Die Flammen zerstörten seinen Lebenstraum
Der schlechte Handyempfang verhinderte, dass schnell Verstärkung gerufen werden konnte. Der Dorfkrug-Wirt André Walther und seine Familie stehen nun vor dem Nichts.

Von Anjoulih Pawelka
Helmstadt-Bargen. "Das war mein Lebenswerk", sagt André Walther und ist den Tränen nahe. Dieses Lebenswerk besteht nun nur noch aus Ruß, Asche und Zerstörung. Was einst der Dorfkrug mitten in Bargen war, wurde durch ein Feuer zerstört, der Schaden geht in die Hunderttausende. Vor 25 Jahren hat Walther das Gebäude gekauft, als er eigentlich nur auf der Suche nach einem Haus war.
Die Gaststätte im Erdgeschoss hat er am Anfang nur nebenbei betrieben und mit den Jahren zu einem beliebten Lokal etabliert. Der gelernte Schreiner hat alles selbst renoviert und gestaltet. Lediglich für die Elektrizität und Sanitäranlagen hat er Handwerker engagiert. Die letzte Wand im Gastraum hat er erst vor fünf Wochen neu auf Vordermann gebracht.
Nun ist davon nicht mehr viel übrig. Was das Feuer nicht zerstört hat, das hat das Löschwasser dahingerafft. Überall im Erdgeschoss sind Risse in der Decke – und auch im bis vor Kurzem noch funktionierenden Kachelofen. Der Boden im Gastraum wellt sich. Doch das ist alles noch kein Vergleich zu dem, was einen im Obergeschoss erwartet. Walther steigt die schmale, steile Treppe hinauf, die er auch selbst gebaut hat. Oben angekommen gibt es ein Bild der Zerstörung. Im Flur ist der Blick gen Himmel völlig frei, denn der ganze Dachstuhl ist abgebrannt. Jeder einzelne Balken, jede einzelne Wand ist einfach nur schwarz. Auf dem Boden, der nicht mehr sichtbar ist, liegen Glasscherben und noch mehr verrußtes Material. Auch nach eineinhalb Wochen riecht es noch verbrannt in dem Gebäude.

Das Zimmer von Steven Walther, dem geistig eingeschränkten Sohn der Familie, gleicht einem dunklen Loch. Eine Actionfigur ist eine der wenigen Sachen, die den Brand überstanden hat. Und dabei war das Sammeln dieser Figuren doch Steven Walthers Leidenschaft. Im ehemaligen Wohnzimmer ist die Zerstörung noch größer. Der Raum grenzt an den Brandherd. Es war die Umwälzpumpe des Whirlpools, die einen technischen Defekt hatte, und das Feuer ausgelöst hat (wir haben berichtet). Das Feuer hat alles zerfressen, auch die neuen Möbel, die die Familie erst im vergangenen Jahr gekauft hat.
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Dass die Walthers noch am Leben sind, ist das größte Glück. Es hätte aber auch anders ausgehen können. Wäre Kerstin Walther nicht zufällig am Sonntag um 6.30 Uhr aufgewacht und hätte die Flammen auf dem Balkon entdeckt, wären sie wohl alle erstickt. Sie hat gleich ihren Mann gerufen und gebrüllt, dass ein Feuer ausgebrochen ist. Der versuchte noch, die Flammen zu löschen. Als er die Terrassentür mit dem paradiesischen Blick auf die Felder aufgemacht hat, sind ihm die Flammen schon entgegengekommen. Dabei hat er sich seine Hände verbrannt, erklärt der 57-Jährige. "Innerhalb von Minuten waren die Flammen da", sagt Kerstin Walther.
Bis die Verstärkung der Feuerwehr samt Drehleitern aus Aglasterhausen und Sinsheim kam, hat es einige Zeit gedauert. Auch, weil Walther nicht telefonieren konnte. Im Bereich der Rathausstraße gibt es, je nach Anbieter, kein Internet und auch kein Netz. Erst auf dem Weg hinter dem Haus funktioniert Walthers Handy. Das Festnetztelefon war in den Flammen. "Da geht es um Leben und Tod", sagt er. Was geholfen hätte, wäre eine Kopplung der Sirenen an die Leitstelle, die von dem Unglück erst einmal nichts mitbekommen hat.
"Innerhalb von zwei Stunden war alles weg", erzählt Kerstin Walther. Was die Familie aus den Flammen retten konnte, passt in eine Hälfte der Garage. Dort liegen nun ein paar alte Bilder, auf der anderen Seite steht ein Kleiderständer, auf dem Wintermäntel hängen. Viel mehr haben die Walthers nicht mehr. "Wir standen ja mit den Schlafanzügen auf der Straße", erzählt André Walther. Was ihn ein bisschen aufmuntert, ist die Hilfsbereitschaft, die er erfahren hat, zum Beispiel von Gastronomie-Kollegen oder seinem Versicherungsvertreter, der sich jeden Tag meldet. Aber auch die evangelische Kirche hat für die Familie Spenden gesammelt, genauso wie der FC Spechbach, bei dem Walthers anderer Sohn seit gerade einmal zwei Jahren spielt. Der Verein hat sein Eintrittsgeld gespendet. Besonders beeindruckt hat Walther aber auch die Firma Gebhardt aus Sinsheim, bei der der Sohn arbeitet. Schon am Montag sei dieser von der Arbeit gekommen und habe einen Umschlag dabei gehabt, denn die Mitarbeitenden haben Geld gesammelt.
Wie es nun weitergeht? Das weiß Walther noch nicht so genau. Zum Glück hat er eine Versicherung, die aufkommt, wenn er seine Arbeit unterbrechen muss. Doch wie lange die zahlt, wird sich erst noch herausstellen. Wo die Walthers wohnen können, hat sich geklärt. Sie haben eine Zwei-Zimmer-Wohnung in Bargen gefunden. Die können sie ab Juni beziehen. Das ist vor allem für Sohn Steven gut, für den es wichtig ist, in seinem gewohnten Umfeld zu bleiben.
Derzeit lebt die Familie bei ihrem anderen Sohn. Ob der Dorfkrug saniert oder abgerissen wird, das kann Walther derzeit noch nicht sagen. Er rechnet aber damit, dass das Gebäude erst wieder in zwei Jahren bewohnbar ist. Sachspenden kann die Familie nicht gebrauchen. "Was soll ich mit zehn Kühlschränken?", dafür ist die neue Wohnung einfach zu klein. Und um Geld möchte André Walther nicht betteln. Das sei nicht seine Art. Überhaupt falle es ihm schwer, Hilfe anzunehmen, erzählt er. "Für Steven ist es am schlimmsten", sagt er. Und dann kommen ihm doch die Tränen.