Die Rettung stand plötzlich wieder auf der Kippe
Gemeinderat setzte Obergrenze für Ausgaben für die Sanierung der Einrichtung fest - Stadt peilt neuen Mietvertrag an

Die Sanierung des Torturms aus dem 15. Jahrhundert wird teurer und daher soll auch die Stadt mehr Geld beisteuern. Foto: Alex
Von Christoph Moll
Neckargemünd. Es war schon nach 22 Uhr, als die schon sicher geglaubte Rettung der Dilsberger Jugendherberge in der jüngsten öffentlichen Sitzung des Gemeinderates plötzlich wieder auf der Kippe stand. Der Grund: Die Stadt soll für die Sanierung des ihr gehörenden Torturms aus dem 15. Jahrhundert als Teil der Herberge deutlich mehr zahlen als geplant: nämlich 405.000 statt 300.000 Euro. Die Frage lautete nun: Was ist die Jugendherberge der Stadt wert? Hätten die Stadträte "Nein" zu einer Übernahme der Mehrkosten gesagt, wäre die Rettung wohl geplatzt. Und so sagten sie mehrheitlich bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung zähneknirschend "Ja". Für die Sanierung wurde eine "Obergrenze" von 405.000 Euro festgelegt. Es ging aber noch um eine andere Frage: Was ist ein alter Vertrag zwischen der Stadt und dem Deutschen Jugendherbergswerk (DJH) wert?
Hintergrund
Grünen-Rat schlug vor, den Torturm als Beitrag der Stadt dem Herbergswerk zu vermachen
Soll die Stadt den Dilsberger Torturm als Beitrag für die Sanierung der Jugendherberge an das Herbergswerk übereignen? Über diese Frage sprachen die Stadträte in
Grünen-Rat schlug vor, den Torturm als Beitrag der Stadt dem Herbergswerk zu vermachen
Soll die Stadt den Dilsberger Torturm als Beitrag für die Sanierung der Jugendherberge an das Herbergswerk übereignen? Über diese Frage sprachen die Stadträte in ihrer jüngsten öffentlichen Sitzung. Aber nicht nur darüber:
Karlheinz Streib (Freie Wähler) zeigte sich "sehr überrascht von der enormen Kostenexplosion". Er erinnerte daran, dass es schon einmal eine Spendenaktion für das Gebälk des Torturms und die Turmuhr gegeben hat. Streib sah die Gefahr, dass Kosten des Deutschen Jugendherbergswerk (DJH) auf die Stadt verlagert werden. Darauf werde man genau achten, so Bürgermeister Frank Volk. Dennoch signalisierte Streib Zustimmung: "Die Herberge ist ein Aushängeschild."
Winfried Schimpf (SPD) kam auf die Vereinbarung aus dem Jahr 1984 zur mietfreien Nutzung des Torturms durch das DJH zu sprechen und fragte: "Wann wurde diese außer Kraft gesetzt?" Man wolle "die Sanierung nicht sabotieren, aber die stillschweigende Akzeptanz der Neuforderung gefällt uns nicht", so Schimpf. Bürgermeister Volk räumte ein, dass er von der Vereinbarung nichts wusste. "Das DJH wird die zweckgebundene Spende ablehnen und die Herberge nicht sanieren, wenn wir uns nicht beteiligen", machte er deutlich. "Wir zahlen aber nicht mehr als wir müssen."
Thomas Schmitz (Grüne) betonte, dass die Stadt nur Maßnahmen am Torturm finanzieren dürfe, die ausschließlich dessen Erhalt und nicht dessen Ausbau dienen. Der Grünen-Rat brachte eine neue Idee ins Spiel und fragte: "Wollen wir überhaupt Eigentümer des Torturms bleiben?" Dieser könnte an das DJH übereignet werden und die Stadt würde im Gegenzug die 405.000 Euro sparen. "Ich meine das ernst, das ist keine verrückte Idee", betonte Schmitz. "Wir haben viele Gebäude, die nicht im Eigentum der Stadt bleiben müssten." Er sei bereit, über den Verkauf von städtischen Immobilien zu reden, entgegnete Bürgermeister Volk. "Aber nicht über den Dilsberger Torturm oder das Neckargemünder Stadttor." So lange er Bürgermeister sei, werde er dafür nicht die Hand heben. "Das würde uns in alle Medien bringen."
