Rauenbergs Stadtkernsanierung

Schlussrechnung wird für viele Bürger teuer

Grundeigentümer müssen sanierungsbedingte Bodenwertsteigerung erstatten

22.06.2017 UPDATE: 23.06.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 37 Sekunden

Beispiele für eine gelungene und erfolgreiche Stadtkernsanierung: der neu gestaltete Gerhard-Geißler-Platz vor dem Pfarrzentrum (li.) und der zentrale Platz vor Kirche und Rathaus in Rauenberg. Leider hat der Erfolg auch eine Kehrseite: Sanierungsbedingte Bodenwertsteigerungen im Geltungsgebiet müssen von den Grundeigentümern erstattet werden. Fotos: Kloé

Rauenberg. (oé) Die Stadtkernsanierung in Rauenberg war eine Erfolgsgeschichte. In 14 Jahren sind gut acht Millionen Euro an öffentlichen Fördermitteln in private und kommunale Projekte innerhalb des Sanierungsgebiets geflossen. Nun steht die Sanierungsmaßnahme unmittelbar vor ihrem Abschluss. Für viele Grundstückseigentümer innerhalb des Sanierungsgebiets ist dies allerdings auch mit einer unliebsamen Überraschung verbunden, wie die Gemeinderatssitzung am Mittwochabend deutlich machte: Da die Wohnquartiere durch das erfolgreiche Sanierungsprojekt erheblich attraktiver geworden sind, ist auch der Bodenwert der Grundstücke über die konjunkturelle Entwicklung hinaus gestiegen. Diese sanierungsbedingte Wertsteigerung muss nun von der öffentlichen Hand abgeschöpft werden. So will es der Gesetzgeber. Das heißt: Die Eigentümer der betroffenen 126 Grundstücke müssen Geld in den Sanierungstopf zahlen - wie viel, das hat jetzt ein Gutachten ermittelt.

Hintergrund

Rauenberg. (oé) Knapp 14 Jahre dauerte die Sanierungsmaßnahme "Alter Stadtkern II" in Rauenberg, die zum Jahresende endgültig abgeschlossen wird. Im Juni 2004 erhielt die Stadt den ersten Bewilligungsbescheid mit einem Förderrahmen von gut 650.000 Euro, das Land übernahm

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Rauenberg. (oé) Knapp 14 Jahre dauerte die Sanierungsmaßnahme "Alter Stadtkern II" in Rauenberg, die zum Jahresende endgültig abgeschlossen wird. Im Juni 2004 erhielt die Stadt den ersten Bewilligungsbescheid mit einem Förderrahmen von gut 650.000 Euro, das Land übernahm davon 60 Prozent, die Kommune 40 Prozent. 2009 wurde die Maßnahme in das Bund-Länder-Programm "Soziale Stadt" überführt. Der Förderrahmen diesmal: rund 7,5 Millionen Euro. Bund und Land steuerten davon rund 4,5 Millionen Euro bei, die Stadt Rauenberg übernahm gut drei Millionen Euro. Aber nicht nur der Finanzrahmen wuchs auf am Schluss knapp 8,2 Millionen Euro, auch der Geltungsbereich der Sanierungsmaßnahme wurde sukzessive erweitert: von 13 Hektar zum Start auf am Ende knapp 22 Hektar.

54 private Baumaßnahmen

Was mit all diesem Geld in den zurückliegenden Jahren geschaffen wurde, ließ Johann Schiefele von der STEG jetzt im Gemeinderat noch einmal Revue passieren. Knapp 1,8 Millionen Euro an Zuschussmitteln flossen demnach in elf Grunderwerbe durch die Stadt. Diese waren Voraussetzungen für weitere Ordnungsmaßnahmen, etwa den Abbruch von Gebäuden, die Anlage von Parkplätzen (Wieslocher Straße, Hauptstraße) oder auch den Durchbruch von der Alten Kirchgasse in die Rotenberger Straße. Insgesamt sind Fördermittel von knapp drei Millionen Euro für solche Ordnungsmaßnahmen ausgegeben worden. 14 private Abbruchmaßnahmen wurden mit insgesamt 290.000 Euro bezuschusst.

In die eigentlichen Baumaßnahmen flossen Schiefele zufolge rund 3,2 Millionen Euro an Fördermitteln. Davon entfielen rund 838.000 Euro auf insgesamt 54 Baumaßnahmen privater Bauherren. Kommunale Bauvorhaben (wie etwa der Umbau der kleinen Mannaberghalle) wurden mit knapp 2,4 Millionen Euro gefördert. Welch "enorme Sogwirkung" ein Sanierungsprogramm entfaltet, machte der STEG-Vertreter an einer Studie der Hochschule für Technik Stuttgart deutlich. Demnach generiert jeder Fördereuro private und öffentliche Investitionen von 8,47 Euro. Auf Rauenberg bezogen wären dies rund 69 Millionen Euro in 14 Jahren.

