"Kleine Visionen" kosten ein Raunen
Einwohnerversammlung diskutierte die Pläne - Anlieger äußerten Sorgen wegen Bodenwertsteigerung

Voll besetzt war der Saal bei der Einwohnerversammlung in Malsch. Wichtigstes Thema war die Neugestaltung der Ortsmitte mit Dorfscheune und Dorfplatz. Fotos: Pfeifer
Malsch. (oé) Die geplante neue Ortsmitte der Letzenberg-Gemeinde war zentrales Thema der jüngsten Einwohnerversammlung im voll besetzten Saal der Zehntscheuer. Hier stellten Bürgermeisterin Sibylle Würfel und Städteplaner Wolfgang Müller-Hertlein das städtebauliche Konzept für das Quartier vor. Dessen "Anker" soll künftig die sanierte Dorfscheune sein. Dort sollen eine Toilettenanlage, eine Spüle, ein Lager und ein Mehrzweckraum Vereinen bei Veranstaltungen zur Verfügung stehen. Die Scheune soll auch optisch aufgewertet werden, zum Beispiel durch eine Sichtachse vom vorderen zum hinteren Dorfplatz, was durch große Glastüren und Fenster ermöglicht wird.
Während der vordere Dorfplatz bereits neu gestaltet ist, liegt der 1200 Quadratmeter große hintere Teil noch im "Dornröschenschlaf". Dies soll sich nun allerdings bald ändern. Der Planer will hier einen multifunktionalen Platz entstehen lassen, dessen quadratisch strukturierte Pflasterung verschiedene Nutzungen zulässt - beispielsweise auch für Fahrgeschäfte beim Mälscher Markt. "Wir wissen, wie groß hier der Leidensdruck ist", merkte die Bürgermeisterin an.
Auch historische Reminiszenzen fließen in das Konzept ein. So wird, der Grundriss der ehemaligen Synagoge als "Spur" in der Pflasterung sichtbar sein, Brunnen und Regenrinne erinnern an den Bach, der hier einst floss, und eine Infotafel verdeutlicht die jüdische Geschichte des Platzes mit Synagoge, Schule und Badehaus (Mikwe). Die "möglichst neutrale Fläche" soll "sehr fußgängernah" und verkehrsberuhigt sein, aber auch der Erschließung für die Anwohner dienen und befahrbar bleiben - auch für Lkw und Fahrzeuge der Müllabfuhr, wie Planer Müller-Hertlein auf entsprechende Nachfragen aus dem Publikum versicherte.
"Noch kein Einvernehmen" besteht dem Planer zufolge im Rat über die acht Stellplätze, die im südöstlichen Teil des Areals vorgesehen sind. Auch im Publikum war die Meinung darüber geteilt. Während der eine damit "sein Problem" hatte, hielt der andere die Parkplätze für notwendig. "Sonst stehen die Autos anderswo." Das Konzept selbst erntete einiges Lob. So wirke der Platz gerade als "urbane Fläche" sehr überzeugend, fand einer der Bürger, während ein anderer von einer "fantastischen Sache" sprach und meinte, dass der jetzige Zustand "so nicht bleiben" könne. Hier müsse etwas geschehen. Und wenn, denn müsse es "etwas Gescheites sein".
Für ein Raunen im Publikum sorgten allerdings die voraussichtlichen Kosten für das gesamte Projekt. Rund 375.000 Euro sind für die Dorfscheune vorgesehen, auf alles in allem rund 490.000 Euro schätzt Müller-Hertlein die Kosten für den Dorfplatz: macht summa summarum 865.000 Euro. An Zuschüssen aus dem Landessanierungsprogramm kann die Kommune rund 120.000 Euro für den Platz und 191.000 für die Scheune erwarten, plus 32.000 Euro aus dem Ausgleichsstock. Das alles sei "sehr viel Geld", meinte einer der Bürger kritisch.
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Für die Bürgermeisterin muss hier das letzte Wort noch nicht gesprochen sein, zumal der Gemeinderat seine Entscheidungen erst nach der Einwohnerversammlung treffen wird. "Wir können gerne noch streichen", meinte sie. "Die Kämmerin wäre darüber sicher nicht traurig." Allerdings erinnerte Sibylle Würfel auch daran, dass das jetzt vorliegende Konzept ja auf den Wünschen und Vorschlägen der Bürger aus einer ersten Beteiligungsrunde basiere. Da habe man "viel Herzblut gespürt". Natürlich koste ein solches Projekt auch Geld. Aber dadurch schaffe man auch einen Ort, an dem sich Gemeinschaft leben lasse. Den Platz dafür wolle man zur Verfügung stellen und glaube auch, die richtige Lösung gefunden zu haben, so Frau Würfel.
Dies bekräftigte auch der Planer Wolfgang Müller-Hertlein. Die Gemeinde habe "eine Funktionsschwäche in ihrem Ortskern". Dies solle der Platz beheben, dazu habe man "kleine Visionen" entwickelt, brach er eine Lanze für das städtebauliche Konzept. Er sprach sich auch entschieden gegen die Idee aus, den hinteren Teil des Platzes, wo noch bis vor wenigen Jahren Häuser standen, wieder als Bauland zu vermarkten. Die geringe Grundstücksgröße und der nasse Untergrund sprächen dagegen. "Da finden Sie keinen Investor." Weil dieses Problem "privat nicht zu lösen" sei, habe man sich auch zu Abbruch und öffentlicher Nutzung entschlossen, so Müller-Hertlein.
Die größte Besorgnis der Anwohner hatte allerdings eine andere Ursache: Da das Areal im Sanierungsgebiet liegt, könnte die städtebauliche Aufwertung zu einer Bodenwertsteigerung der Nachbargrundstücke führen. Hier diente Rauenberg als warnendes Beispiel. "Werden die Anlieger in Malsch wie die in Rauenberg damit rechnen müssen, dass ihnen Beitragsbescheide auf den Tisch flattern?", lautete die Frage.
Völlig ausgeschlossen wäre dies nicht. Die Erhebung von Ausgleichsbeträgen für Bodenwertsteigerungen wird durch das Baugesetzbuch geregelt und erfolgt aufgrund von Gutachten des kommunalen Gutachterausschusses oder eines beauftragten Sachverständigen, erläuterte Matthias Ellesser von der KE Kommunalentwicklung, die das Sanierungsverfahren betreut. Das Ergebnis einer solchen Untersuchung ist seinen Worten zufolge "völlig offen". Seiner "persönlichen Überzeugung" nach sei die Erhebung eines Ausgleichsbetrags aber hier "eher unwahrscheinlich", so Ellesser.
Beim bereits fertigen vorderen Dorfplatz seien die Anlieger auch nicht herangezogen worden. "Ich denke, das wird hier ähnlich verlaufen." Seinerzeit waren die Bodenwertsteigerungen im Sanierungsgebiet so gering, dass sie unter der Bagatellgrenze lagen und der Aufwand höher gewesen wäre als der Ertrag. In diesem Fall kann der Gemeinderat auf eine Erhebung verzichten, sonst nicht. Die Anwohner wollen trotzdem auf Nummer sicher gehen: Es solle vorab geklärt werden, ob Kosten auf die Anwohner zukämen, lautete die Forderung.



