Eigentümer setzen auf Balkonabriss und Außenkonstruktion
Die neun verbliebenen Balkone am betroffenen Haus und 36 weitere an drei baugleichen Häusern müssen abgerissen und durch eine Außenkonstruktion ersetzt werden

Die Spuren des Unglücks sind noch zu sehen: Am 10. Juli war der Balkon im zweiten Obergeschoss abgebrochen und hatte die beiden darunterliegenden mitgerissen.
Von Christoph Moll
Nußloch. Die Betontrümmer liegen noch an Ort und Stelle, die "Wunden" an der Hauswand sind provisorisch mit Folie abgeklebt, die Rollläden heruntergelassen. "Warum sollten wir auch hinausschauen? Es gibt ja nichts mehr zu sehen", sagt Joachim Leininger. Denn der Balkon des Ehepaars ist weg. Knapp einen Monat nach dem Balkonsturz an dem Mehrfamilienhaus in der Heidelberger Straße 22 sind die Spuren des Unglücks noch nicht beseitigt und deutlich sichtbar. Im Hintergrund tut sich jedoch einiges. Denn wie die RNZ erfuhr, sollen nun insgesamt mehrere Dutzend Balkone - die neun verbliebenen am betroffenen Haus und 36 Stück an drei baugleichen Häusern - abgerissen und durch eine Außenkonstruktion ersetzt werden.
Zur Erinnerung: Das Landratsamt in Heidelberg hatte bereits am Tag nach dem Balkonsturz, bei dem ein 33-Jähriger und dessen zweijähriger Sohn wie durch ein Wunder nur leicht verletzt wurden, den Bewohnern von insgesamt 96 Wohnungen in acht baugleichen Häusern aus den 70er-Jahren das Betreten ihrer Balkone verboten - und somit die Hauseigentümer zum Handeln gezwungen. Denn es konnte nicht ausgeschlossen werden, dass auch weitere Balkone abbrechen. Die Hauseigentümer müssen beim Landratsamt nun mit einer Untersuchung durch einen Experten nachweisen, dass ihre Balkone sicher sind. Erst dann können sie wieder freigegeben werden.
Die elf Eigentümer der zwölf Wohnungen der Heidelberger Straße 22 - es ist das einzige Mehrfamilienhaus, das nicht in der Hand eines einzigen Eigentümers liegt - haben sich anders entschieden: Sie lassen keine Untersuchung durchführen, sondern lassen die noch vorhandenen neun der vormals zwölf Balkone gleich abbrechen und durch eine Außenkonstruktion ersetzen. "Es sind vor allem wirtschaftliche und optische Gründe, die dafür sprechen", erklärt Joachim Leininger. Unter den Eigentümern habe große Einigkeit über dieses Vorgehen geherrscht. Die Balkone hätten auch den Weiterverkauf einer Wohnung erschweren können. Zwar sei die Untersuchung deutlich günstiger - allerdings mit dem Risiko, dass, wie beim Unglücksbalkon, ebenfalls Korrosionsschäden festgestellt werden und die Balkone doch abgerissen werden müssen. So spare man sich das Geld für die Untersuchung. "Wir hoffen nun, dass wir die Genehmigungen für den Abriss und den Neubau der Balkone schnell bekommen", so Leininger.
Daran arbeitet Volker Raule. Der Ingenieur mit Büro in Nußloch war bereits am Unglücksabend vor Ort und wurde von der Eigentümergemeinschaft der Heidelberger Straße 22 und des Eigentümers des Nachbarhauses mit dem Einholen von Angeboten für das "Abschneiden" von insgesamt 21 Balkonen und dem Neuaufbau mit einer Stahl- oder Aluminiumkonstruktion beauftragt. Der Fachmann befürwortet diese Lösung: "Selbst wenn bei einer Untersuchung der Balkone keine Schäden festgestellt werden, handelt es sich nicht um eine gute Konstruktion von Dauerhaftigkeit und die Bewohner fühlen sich trotzdem unsicher." Problematisch seien die Brüstungsteile aus Beton, deren Fugen anfällig für Korrosion seien.
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Die Kosten von etwa 800 Euro für die Untersuchung pro Balkon - es müssen Fliesen entfernt, der Beton geöffnet und die Stahlarmierung begutachtet sowie die Balkone für die Untersuchung abgestützt werden - könne man sich sparen. Bis die Balkone abgerissen werden, sollen sie in den nächsten Wochen provisorisch abgestützt werden, erklärt Raule. So könnten sie vom Landratsamt wieder freigegeben werden. Denn bis zum Abriss könnten noch Monate vergehen. Er soll aber noch dieses Jahr stattfinden. Laut Raule haben sich noch zwei weitere Hauseigentümer für den Abriss entschieden. Dann wären es insgesamt 45 Balkone, die noch verschwinden. Möglicherweise werde man sich beim Neubau zusammentun, um Kosten zu sparen. An den restlichen vier der acht baugleichen Häuser werden die 48 Balkone auf Standsicherheit überprüft.
Beim Landratsamt sei bis jetzt noch kein Nachweis über die Standsicherheit eingegangen, so Behördensprecherin Silke Hartmann. Somit habe man auch noch keine Balkone freigeben können. Auch bei der Polizei laufen die Ermittlungen zur genauen Unglücksursache noch. Das von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebene Gutachten liege noch nicht vor, erklärt Polizeisprecher Heiko Kranz auf Anfrage. Joachim Leininger hat jedoch erfahren, dass das Gutachten keine Fehler bei Berechnungen der Statik oder der Bauausführung feststellen konnte. Die Originalunterlagen seien geprüft worden und es habe damals eine Baufreigabe gegeben. Es sei auch das vorgeschriebene Baumaterial verwendet worden.
"Wir müssen damit leben, was passiert ist", sagt Joachim Leininger. "Uns bleibt nichts anderes übrig, als uns damit abzufinden." Die Stimmung unter den Hausbewohnern sei positiv, dem abgestürzten Vater und seinem Sohn gehe es wieder gut. Auch wenn die Eigentümer auf den Kosten sitzen bleiben, weil die Gebäudeversicherung für den Schaden nicht aufkommt, sieht Leininger das Positive: "Wir können die Balkone nun vergrößern und wenn alles fertig ist, ist es sicher schöner als vorher."