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Dieses Gutachten hat das Sanierungsgebiet in verschiedene Wertzonen eingeteilt - je nachdem, wie sehr sich das bauliche Umfeld durch die Sanierungsmaßnahmen (etwa neue Parkplätze) verbessert hat. In manchen Bereichen hat es dem Gutachten zufolge keine sanierungsbedingten Bodenwertsteigerungen gegeben (hier müssen die Eigentümer nichts zahlen), in anderen Zonen hingegen liegen die Wertsteigerungen zwischen fünf Euro (Pfarrgartenstraße) und 16 Euro pro Quadratmeter (vordere Hauptstraße). In der Zone "Wieslocher Straße" wurden elf Euro ermittelt, im Bereich "Angelbach" sind es acht Euro pro Quadratmeter Bauland. Je nach Grundstücksgröße können so leicht mehrere tausend Euro zusammenkommen.

Wie auf Nachfrage von CDU-Stadträtin Alexandra Klefenz deutlich wurde, hängt die Einteilung in unterschiedliche Wertzonen von der "Intensität der dort durchgeführten Sanierungsmaßnahmen" ab. Dies erläuterte Johann Schiefele von der mit der Sanierungsmaßnahme betrauten Firma STEG. Er betonte zudem, dass die Stadt keine Wahl habe: Sie müsse die sanierungsbedingten Bodenwerterhöhungen prüfen und das Baugesetzbuch verpflichte sie auch zur Erhebung eines Ausgleichsbetrags. Die Kommune habe hier "keinen Entscheidungsspielraum". Allenfalls könne sie im Rahmen einer "Bagatellregelung" auf die Forderung verzichten, wenn die Bodenwertsteigerung geringfügig sei und der Verwaltungsaufwand in keinem Verhältnis zu den erwarteten Einnahmen stehe. Dies sei hier aber nicht der Fall.

Allerdings kann die Stadt laut Schiefele einen 20-prozentigen Nachlass gewähren, wenn Grundeigentümer zu einer vorzeitigen Ablösung der Forderung bereit sind. Diesen Weg beschritt der Gemeinderat am Mittwoch durch seine Beschlüsse, die einstimmig beziehungsweise bei einer Enthaltung fielen. Demnach erhalten alle Eigentümer den 20-prozentigen Rabatt, die bis zum 30. September entsprechende Ablösevereinbarungen mit der Stadt abschließen und ihren Betrag bis zum 30. November 2017 bezahlen. Wer auf dieses Angebot nicht eingeht, der erhält nach Abschluss des Sanierungsverfahrens einen formalen Bescheid über den zu zahlenden Ausgleichsbetrag, dann allerdings ohne die Option auf 20-prozentigen Nachlass. Gegen diesen Bescheid stünde der Rechtsweg mit Widerspruch und Klage offen.

Wie Bürgermeister Peter Seithel betonte, kommt die Stadt damit den Grundeigentümern so weit entgegen, wie es der rechtliche Spielraum zulässt. Man habe es nicht darauf angelegt, die Ausgleichszahlungen als "Geldquelle" zu nutzen, betonte Seithel. Immerhin verzichte man durch die Rabatte auf gut 115.000 Euro (bei einer Forderung von insgesamt knapp 577.000 Euro).

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Auch Christiane Hütt-Berger (SPD) betonte, dass "wir nicht unseren Haushalt sanieren möchten". Die Stadt habe hier "keinen Ermessensspielraum". Dass Ausgleichsbeträge fällig würden, habe man gewusst. Über die Höhe zeigte sich die Stadträtin aber doch "ein bisschen überrascht". Ihre Hoffnung: dass viele das Nachlassangebot annehmen und es zu wenigen Klageverfahren kommen möge.

Den Erfahrungen der STEG zufolge war bei anderen Sanierungsverfahren zwar "kein Eigentümer begeistert", aber doch "eine Quote von 90 Prozent oder mehr" dazu bereit, den Ausgleichsbetrag mit 20-prozentigem Rabatt zu bezahlen - "wenn auch oft zähneknirschend", wie Schiefele einräumte. Er hoffe, dass Rauenberg hier keine Ausnahme bilde. Schon in der nächsten Woche werden die betroffenen Eigentümer nun Post von der Stadt mit umfassenden Informationen zu dem Thema und dem Entwurf einer Ablösevereinbarung bekommen. Außerdem biete man den Eigentümern im Rahmen der "Konsenssuche" persönliche Gespräche an.

Bei Stadtrat Franz Sieber (Freie Wähler) hielt sich die Begeisterung gleichwohl "in Grenzen" - vor allem deshalb, weil eine Ausgleichspflicht auch bei jenen Eigentümern bestehe, die auf ihrem Grundstück "gar nichts verändert haben". "Die werden überhaupt nicht verstehen, dass sie eine Rechnung bekommen", so Sieber. Sein Wunsch: dass man bei künftigen Sanierungsgebieten in die "Bagatellregelung" komme.

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