Stimmung in Neckargemünd erschreckte die SRH
Bildungseinrichtung fürchtet um ihren Ruf - Neuer Hotelier gesucht

Das 120 Jahre alte Hotel Kredell prägt das Bild der Altstadt - es liegt am Hanfmarkt direkt am Anfang der Hauptstraße. Fotos: Alex
Von Christoph Moll
Neckargemünd. Frank Volk machte es spannend. Schon zu Beginn der Sondersitzung des Gemeinderates zur Zukunft des Hotels Kredell sprach der Bürgermeister von einer "tagesaktuellen Entwicklung" - und machte damit nicht nur die Stadträte, sondern auch die zahlreichen Interessierten im Publikum neugierig. Und es wurde tatsächlich eine Riesenüberraschung: Nach heftigem Gegenwind fürchtet die SRH um ihren Ruf und lässt die Bauvoranfrage für eine Umnutzung des 120 Jahre alten Hauses im Herzen der Altstadt in ein Wohnheim mit 26 Zimmern für ein Jahr ruhen. In dieser Zeit soll versucht werden, das Hotel mit 15 Zimmern doch noch zu retten.

Frank Paratsch ist Chef des SRH-Berufsbildungswerks.
Schon in der Bürgerfragestunde wurde der Gegenwind für die SRH spürbar: Ein Bürger forderte, dass die Stadt sich gegenüber der sich in Neckargemünd immer weiter ausdehnenden SRH mit allen verbundenen Problemen klar positionieren müsse: "Es muss eine Balance zwischen den Interessen der SRH und den Interessen der Bevölkerung gefunden werden", forderte er. "Ich finde es überhaupt nicht gut, dass sich die SRH so breitmacht - es nimmt Überhand", meinte eine Bürgerin. Als sie umziehen wollte, habe sie keine andere Wohnung gefunden - dies liege auch an den vielen von der SRH angemieteten Einheiten. Zudem habe die Stadt nichts davon, weil die SRH als Stiftung - anders als das Hotel - keine Gewerbesteuer zahle.
"Seit 12.13 Uhr gibt es eine neue Entwicklung", sagte Volk und berichtete von einem Treffen mit dem in der Sitzung ebenfalls anwesenden Geschäftsführer des SRH-Berufsbildungswerks, Frank Paratsch. Einerseits wolle die Bevölkerung nicht auf das Hotel verzichten, andererseits biete die SRH 1500 Arbeitsplätze und sei auch für die Stadt tätig - unter anderem in der Schulsozialarbeit und in der Mensa des Schulzentrums, so Volk. Nicht zu verachten sei auch das kulturelle Angebot durch die Mediothek, die von zahlreichen Bürgern genutzt werde. "Wir pflegen ein partnerschaftliches Verhältnis", betonte Volk. Nun wolle die SRH aber ihren in die Jahre gekommenen Campus sanieren und wissen, ob sie in Neckargemünd willkommen sei.
Dann ließ der Bürgermeister die Katze aus dem Sack: Ergebnis des Treffens sei gewesen, dass die SRH ihre Bauvoranfrage für das Hotel Kredell bis zum 31. März 2019 ruhen lässt. "Somit müssen wir nun nicht unter Zeitdruck eine Entscheidung treffen und können uns um eine Weiternutzung als Hotel kümmern", betonte Volk. "Es laufen bereits Gespräche mit Investoren, die das Hotel übernehmen könnten." Denn man habe auch eine Fürsorgepflicht für die aktuelle Eigentümerin Heike Hogan, die in den Ruhestand gehen möchte. Die 71-Jährige hat bislang vergeblich versucht, einen Nachfolger zu finden. "Wir können nicht verlangen, dass sie das Hotel auf Jahre weiterbetreibt", sagte Volk. Mitte Juni soll zudem in einer Runde mit Vertretern der SRH und den Fraktionsvorsitzenden über die Pläne der SRH in Neckargemünd gesprochen werden. "Denn die SRH will nicht gegen den Willen der Stadt agieren", betonte Volk.
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Dies machte auch Frank Paratsch deutlich. Der Geschäftsführer des SRH-Berufsbildungswerks betonte das gute Verhältnis zur Stadt: "Wir engagieren uns für Neckargemünd und öffnen unser Haus immer gerne für Veranstaltungen", sagte er. Ein so großes Unternehmen wie die SRH mit so vielen Arbeitnehmern sei ein wichtiger Faktor, aber auch eine Belastung für eine Stadt. "Wir sind aber erschrocken über die aktuelle Stimmung in der Stadt", meinte der Geschäftsführer. "Eigentlich wollten wir im Dialog Einvernehmlichkeit herbeiführen."
Die SRH sei eine gemeinnützige Stiftung, müsse aber auch wirtschaftlich arbeiten, betonte Paratsch. Auf dem Gelände im Wiesenbacher Tal würden derzeit 550 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene leben. Im Umkreis von 20 Kilometern habe die SRH 120 Objekte angemietet - von Ein-Zimmer-Wohnungen bis zu einem Wohnheim mit 50 Plätzen in Mauer. "Wir beeinflussen damit den Wohnungsmarkt, müssen aber auch sehen, wie wir unsere Aufgaben wahrnehmen können", so Paratsch. Seit drei Jahren würden die Zahlen nicht mehr steigen, weshalb man auch keine weiteren Wohnungen mehr angemietet habe.
"Stattdessen wollen wir umschichten", kündigte der Chef des Bildungswerks an. Die SRH wolle in die Sanierung ihres im Jahr 1974 gebauten Campus im Wiesenbacher Tal über 50 Millionen Euro investieren. Ein Gebäude sei schon auf den neuesten Stand gebracht. Man setze künftig auf größere Wohnheime, was die - je nach Bedarf - mehr oder weniger intensive Betreuung einfacher mache. Durch die Konzentration könne man auf einige angemietete Wohnungen verzichten und für eine Entlastung auf dem Wohnungsmarkt sorgen. Das Hotel Kredell sei als ein solches Wohnheim geeignet, so Paratsch: "Es wurde uns angeboten, ist aber keine Herzensangelegenheit für uns - unser Vorhaben soll auch akzeptiert werden." Dies gelte auch, wenn es Ärger mit den Jugendlichen gebe. Man finde mit den Anwohnern immer eine Lösung.
Auch die SRH sei an einem Erhalt des Hotels interessiert: Teilnehmer von Tagungen müssten schon jetzt teilweise nach Heidelberg ausweichen. "Wir wollen den Konflikt aber nicht in der Öffentlichkeit aufarbeiten und sind zu Gesprächen bereit, erklärte Frank Paratsch.
Die Eigentümerin Heike Hogan würde sich freuen, wenn das Kredell ein Hotel bleibt. Für eine solche Nutzung habe es auch zwei Interessenten mit Erfahrung im Hotelgewerbe gegeben, doch die Gespräche kamen nicht voran. "Es könnte am Preis scheitern", sagt Hogan. Die 71-Jährige will nun bis zu einem Verkauf weiterarbeiten. Eigentlich wollte sie im November aufhören. Daraus wird nun nichts.