls vom staatlichen Hochbauamt. Daher geht er davon aus, dass es rund zwei Jahre dauern wird, bis alle 32 Gebäude abgerissen sind.

Nachdem zunächst die Gebäude im Inneren entkernt und Asbest-belastete Gebäudeteile vom Rest getrennt wurden, werden die Häuser nach und nach zurückgebaut.

Kritisch wird es, sobald die Arbeiter an die Bodenplatten der Gebäude müssen. Denn niemand kann vollkommen ausschließen, dass darunter noch Blindgänger zu finden sind.

Zwar wurden die Kasernen, Truppenräume und Sportanlagen größtenteils in den 1950er-Jahren gebaut, sodass "in dem Bereich eigentlich nichts sein dürfte", wie Kerschbaum sagt, jedoch wolle man kein Risiko eingehen.

Auch weil man als Grundlage nur ein Schriftstück von 1948 hat, in dem laut Kerschbaum "nicht wirklich" etwas dokumentiert wurde: "Wir vermuten, dass sich auf dem ganzen Gelände noch vieles im Boden befindet."

Aufgrund dessen seien die Bauarbeiter angehalten worden, nicht tiefer als 50 Zentimeter in den Boden zu graben, erklärt der Hochbauamtsmitarbeiter weiter. "Sollten die Gebäude tiefere Fundamente haben, müssen die im Boden bleiben."

Und bestehende Keller werden bis maximal 1,50 Meter abgebrochen, zum Abfluss von Sickerwasser durchbohrt und anschließend verfüllt. Und zu guter Letzt werden die einstigen Bauplätze wieder mit Mutterboden bedeckt.

All das geschieht unter den wachsamen Augen von Johannes Brändle. Er betreut als Revierförster im Auftrag der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima), die Eigentümerin des Geländes ist, das rund 200 Hektar große Areal.

Wenn voraussichtlich 2024 der Bautrupp wieder vollständig abrückt, ist der "Herr des Waldes" mit der Renaturierung betraut. Viel machen müsse er dafür aber nicht: "Das holt sich die Natur schon zurück", sagt Brändle.

Aufgeforstet werden soll nichts. "Das Gebiet muss sich wieder langsam entwickeln", erklärt der Förster. Und Kerschbaum ergänzt: "Die Tiere müssen sich auch wieder anpassen können."

Eigentlich hätte die Maßnahme auf dem "Muna"-Gelände, das bis 2010 noch genutzt wurde, schon vor rund zehn Jahren ausgeführt werden sollen, erinnern die beiden. "Doch die Planungen haben gestockt", sagt Kerschbaum.

Beispielsweise hätten zunächst verschiedene Prüfungen und Gutachten sowie die Umsiedelung von heimischen Tierarten wie Echsen, Faltern und Fledermäusen erfolgen müssen.

Zudem zogen sich die Abstimmungen mit dem Regierungspräsidium Stuttgart, das den Schutt der Gebäude gegebenenfalls für den Autobahnbau wiederverwenden wollte, in die Länge.

Rund drei Millionen Euro investiert der Bund in die Entsiegelung auf dem "Muna-Gelände". Dabei werden auch sogenannte Ökopunkte gesammelt, die wiederum bei anderen Bauvorhaben eingesetzt werden können.

Wie viele Punkte mit dem Rückbau erzielt werden, konnte Marlene Jandt von der Bima auf RNZ-Nachfrage nicht detailliert beantworten, nannte aber eine ungefähre Größenordnung. "Für die Entsiegelung von bebauten und befestigten Flächen auf einer Fläche von 2,8 Hektar können maximal rund 450.000 Ökopunkte im Wirkungsbereich Boden erzielt werden."

Abzüge gebe es in Siegelsbach jedoch aufgrund der Kampfmittelproblematik, weshalb die Schottertragschicht der Wege nicht abgetragen wird. "Durch die Entwicklung von Wald durch Sukzession auf den entsiegelten Flächen sollen weitere rund 280.000 Ökopunkte im Wirkungsbereich Biotope erzielt werden", führt sie weiter aus.

Ort des Geschehens

Wofür die Punkte eingesetzt werden sollen, ist ebenfalls noch unklar, sagt Jandt. "Grundsätzlich können die Ökopunkte von jedem Vorhabenträger erworben werden. Bundesvorhaben haben jedoch Priorität."

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