Albert-Schweitzer-Schule startet mit "langsamer Öffnung"
"Wir können immer nur reagieren" - Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum

Von Sebastian Lerche
Wiesloch. "Wir setzen auf unser bewährtes Hygienekonzept und haben zunächst nur zwei Klassen im Präsenzunterricht." Eine "langsame Öffnung" startet die Albert-Schweitzer-Schule in Wiesloch, wie Leiterin Karin Senn im Gespräch mit der RNZ erläutert.
Ab Montag werden die Klassen 1 bis 4 ihren Worten nach im wöchentlichen Wechsel in dem Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum mit Förderschwerpunkt Lernen unterrichtet, beginnend mit den rund 20 Kindern der Klassen 1 und 2. Die Notbetreuung, die zurzeit in zwei Gruppen mit je sechs bis acht Kindern und Jugendlichen angeboten wird, soll dann mit nur noch einer Gruppe fortgeführt werden. Alle anderen Schülerinnen und Schüler lernen zu Hause. Außerhalb von Krisenzeiten besuchen 79 Kinder und Jugendliche die Schweitzer-Schule von der 1. bis zur 9. Klasse, sie sind zwischen sechs und 16 Jahre alt.
Die Schülerinnen und Schüler haben Senn zufolge verschiedene Formen von Beeinträchtigungen, etwa erhebliche Entwicklungsverzögerungen oder Schwächen bei Lernen, Konzentration und Wahrnehmung. Sie sind psychisch belastet oder wegen ihrer eingeschränkten Intellektualität, geringerer Belastbarkeit, Ausdauer oder Kontrolle über das eigene Verhalten nicht für reguläre Schulen geeignet – oder noch nicht. "Das Lerntempo ist bei uns langsamer", erklärt Karin Senn, "aber das Ziel ist der Übergang auf eine berufsbildende Schule und in den ersten Arbeitsmarkt."
Die Rektorin wird in der Regel von zehn Sonderschullehrern und -lehrerinnen, vier Fach- und Religionslehrkräften, fünf Kolleginnen und Kollegen im Sonderpädagogischen Dienst und ihrer Sekretärin unterstützt. Ein verlässliches Team, das hervorragende Arbeit leiste, so Senn, doch leider könnten vier von ihnen gegenwärtig nicht in Präsenz unterrichten, schon "ein herber Ausfall".
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Das Hygienekonzept sieht für die Lehrkräfte selbstverständlich Masken vor – damit sei die Schule "gut ausgestattet", so die Schulleiterin, auch wenn man die FFP-2-Charge erhalten habe, die kein Gütesiegel habe und qualitativ weniger hochwertig sei. Dafür habe man ausreichend OP-Masken und teilweise privat vorgesorgt. Man nutze Visiere und Plexiglasscheiben, falls man im Unterricht beispielsweise ein Strickmuster oder andere Vorhaben anschaulich machen wolle. Für die Wege durchs Gebäude gebe es Einbahnstraßenregelungen, die Schülerinnen und Schüler werden auf beide Etagen verteilt.
Händewaschen und -desinfizieren auch bei den Schülern oder Lüften sind laut Karin Senn machbar, auch wenn niemand gern im Winter in der Zugluft sitzt. Aber die Schutzmasken – die Pflicht gilt ab Klasse 5, nicht für die jüngeren Kinder – machen das Unterrichten schwieriger. "Manchmal geht es nicht ohne Mimik, für das genaue Artikulieren muss man die Lippen- und Zungenstellung sehen", erklärt die Rektorin. Und an die Abstandsregeln müsse man die Kinder und Jugendlichen "immer wieder erinnern".
Eine Lehrerin oder ein Lehrer unterrichten eine Klasse mit um die zehn Schülerinnen und Schülern. Von ihnen wird gefordert, den Bedarf der Kinder und Jugendlichen zu erkennen und auf ganz unterschiedliche Leistungsstufen einzugehen. "Dass das Kind sich an das Schulangebot anpasst, funktioniert bei uns nicht."
Gute Erfahrungen hat die Schweitzer-Schule mittlerweile mit digitalen Lernmitteln gemacht: Mit Tablet-Computern können ganz individuell zugeschnittene Lernangebote bereitgestellt werden. Fürs "Homeschooling" nutzten die Schülerinnen und Schüler eigene Computer, die Schule stellt aber auch Leihgeräte zur Verfügung.
Die vielfältigen Möglichkeiten von Computer und digitalem Lernmaterial nutze man gerne, erklärt Senn. Die Lesekompetenz sei sonst eine zentrale Frage, am Tablet könne man Bilder, Filme oder andere Möglichkeiten nutzen. "Wie flicke ich einen Fahrradreifen? Manche Kinder schreiben mit Stift auf Papier, andere sprechen ihre Gedanken ins Gerät oder arbeiten mit Bildsequenzen."
Das "Homeschooling" gelinge "nicht zu 100 Prozent", schränkt Karin Senn ein: Wenn sie von zu Hause aus lernten, sei es schwieriger, Kinder mit Lernbeeinträchtigungen mitzunehmen. Sie bräuchten direkte Ansprechpartner und Vermittlungshilfen. Auch gebe es "digital abgehängte" Schülerinnen und Schüler. Während der Schließung habe das Schulteam daher zusätzlich zur Notbetreuung individuelle Lernsprechstunden mit intensiven Erklärungen angeboten, "um Lern-Ungleichheiten auszugleichen". Mitunter brachten Lehrkräfte auch eigens zugeschnittene Lernpakete bei den Familien daheim vorbei. Den Kontakt zu ihnen aufrecht zu erhalten, sei sehr wichtig.
Der persönliche Kontakt zwischen Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern "fällt im Moment eher weg", erklärt Senn. Das sei nicht leicht, etwa wenn man Trost spenden wolle. Eigentlich gehöre eine gewisse körperliche Zuwendung dazu: "Sonderpädagogik baut auf die Beziehung, ohne geht es nicht."
Doch mit den Abstandsregeln und dem Unterricht zu Hause leide dies, damit sei es auch schwieriger, die Schülerinnen und Schüler zu motivieren. Keine Rede davon, dass die Kinder "fürs Leben lernen": "Sie lernen für ein Lächeln, für ermutigende Worte, die wollen bestärkt werden in ihrem Tun."
Was sich daneben noch störend bemerkbar macht, ist die Baustelle auf dem Schulhof: Die Abwasserleitung muss ertüchtigt werden, "daher ist unser halber Schulhof aufgerissen", so Karin Senn.
Wie auch andere Schulleiter war sie frustriert, wenn die Vorgaben der Politik erst sehr kurzfristig eintrafen und "wieder ein Wochenende durchgearbeitet werden musste". Immerhin kam die Ankündigung der heutigen Schulöffnung relativ früh. Frustriert ist sie auch, "weil wir immer nur reagieren können: Das Gestalten fällt weg". Dabei sei das Wohl der Kinder das vordringliche Ziel: ein gutes Angebot, "damit wir niemanden verlieren".