Balkonabsturz in Nußloch

Medienrummel an der Unglücksstelle (plus Video und Fotogalerie)

Fassungslosigkeit nach dem Balkonsturz - Mieter von 100 Wohnungen dürfen nicht auf Balkone

11.07.2017 UPDATE: 12.07.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 2 Sekunden

Wohnungseigentümerin Rose Leininger gab gestern mehrere Interviews.

Von Christoph Moll

Nußloch. Rose Leininger steht vor dem rot-weißen Absperrband und schüttelt fassungslos den Kopf. "Es ist ein Albtraum", sagt die Nußlocherin gestern Mittag. "Ich habe nur zwei Stunden geschlafen und noch nichts gefrühstückt, mir geht es nicht gut." Zusammen mit ihrem Mann Joachim blickt sie nun auf die Trümmer des Montagabends, die keine fünf Meter entfernt liegen: Kurz nach 18 Uhr ist der Balkon des zweiten Obergeschosses abgebrochen und hat die beiden darunterliegenden Balkone mit in die Tiefe gerissen - samt einem 33-Jährigen und dessen zweijährigem Sohn. Die große Frage lautete gestern: Wie geht es nun weiter?

Die Heidelberger Straße unweit des Fashion-Parks von "Betty Barclay" war gestern das Ziel zahlreicher regionaler und überregionaler Medien. Journalisten von Fernsehsendern wie ARD und RTL, mehreren Radiosendern sowie Tageszeitungen berichteten aus Nußloch.

Die Spuren des Unglücks sind noch vorhanden: Die Trümmer der heruntergekrachten Balkone liegen hinter dem Haus. Erstaunlich: Am Haus selbst sind fast keine weiteren Schäden entstanden, nur die Dachrinne ist verbogen. "Die Balkone kamen waagerecht herunter", sagt Rose Leininger. Die Wohnungseigentümerin berichtet, dass die Gebäudeversicherung wohl nicht einspringe, da es sich nicht um sogenannte Elementarschäden handle, die von Naturgewalten verursacht wurden.

Nicht nur am Montagabend, sondern auch gestern kamen zahlreiche Nußlocher an die Unglücksstelle. Einer von ihnen war Otto Zinner: "Da ist beim Bau gepfuscht worden", vermutet er. Volker Raule sieht das anders: Der Statiker mit Büro in Nußloch war schon am Montagabend und auch gestern noch einmal vor Ort. Menge und Stärke des beim Bau verwendeten Stahls im Beton seien auf den ersten Blick ausreichend gewesen. Der betroffene Balkon weise jedoch einen Korrosionsschaden auf: Wasser sei in den Beton eingedrungen und habe die Stahlarmierung rosten lassen. Über Jahre. Bis diese so dünn war, dass sie das Gewicht nicht mehr tragen konnte.

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Statiker Raule hat auch eine Erklärung dafür, wieso der Mann mit dem Kind auf dem Arm Glück im Unglück hatte und fast unverletzt blieb: Der Sturz seines Balkons sei durch die darunterliegenden Balkone "gedämpft" worden. Gestern kümmerte sich Raule darum, dass die offenen Wände des Hauses an den Stellen der abgebrochenen Balkone mit einer Folie gesichert werden, sodass von außen keine Feuchtigkeit eindringen und weitere Schäden anrichten kann.

Auch das Baurechtsamt des Rhein-Neckar-Kreises ist inzwischen eingeschaltet. Wie dessen Sprecher Ralph Adameit auf RNZ-Anfrage sagt, wird den Bewohnern des betroffenen Mehrfamilienhauses das Betreten der noch vorhandenen Balkone so lange untersagt, bis ein von den Eigentümern beauftragter Statiker diese überprüft hat. Betroffen sind aber insgesamt rund 100 Wohnungen in sieben weiteren baugleichen Häusern, die einst vom selben Architekt geplant worden seien. Deren Bewohner erhalten nun sogenannte Nutzungsuntersagungen für die Balkone. Bei Verstoß kann laut Adameit ein Zwangsgeld verhängt werden. "Es geht um die Gefahrenabwehr", betont der Sprecher.

Das Landratsamt nimmt nun die Baugenehmigung aus dem Jahr 1968 unter die Lupe, die gestern aus dem Kreisarchiv in Ladenburg geholt wurde. Diese wird auf Fehler überprüft. Ob es Verantwortliche gebe, müsse gegebenenfalls die Polizei ermitteln.

Rose Leininger berichtet, dass viele Mieter das schon am Montagabend von der Feuerwehr angeordnete vorläufige Verbot des Betretens der Balkone nicht akzeptieren wollen. "Es geht doch um die Sicherheit jedes Einzelnen", sagt sie. "Jetzt ist Schluss mit Balkonien."

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