Malsch

Ein Ort der Erinnerung und der Ehrung

Die zweite Verlegung von "Stolpersteinen" zur Erinnerung an Opfer der NS-Diktatur weckte großes Interesse bei den Bürgerinnen und Bürgern.

24.05.2023 UPDATE: 24.05.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 27 Sekunden
Künstler Gunter Demnig verlegte in Malsch 14 „Stolperstein“ genannte Gedenktafeln. Foto: Pfeifer

Von Maria Stumpf

Malsch. Rund 30 Malscher sind zur Verlegung von insgesamt 14 Stolpersteinen durch den Künstler Gunter Demnig gekommen. Sie sollen an die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus erinnern. Auf Einladung der "Stolpersteininitiative Malsch" und der Gemeinde waren aus England und den USA auch Nachkommen der ehemaligen Mitbürgerinnen und Mitbürger dabei. In einer Gedenkveranstaltung mit rund 80 Gästen in der Zehntscheuer vorab der Verlegung sprach der Sohn von Hilda Heß, für die ein Stolperstein verlegt wurde, ein starkes, berührendes Grußwort.

Die Stolpersteinverlegungen sind immer wieder ein bewegender Moment, denn jede kleine Messingplatte erinnert an ein anderes Schicksal: Im Jahr 2018 hat es die erste Verlegung mit acht Stolpersteinen gegeben, nun folgte die zweite. Warum? "Wir wollen den Malscher Opfern ein Gesicht geben im öffentlichen Raum", erklärte Bürgermeister und Schirmherr der Aktion, Tobias Greulich, in der Gedenkveranstaltung. Er denke dabei an Menschen, die in Malsch geboren wurden und gelebt haben, die ihre Freunde, Mitschüler, Nachbarn, ihren Verein, ihr Haus und Hof und schließlich ihre Heimat aufgeben mussten: "Die Steine sind ein Symbol. Sie können nichts wieder gut machen. Aber wir schaffen damit einen Ort der Erinnerung und der Ehrung."

Denn auch das machten die Veranstalter in der Zehntscheuer mit einer kleinen Ausstellung und in einer Broschüre deutlich: Das Unrecht, die Deportation, geschah nicht in einer anderen Welt, sondern vor der Haustür und unter den Augen vieler Beobachter – dort, wo deshalb jetzt die Stolpersteine liegen. "Wie die abgeholt worden sind, haben wir auf Rösches Staffel gestanden und haben zugeguckt. Und der ,Hirsche Lui’ (Ludwig Heß) hat noch vom Lastwagen rausgewunken und gerufen: ,Isch kumm wieder’", wird ein Zeitzeuge von damals auf der Ausstellungstafel zitiert.

Zur Gedenkveranstaltung in Malsch reisten auch Angehörige der im NS-Regime vertriebenen oder ermordeten Mitbürger an. Foto: Pfeifer

Als Gastredner widmete sich Norbert Giovannini der Bedeutung von Gedenken. Er forderte eine aktive Gedenkkultur, um das Verleugnen zu verhindern. Da passte, was Andrea Schäffner von der "Stolpersteininitiative" in ihrer Rede aus dem Talmud zitierte: "Ein Mensch ist erst dann vergessen, wenn man sich nicht mehr an seinen Namen erinnert." In diesem Sinne nahmen Ludwig Fröhlich, Johannes Rott und Hans-Georg Schmitz von der "Stolpersteininitiative" die Gäste mit auf eine Zeitreise – in die Welt der ehemaligen jüdischen Malscher Familien Simon Heß, Ludwig Heß und Wilhelm Heß. Die Mitglieder der Initiative haben in den vergangenen Jahren in zeitintensiver Recherche Bildmaterial, Briefe, Postkarten, amtliche Dokumente, ja sogar Zeitzeugeninterviews zusammengesucht. Sie rekonstruierten die Lebensläufe der 14 jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Fast alle waren von den Nazis deportiert und in Lagern an Erschöpfung, Hunger oder Krankheit gestorben – oder in den Gaskammern ermordet worden. Nur wenigen war die Flucht in andere Länder geglückt. Es waren emotionale Schilderungen.

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"Ich kann meinen Dank dafür, hier sein zu können, kaum in Worte fassen", ergriff Peter Katz dann das Wort. Er war zusammen mit seiner Frau Sherry aus London gekommen. Seiner Mutter Hilda Heß war 1939 die Flucht nach England geglückt. Bis vor wenigen Jahren habe er recht wenig über seine Familiengeschichte gewusst, so Katz. Erst durch die Kontaktanfrage der Malscher Initiative habe sich das geändert. "Meine Eltern haben nie mit mir über ihre Vergangenheit gesprochen. Das hat eine große Leere in meinem Leben hinterlassen." Die sei nun aber gefüllt.

Zu wissen, dass seine Mutter hier um die Ecke als Kind gespielt habe und aufgewachsen sei, berühre ihn sehr. "Ich bedanke mich für Ihre Beharrlichkeit, diese Stolpersteinen-Aktion weiterzuführen", wandte er sich an die Initiatoren. Gerne werde er seiner Familie die Heimat seiner Vorfahren zeigen und noch einmal nach Malsch kommen: "I’ll be back!" versprach er in Anlehnung an den Spruch von Ludwig Heß damals beim Abtransport auf dem Lastwagen: "Isch kumm wieder." Was dieser übrigens tat. Ludwig Heß hat überlebt und kam zurück nach Malsch.

Die neuen Stolpersteine in der Friedhofstraße 2, in der Letzenbergstraße 5 und 9, am Raiffeisenplatz 4 und in der Hauptstraße 86 werden von Kindern der Grundschule gepflegt. Insgesamt gibt es in Malsch nun 22 Steine. Mehr sollen es zunächst nicht werden, erklärte Ludwig Fröhlich.

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