Walter Berroth (SPD) bezeichnete die Idee von Schmitz als "Treppenwitz": "Das Verschenken des Torturms ist völlig absurd." Der Torturm sei grundlegend sanierungsbedürftig und müsse auch ohne einen Weiterbetrieb der Jugendherberge erneuert werden, so der Dilsberger.
Giuseppe Fritsch (Freie Wähler) sah "kein Zurück mehr", wie er sagte: "Wir brauchen die Herberge - allein schon für den Schüleraustausch mit Évian."
Christian Rupp (CDU) fragte kritisch: "Was bringt uns die Herberge?" 405.000 Euro für den Évian-Austausch seien doch viel Geld. Bürgermeister Volk verwies darauf, dass die Sanierung des Torturms auch ohne eine Neueröffnung der Jugendherberge notwendig sei. Außerdem sei dies Wirtschaftsförderung für den Dilsberg. Man gehe davon aus, dass jeder Tourist etwa 80 Euro in der Stadt lasse. (cm)
Zunächst ein kurzer Rückblick: Die denkmalgeschützte und traditionsreiche Jugendherberge auf dem Dilsberg mit zuletzt jährlich rund 10.000 Übernachtungen von 5000 Jugendlichen ist seit inzwischen zwei Jahren geschlossen. Das DJH hatte den Betrieb damals nach knapp 100 Jahren eingestellt, weil ihm erforderliche dringende Brand-schutzmaßnahmen mit 1,8 Millionen Euro schlicht zu teuer waren. Gemeinsam mit der Stadt wurde nach einem Käufer gesucht, Bürger starteten eine Unterschriftenaktion gegen die Schließung. Im letzten Herbst kam dann die erlösende Nachricht: Ein anonymer Spender will 1,5 Millionen Euro für die Sanierung geben. Der DJH-Vorstand nahm prompt den Schließungsbeschluss zurück. In diesem Sommer ging dann der Bauantrag bei der Stadt für die Renovierung ein. Weil dieser dem geltenden Bebauungsplan entsprach und keine Befreiungen erforderlich waren, wurde dieser genehmigt. Es sah so aus, als ob die Sanierung kommen könnte.
Doch nun kam die Nachricht über die Mehrkosten. Statt 1,8 Millionen Euro soll die gesamte Sanierung nun 2,67 Millionen Euro kosten - die Stadt soll statt 300.000 Euro nun 405.000 Euro zahlen. Doch muss die Stadt überhaupt etwas zahlen? Eigentlich nicht. Denn Dr. Franz-Georg Scheffczyk vom Immobilienmanagement der Stadt hat im Archiv eine Vereinbarung aus dem Jahr 1984 gefunden. Diese regelte, dass die Stadt dem DJH den Torturm mietfrei überlässt, dieser aber dafür alle Unterhaltungsarbeiten tragen muss. Scheffczyk sah die angesetzten 405.000 Euro für den Torturm ohnehin als zu hoch an. Denn hierbei handle es sich um ein besonderes Kulturdenkmal, bei dem - anders als beim Rest der Herberge als einfaches Denkmal - jeder noch so kleine Eingriff in die Bausubstanz zu genehmigen sei. "Die geplanten weitreichenden Eingriffe am Torturm, wie eine Wandöffnung für einen Fluchtweg, sind nicht genehmigungsfähig", unterstrich der Fachmann. "Der DJH hat so geplant, als wäre alles ein einfaches Denkmal." Scheffczyk sah hier die Möglichkeit für die Stadt, zu sparen.
Apropos Geld: "Wir sind der Meinung, dass wir die Kosten für die Sanierung des Torturms durch einen neuen Mietvertrag mit dem DJH refinanzieren sollten", sagte Scheffczyk. Die Zeiten der mietfreien Nutzung des Torturms könnten für das DJH also vorbei sein. Bürgermeister Volk dämpfte aber gleich die Erwartungen: "Wir brauchen einen zeitgemäßen Mietvertrag, aber ich erwarte keine horrenden Einnahmen."



