Statiker Volker Raule fordert einen "Tüv" für Balkone
"Um Schäden zu erkennen, muss man kein Fachmann sein"

Volker Raule (l.) nahm mit Bürgermeister Karl Rühl die Pläne unter die Lupe. Foto: Moll
Von Christoph Moll
Nußloch. Nach dem Balkonsturz von Nußloch ist die Verunsicherung bei Mietern und Eigentümern in der Region groß. Sie fragen sich nun: Ist mein eigener Balkon sicher? Die RNZ sprach mit dem Statiker Volker Raule aus Nußloch, der nach dem Unglück noch am Montagabend zur Einschätzung der Lage hinzugezogen wurde und im Auftrag von Eigentümern nun die Pläne des betroffenen Mehrfamilienhauses unter die Lupe nimmt.
Herr Raule, wie kann ein Unglück wie nun in Nußloch verhindert werden?
Zunächst sind wir alle froh, dass dem Vater und dem Kind nicht mehr passiert ist.
Auf diesem Wege wünsche ich der Familie alles Gute. Wir lernen natürlich aus solchen Ereignissen. Deshalb möchte ich nicht das Geschehene bewerten, sondern was man in Zukunft besser machen kann. Mit Sicherheit ist eine Möglichkeit die regelmäßige Kontrolle durch die Eigentümer. Es gilt darauf zu achten, ob Beschädigungen augenscheinlich erkennbar sind. Auch sollte über eine Verordnung zur Überprüfung nachgedacht werden, ähnlich wie beim Auto der Tüv - allerdings nicht alle zwei Jahre, sondern in größeren Zeitabständen.
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Nicht nur in Nußloch, sondern überall in der Region stehen ähnlich gebaute Gebäude aus einer ähnlichen Zeit. Müssen deren Bewohner nun Angst haben, wenn sie auf den Balkon gehen?
Ein Ereignis wie nun in Nußloch ist bei uns bisher äußerst selten aufgetreten. Deshalb: Nein, Angst haben müssen sie nicht. Aber sie sollten sich Gedanken machen. Auch ein Balkon bedarf der Instandhaltung und Kontrolle wie zum Beispiel ein Dach. Besonders die Vermieter dürfen sich nicht darauf verlassen, dass ihre Mieter Schäden an Balkonen melden. Deshalb sollten die Vermieter ihre Mieter sensibilisieren und zum Beispiel alle zwei Jahre um eine kurze Zustandsmeldung bitten, ob Schäden erkennbar sind. Solch eine Verpflichtung könnte auch im Mietvertrag vereinbart werden. Um die meisten Schäden zu erkennen, muss man kein Fachmann sein. Allerdings könnte ich mir eine Überprüfung durch einen Fachmann wie einen Ingenieur, Architekten oder Handwerksmeister etwa alle 15 Jahre gut vorstellen.
Wie würden Alarmzeichen aussehen?
Es gibt keine pauschale Checkliste. Aber einige Punkte wären, dass der Oberbelag wie zum Beispiel die Fliesen in Ordnung sind, keine Risse in den Fugen erkennbar sind und dass Wasser gut abläuft. Feuchte Stellen an der Unterseite deuten auf eine defekte Abdichtung hin und sollten vom Fachmann begutachtet werden. Gerade ältere Balkone wie jetzt in Nußloch waren fast 50 Jahre der Außenluft ausgesetzt. Der saure Regen und das Kohlenstoffdioxid in der Luft verändern das alkalische Milieu des Betons und schädigen den Korrosionsschutz der Stahleinlagen. Dringt zudem noch Feuchtigkeit über einen Riss ein, wird dieser Vorgang noch beschleunigt. Eine Pfütze auf dem Balkon zeigt zwar, dass der Fliesenleger nicht gut gearbeitet hat, ist aber kein Problem, wenn die Dichtungsschicht unter den Fliesen in Ordnung ist.
Was muss dann getan werden?
Man kann zwar mit speziellen Messverfahren wie mit Schall- oder Magnetwellen die Lage der Bewehrungsstäbe bestimmen, aber ob die Stäbe Korrosionsschäden - also Rost - haben, erkennt man nicht. Am sichersten und am einfachsten ist immer eine Sichtprüfung. Dazu werden Oberbeläge an mehreren Stellen entfernt und der Beton bis auf die Stahleinlagen geöffnet. Danach lässt sich der Zustand erkennen und es können gegebenenfalls weitere Maßnahmen eingeleitet werden.



