Die Brückensperrung hält die Stadt auf Trab
Bürgermeister sieht viele positive Nebeneffekte der B 37-Baustelle: Bürger bewegen sich mehr und tun etwas für den Klimaschutz

Alltag über dem Neckar: Der Weg unter der Eisenbahnbrücke wird derzeit - wie auch die Friedensbrücke - rege von Fußgängern und Fahrradfahrern genutzt. Foto: Alex
Von Christoph Moll
Neckargemünd. Seit die Friedensbrücke gesperrt ist, ist Neckargemünd eine "geteilte" Stadt. Vor dem 3. Juli dauerte es keine Minute und man war mit dem Auto von Neckargemünd aus in Kleingemünd oder umgekehrt. Diese Zeiten sind vorbei. Mit dem Auto gibt es in der Stadt keine Möglichkeit mehr, über den Neckar zu kommen. Autofahrer müssen den Umweg über die Ziegelhäuser Brücke zwischen den Heidelberger Stadtteilen Schlierbach und Ziegelhausen nehmen. Oder sich eben bewegen.
Seit Anfang Juli sind in der Stadt am Neckar vor allem in den Morgen- und Abendstunden regelrechte Völkerwanderungen zu beobachten. Denn das Queren des Neckars ist auf der Friedensbrücke zu Fuß oder mit dem Fahrrad - Radler sollten allerdings absteigen - weiter möglich. Außerdem ist dies auch auf der Eisenbahnbrücke ein Stück weiter flussaufwärts möglich.
"Viele Bürger empfinden die Sperrung positiv und sind sogar richtig begeistert", berichtet Stadtoberhaupt Frank Volk. "Manche haben mir schon gesagt, wie schön es doch ist, morgens über die gesperrte Friedensbrücke zu laufen und den Blick auf den Neckar und die Landschaft zu genießen." Volk hat beobachtet, dass sich das Leben in der Stadt verändert hat und sich die Bürger mehr bewegen. Auch er selbst absolviert möglichst viele Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Denn auch er darf nicht über die gesperrte Brücke fahren - das ist nur Rettungsdiensten sowie Polizei und Feuerwehr vorbehalten. Purzeln nun also die Pfunde und sind die Neckargemünder zum Ende der Vollsperrung der Friedensbrücke im Oktober dank Bewegung ein paar Kilogramm leichter?
"Wir haben den Bürgern mehrere Lösungen angeboten", sagt der Bürgermeister. Dazu gehört die Teilnahme am Wettbewerb "Stadtradeln". Außerdem wurden kostenlose Parkmöglichkeiten auf dem früheren Ortho-Gelände und in Kleingemünd an der Eisenbahnbrücke geschaffen. Wer also morgens auf dem Weg zur Arbeit gleich die Neckarseite wechseln muss, kann sich so den Umweg über die Ziegelhäuser Brücke sparen und stattdessen über eine der beiden Brücken zu seinem geparkten Auto gehen und von dort weiterfahren.
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"Wir haben viele findige Bürger", sagt Volk. So hätten einige sich auch Dauerparkplätze im Parkhaus Pflughof gesichert, die für die Zeit der Brückensperrung alle ausgebucht seien. "Jeder hat sich seine eigene Lösung gesucht." Kleingemünder Eltern hätten einen "laufenden Schulbus" gegründet, sodass ihre Kinder betreut zur Schule laufen können und nicht mit dem Schulbus den Umweg über die Ziegelhäuser Brücke nehmen müssen. Von Lehrern sei zu hören gewesen, dass die Schüler ausgeglichener seien.
"Die Bürger kommen ins Nachdenken", meint Volk. "Wir haben aufgezeigt, wie sie durch die Brückensperrung etwas für den Klimaschutz tun können." Um die ambitionierten Klimaschutzziele der Stadt zu erreichen, müssten auch die Bürger mitmachen. "Natürlich besteht derzeit ein gewisser Zwang - das verhehle ich nicht", sagt Volk. "Wir werden sehen, ob die Bürger im nächsten Jahr immer noch so viel mit dem Rad fahren oder den öffentlichen Nahverkehr noch immer so intensiv nutzen."
Die Bahn jedenfalls hat bislang keine "signifikante Steigerung der Fahrgastzahlen" durch die Brückensperrung festgestellt, wie deren Sprecher Karsten Dyba mitteilt. "Ob sich die Bauarbeiten tatsächlich auf das Fahrgastaufkommen im S-Bahn-Verkehr auswirken, lässt sich frühestens nach Ablauf eines Monats feststellen, wenn die Daten unserer Erfassungssysteme ausgewertet sind."
Einige Anwohner der wegen der Baustelle derzeit gesperrten Poststraße haben vor Kurzem das Beste aus der Situation gemacht und ein Straßenfest gefeiert. Volk: "Wir haben sie lediglich gebeten, eine Rettungszufahrt freizuhalten und ansonsten viel Spaß gewünscht."



